Читать книгу Die Blume des kleinen Prinzen - Karel Szesny - Страница 13
11. Die Berührung
ОглавлениеIn der darauffolgenden Nacht hatte Elisa einen Traum.
Sie befindet sich auf einem kleinen Planeten. Sie deutet auf einen Maschendrahtzaun.
„Das ist die einzige Möglichkeit.“
Da sagt der kleine Prinz zu ihr: „Es wird sein, als wäre die Blume meine Gefangene. Das wird ihre Schönheit zerstören.“
„Wenn ich sie wäre“, erwidert Elisa, „würde ich auf die Schönheit verzichten. Denn dafür könnte ich immer bei dir sein.“
Der kleine Prinz legt seine Hände ganz behutsam um Elisas Gesicht wie um einen Blütenkelch.
„Wie gut du doch bist, meine Blume.“
Auf einmal steht Elisa hinter dem Maschendraht, der sie von allen Seiten umgibt. Sie hört das Schaf blöken. Aber sie fühlt sich sicher. Die Sonne strahlt warm und hell auf sie herab.
„Du hast einen karierten Schatten auf der Haut. Wie komisch!“, lacht der kleine Prinz. „Du bist kariert wie ein Rechenheft.“
Die Augen des kleinen Prinzen haben auf einmal ihren samtwarmen Schimmer verloren.
„Jetzt brauchst du dich nicht mehr um mich zu sorgen“, sagt Elisa.
„Ja“, nickt der kleine Prinz und wendet sich ab.
„Jetzt bin ich immer für dich da“, strahlt Elisa glücklich.
„Das ist gut“, erwidert er und hält sich gähnend die Hand vor den Mund.
„Wohin gehst du?“, fragt sie.
„Ich weiß nicht“, antwortet er abwesend und ist schon weit entfernt. „Ich brauche mich ja nicht mehr um dich zu sorgen.“
Bald ist er nicht mehr zu sehen. Das Schaf steht jetzt ganz nah am Maschendraht und starrt Elisa hungrig an. Plötzlich bleckt es sein Gebiss. Sie erschrickt furchtbar. Sie will zurückweichen. Aber sie kann ihre Beine nicht heben. Erschauernd bemerkt sie, dass sie keine Füße, sondern Wurzeln hat, die sie am Boden festhalten.
„Kleiner Prinz!“, schreit sie mit aller Kraft. Ihr Schrei hallt durch das Universum. Dann ist da etwas, wie das knarksende Geräusch einer herabgedrückten Türklinke, die schon lange nicht mehr geölt worden war.
„Elisa!“, hört sie die Stimme ihrer Großmutter rufen…
…die in diesem Moment die Tür öffnete. „Aufstehen, kleine Langschläferin! Du kannst Opa im Garten helfen. Er ist schon vorausgegangen. Ich gebe dir ein Körbchen mit für die Himbeeren.“
In diesem Traum hatte Elisa über ihren großen Schrecken hinaus etwas Seltsames empfunden; ein wunderbares Gefühl, das noch viel stärker war als all ihre Angst, ein Gefühl, für das sie einfach keine Worte und keine Erklärung fand und das sie den ganzen Tag still und nachdenklich umhergehen ließ. Es war, als hätte sie der kleine Prinz mit seinen samtenen Händen verzaubert, als hätte die Wärme seiner Hände einen unauslöschlichen Abdruck von Zärtlichkeit auf ihren Wangen hinterlassen. Die Berührung hatte eine geheimnisvolle Sehnsucht in ihr Herz gepflanzt, die sich fortan immer wieder mit leisem Pochen in Erinnerung brachte.