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Besuch in Thüringen

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Bereits im Sommer 1970 konnten wir uns auch persönlich kennenlernen. Ich hatte das gar nicht für möglich gehalten, als ich damals die ersten Briefe schrieb. Erst voriges Jahr erfuhr ich, dass Elisabeth Evas Adresse ehemals über ihren Deutschlehrer erhalten hatte.

Es wurden in jener Zeit in Europa viele Partnerstädte ins Leben gerufen. Die meisten Menschen in der DDR erfuhren gar nichts davon. Zeulenroda war die Partnerstadt von Laon geworden. Elisabeth meldete sich damals, um in den Sommerferien für eine Woche mit einer Schülergruppe nach Zeulenroda zu fahren. Sie besuchten von dort aus gemeinsam einige Sehenswürdigkeiten in Thüringen.

Elisabeth hatte mich per Brief informiert, in welcher Schule und in welchem Zeitraum sie in meiner Kreisstadt Zeulenroda untergebracht war. Heute würde man da mal schnell anrufen, aber wir hatten kein Telefon zu Hause, denn das war privat nur für Ärzte und Feuerwehrleute vorgesehen. Mobile Geräte und Internet gab es natürlich auch noch nicht. So ging ich bei uns zum Postamt, ließ mir die Telefonnummer der Schule in Zeulenroda nennen und rief dort im Sekretariat an, um mich über den Ablaufplan der französischen Gäste zu informieren. Die Dame half mir schnell, einen geeigneten Termin zu finden.

Ich fuhr also in die Kreisstadt und freute mich, dass Elisabeth auch wirklich vor Ort war. Wir begrüßten uns schüchtern. Ich erinnere mich noch an ihre dunkel umrandete Brille. Ihre Haare waren lang und schwarz, die Haut hatte einen brünetten Teint. Elisabeth lächelte herzlich und das war ausschlaggebend, sie wirkte sehr sympathisch.

Wir verabredeten uns in Deutsch und Französisch für den nächsten Tag. Sie bekam frei und durfte mich in der Nachbarstadt besuchen. Sie kam mit dem vereinbarten Bus am Marktberg in Auma an. Ich holte sie von der Bushaltestelle ab und zeigte ihr ausgiebig meine Heimatstadt. So schritten wir über den Markt mit dem alten und neuen Rathaus, das aber auch schon älter als hundert Jahre war. Eine Postsäule zeigt in Goldschrift eingemeißelt Entfernungen der Städte in Stunden an. Die große Grundschule steht nahe der Kirche, deren Treppen steil und ungleichmäßig nach unten zum Tal des schmalen Flusses führen. Dann liefen wir bis zum Waldrand, wo das Haus meiner Eltern steht.

Meine Mutter empfing uns ganz herzlich. Wir verständigten uns auch ohne Wörterbuch. Elisabeth konnte schon sehr gut Deutsch. Sie übergab mir einen Wandteller mit einer Ölzeichnung eines Motives aus der Partnerstadt Laon als Gastgeschenk.

Als mein Vater wie immer am Mittag aus der Schlosserwerkstatt zum Mittagessen nach Hause kam, scherzte Mutti: „Jetzt siehst Du endlich einmal eine richtige Französin!“ Das war ja früher der Traum deutscher Männer. Er schmunzelte. Auch meine Eltern fanden sie großartig. Oft bestellten sie später Grüße, als ich ihr wieder Briefe schrieb.

In den Jahren danach hatte ich nichts mehr über diese Städtepartnerschaft von Laon mit Zeulenroda erfahren. Auch meinen Verwandten in Thüringen habe ich kaum von meiner Brieffreundschaft berichtet. Man kam durch die schlechte Verkehrsanbindung eben auch nicht so oft zusammen.

Eine außergewöhnliche Freundschaft

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