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Wetterkapriolen

Bei Tagesanbruch stellen die Neuankömmlinge fest, dass sich das Wetter schon wieder geändert hat. Ein starker Nordostwind pfeift hörbar um den vierten Stock und zerrt böse an dem auf Kippe stehenden Wohnzimmerfenster. Sekou muss richtig Kraft aufwenden, um es zu schließen. „Das ist ja das reinste Unwetter“, klagt Amadou und steht mit der Kaffeetasse in der Hand auf, um aus dem Fenster zu schauen.

Ein entfesselter Wind jagt bedrohlich tief hängende, schiefergraue Wolken im Zeitraffertempo vor sich her. Der Himmel darüber ist eintönig grau; nur hin und wieder reißt die dichte Wolkendecke für einen Moment auf und gibt Fetzen blauen Himmels frei oder lässt sogar die Sonne kurz blinzeln; dann schiebt der Wind die nächste Wolkenbank heran und schließt die Lücke wieder.

„Willst du wirklich bei dem Wetter raus? Jetzt regnet es auch noch.“ Sekou schaut Amadou kopfschüttelnd an.

„Äh, ich, ich dachte, vielleicht könnte ich einkaufen gehen, und mal gucken, ob die Kinder auf dem Platz sind“.

„Einkaufen können wir doch zusammen und was die Kinder angeht, die sind bestimmt nicht draußen; das ist viel zu gefährlich bei dem Wind.“

„Aber ich habe gestern vergessen, Emily nach ihrer Adresse zu fragen“, jammert Amadou.

„Ja und? Was willst du eigentlich damit?“, schimpft Sekou, „denk lieber an Miriam.“

„Aber ich denke, es ist so wichtig, eine deutsche Freundin zu haben. Das haben alle gesagt. Ich halte mich nur an die Ratschläge derjenigen, die hier schon länger leben.“

„Ja, aber du musst doch nicht jeden Ratschlag blind befolgen. Du solltest auch selber überlegen, was für dich gut ist.“

„Hab ich ja; und deswegen gehe ich jetzt.“

Sekou hört den Schlüssel in der Tür nicht, als Amadou zurückkommt. Er hat Kopfhörer auf und spricht laut den Text der Lehrkassette nach: „Gutten Tack, isch eisse Sekou, un du?“ Amadou schleicht sich ins Bad und hängt seine nassen Sachen über der Badewanne zum Trocknen auf. Als er wieder herauskommt, schaut Sekou ihn prüfend an.

„Du siehst ganz schön verfroren aus. Komm, setz dich hier an den Heizkörper. Ich mach uns einen Tee.“ Amadou lässt sich auf das Sofa plumpsen, breitet die Arme auf der Rücklehne aus und schließt die Augen.

Aus der Küche ruft Sekou: „Sie war nicht da, oder?“

„Hm“, ist die mundfaule Antwort.

„Mach dir nichts draus, du kannst es ja morgen wieder versuchen“, sagt Sekou und setzt das Tablett mit den Teeutensilien auf dem kleinen Tisch ab. Amadou umfasst mit klammen Fingern den heißen Teebecher.

„Lass uns ein wenig Deutsch üben, dann kannst du sie, wenn du sie wieder triffst, auf Deutsch nach ihrer Adresse fragen.“

„Gute Idee“, sagt Amadou dankbar und schlürft seinen Tee in kleinen Schlucken.

Als die anderen Bewohner nach und nach eintreffen, beginnen Sekou und Amadou das Essen zu servieren. Hungrig fallen alle darüber her, bis auf Amadou.

„Ich habe keinen Appetit; ich weiß auch nicht warum, und außerdem ist mir kalt.“

Alle schauen ihn erstaunt an. „Er hat Heimweh.“ „Bist du krank?“ „Vielleicht bekommt er einen Malariaanfall.“

Die Meinungen über Amadous Zustand gehen weit auseinander. In einem sind sie sich jedoch einig: Paracetamol soll er nehmen, und davon gleich zwei. Nachdem Amadou sie geschluckt hat, machen die anderen etwas Platz, damit er sich auf der Couch ausstrecken kann. Mit inzwischen fiebrigen Augen versucht er dem Gespräch der Freunde zu folgen und bekommt gerade noch mit, wie Malik ankündigt: „Morgen gehen wir in die Disco.“ Dann hat er die bleischweren Augenlider nicht mehr unter Kontrolle.

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