Читать книгу Die Blume des kleinen Prinzen - Karel Szesny - Страница 5
3. Der Streit im Nachbarhaus
Оглавление,Schafe sind eigentlich sehr liebe Tiere‘, überlegte Elisa, als sie an diesem Abend im Bett lag. ,Aber wenn ein Schaf Hunger hat, ist es ihm vermutlich egal, ob es Gras oder Rosen zu fressen bekommt.‘
Außer diesem Problem gab es noch einen anderen Grund, weshalb sie nicht einschlafen konnte. Im Nachbarhaus ging es laut her. Professor Heuretes stritt wieder einmal mit seiner Gattin.
„Sieh dir meine Hände an!“, hörte Elisa die schrille Frauenstimme. „Ganz rau und rissig sind sie geworden! Aber du musstest die Haushälterin ja unbedingt entlassen!“
„Und wovon hätte ich sie bezahlen sollen?“, erwiderte der Professor verschnupft. Durch das offene Fenster war jedes Wort zu verstehen, obwohl die großen Zitterpappeln vor dem Haus kräftig im Abendwind rauschten und die Maschinengeräusche der Tütensuppenfabrik auch des Nachts nicht verstummten.
„Denkst du, die Frau von Herrn Konsul Karnifeks muss das Geschirr selber spülen?“, keifte die Frau. „Weißt du, was die alles hat? - Ein Dienstmädchen, einen Koch, einen Gärtner, einen eigenen Wagen mit Chauffeur und einen Nerzmantel!“
„Karnifeks!“, rief der Professor verächtlich. „Dieser klumpfüßige Ganove!“
„Du solltest dir ein Beispiel an ihm nehmen“, lamentierte die Frau, „und endlich Geld verdienen anstatt deinen albernen Hirngespinsten nachzuhängen!“
„Hirngespinste?!“, empörte sich der Professor. „Seit zwölf Jahren arbeite ich an der bedeutendsten Erfindung der Menschheit, und du nennst es Hirngespinste!“
„Und ich muss seit zwölf Jahren diesen gewöhnlichen Fuchs tragen!“, beklagte sich die Frau.
Genau das war es, weshalb Elisa für diese auffallend elegante Dame nicht besonders viel Sympathie empfand. Wenn die nämlich aus dem Haus ging, trug sie immer einen toten Fuchs als Kragen um den Hals. Dem kleinen Prinzen würden die Haare zu Berge stehen. – Ein Artgenosse seines allerbesten Freundes als Halsschmuck!
„Ich werde dich verlassen!“, schluchzte die Frau. „Am besten gleich morgen!“
,Aha‘, dachte Elisa, ,das kenne ich schon. Gleich versöhnen sie sich wieder.‘
Und richtig. Der Professor, der seine Gattin nicht weinen sehen konnte, sprach nun mit beruhigender Stimme: „Aber was redest du, mein Liebling. Wenn mein psychokinetischer Antrieb…“ – Diese geheimnisvolle Bezeichnung hörte Elisa hier zum ersten Mal. – „…psychokinetischer Antrieb erst funktioniert, kannst du dir von mir wünschen, was du willst. Dann kaufe ich dir einen Nerzmantel und einen eigenen Wagen mit Chauffeur und stelle auch die Haushälterin wieder ein.“
„Und wir ziehen in eine große Villa“, ergänzte die Frau weinerlich.
„Natürlich“, stimmte der Professor zu. „In eine viel größere Villa als die von diesem Karnifeks. Ich sage dir, der wird platzen vor Neid. Ich werde das Unmögliche möglich machen. Die Welt wird aufhorchen!“
Wie an manch vorangegangenem Abend konnte Elisa auch dieses Mal etwas merkwürdige, doch nicht minder deutliche Anzeichen der Versöhnung zwischen dem Ehepaar Heuretes vernehmen.
,Sonderbar, über welch’ nichtige Dinge sich erwachsene Leute in die Haare geraten‘, dachte sie. ,Merkwürdig, auf welche Weise sie sich wieder versöhnen.‘
Müde drehte sie sich auf ihre Einschlafseite.
,Das Unmögliche möglich machen…‘, gingen ihr die Worte des Professors noch durch den Sinn, als der Schlaf mit seinen behutsamen Händen ihre Lider schloss.