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Messestadt Leipzig

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Da wir während der halbjährlichen Messezeit in Leipzig jeweils unsere Sachen in Kartons packen mussten, damit für die Messegäste genügend Kapazitäten an Übernachtungsmöglichkeiten – eben auch in unseren Internatsgebäuden – vorhanden waren, suchte ich mir ein Privatzimmer in der Messestadt. Natürlich vermieteten die meisten Leipziger jedes kleine Zimmer insbesondere zur Messezeit, aber ich hatte diesbezüglich Glück und konnte dort bis zum Studienende bleiben, ohne „Messeauszug“. Frau Krüger wollte nicht mehr so viel Unruhe. Jetzt hatte ich sogar ein Klavier in meiner Studentenbude – und das für 25 Mark der DDR – pro Monat! Zur Toilette musste man allerdings eine halbe Treppe tiefer. Warmes Wasser gab es nicht aus der Wand. Es wurde in der Röhre vom Kachelofen erwärmt. Die Küche teilte ich mit ihr insofern, dass dort der Wasserhahn für kaltes Wasser war sowie das Abflussbecken. In meinem Raum hatte ich einen Waschtisch, auf dem eine große Schüssel stand, die ich dann jeden Tag entsprechend nutzte. – Herrenbesuch war nicht erlaubt.

Was mir in Leipzig gefiel, waren die zahlreichen Bibliotheken, besonders die großen Tische und Nutzungsmöglichkeiten der Deutschen Bücherei. Jeder deutschsprachig gedruckte Band war dort gut katalogisiert im Archiv aufbewahrt. Man konnte diese Bücher vor Ort lesen, aber nicht mit nach Hause nehmen.

Mit meiner Studienfreundin besuchte ich mehrfach das Opernhaus mit dem Studentenausweis. Wenn zufällig Plätze frei waren, konnte man kurz vor Beginn der Vorstellung für eine Mark und fünf Pfennige (Kulturfond) plus Garderobenpreis das Ticket erwerben. Man musste eben auf gut Glück am Abend dort hingehen und schauen. Wir bekamen immer einen Platz. Auch die Konzerte in der damals genutzten Kongresshalle am Zoo, in der meistens das Gewandhausorchester spielte, besuchten wir gern. Es war gerade die Zeit vom Chefdirigenten Kurt Masur.

Erst als unser Studium endete, wurde das neue Gewandhausgebäude eingeweiht wie auch das Hochhaus, der sogenannte „Weisheitszahn“, in dem heute der MDR seinen Sitz hat. Als Studenten im vierten Studienjahr mussten wir dort die Zimmer auswischen, damit die Bauabnahme des großen Gebäudes mit den für die Dozenten geplanten Büros sowie Seminarräumen zügig vonstattengehen konnte. Einen Studentenclub gab es damals nicht. Die Moritzbastei entstand ein halbes Jahr später. So war es schwierig, in Leipzig außerhalb des Studienbetriebs Menschen kennenzulernen.

Während des Studiums in Leipzig erweiterte sich mein Horizont auch weltpolitisch. Die Messestadt zeigte sich größtenteils von ihrer weltoffenen Seite, nicht nur während der Messezeit. Im Herder-Institut lernten junge Menschen aus vielen Ländern Afrikas und dem arabischen Raum die deutsche Sprache kennen, um sich auf ein Studium in der DDR vorzubereiten. Während des täglichen Fahrens mit der Straßenbahn schulte ich beim unvermeidlichen Hören fremder Sprachen mein musikalisches Gehör für die Bedeutung der Sprachmelodie. Das vertiefte ich in einer Seminararbeit im Fach Musikpsychologie.

Im vierten Studienjahr absolvierte ich mein viermonatiges Schulpraktikum in einer POS in Taucha, einer Nachbarstadt von Leipzig. Das war täglich eine Anfahrt von einer Stunde per Straßenbahn bis zur Endhaltestelle. Die Feuertaufe erfuhr ich in der sogenannten Prüfungsstunde: Es war ein Diktat geplant. Nach etwa fünf Sätzen begann ein Riesenlärm. Ohne Ankündigung wurde gerade in diesem Zeitraum laut am Gebäude wegen der Sanierung gebohrt, sodass man sein eigenes Wort nicht verstand. Irgendwie ging es dann auch weiter, aber diesen Baulärm höre ich noch heute.

Insgesamt gefiel mir während des Studiums die Lernpsychologie besonders gut, auch heute noch. Warum lernt ein Kind oder ein Erwachsener auf diese eine Art und Weise besser als auf eine andere?

Mit meiner Wirtin, bei der ich zur Untermiete wohnte, hatte ich ein Problem. Sie mochte weder meine FDJ-Zeitung „Junge Welt“, noch die DDR, noch einzelne Wissenswettbewerbe. Als ich ihr einmal etwas von der Mathematikolympiade vorschwärmte, wurde sie regelrecht ausfallend. Später berichtete sie von ihrer Jugend, als sie in Leipzig im Turnverein übte. Auch von ihrer Hochzeit erzählte sie mir und ihrem Sohn, den sie einmal im Jahr in München besuchte. Der hatte eine gute Anstellung bei Siemens.

Eine außergewöhnliche Freundschaft

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