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4. Die kranke Seele als Ursache jeder Krankheit. Freiheit des Willens und Persönlichkeit

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Wir haben gestern davon gesprochen, daß die Individualpsychologie an Grundelemente gebunden ist, von denen die Menschen heute noch wenig wissen oder auch nicht wissen und glauben wollen, daß es solche überhaupt gibt.

Die Wissenschaft fordert für alle Lehrsätze und Forschungsergebnisse exakte Beweise und die können vorerst in bezug auf die Existenz von Geistwesen, die Seele und ihren Funktionen noch nicht erbracht werden. Es gibt zwar schon in verschiedenen Ländern Universitäten, an denen Geisteswissenschaft, ich will sagen, Wissenschaft vom Geistwesen, seinem Dasein und so weiter, gelehrt wird, aber in Europa ist noch keine Fakultät dafür vorhanden. Sie wird aber kommen und weitgehende Umwälzungen in verschiedenen wissenschaftlichen Sparten bringen.

Besonders die Medizin wird von Grund auf geändert werden. Sobald man zur Überzeugung gelangt sein wird, daß jede Krankheit ihre Ursache in einer kranken Seele hat, wird man den kranken Menschen nicht mehr nur als einen Fall betrachten, sondern sich über die gesamte Persönlichkeit Kenntnis verschaffen und die Behandlung – abgesehen von körperlichen Schäden – ganz auf die Seele und den Geist abstellen.

Ich will nun darauf zu sprechen kommen, wie der Arzt sich überhaupt zu einem Patienten einstellen muß, um zu ihm einen engen, guten Kontakt zu finden. Kein Patient wird von sich aus in der geeigneten Weise seine Gedanken dem Arzt anvertrauen, und es ist daher die Aufgabe des Arztes, erst als Freund dem Patienten zu erscheinen, bevor er mit der Untersuchung überhaupt beginnen kann. Ich habe diese Feststellung vorweggenommen, weil alle anderen Zusammenhänge im Laufe der Abhandlung klar werden.

Daß die Seele der Sitz aller Krankheiten ist, habe ich schon betont. Es ist nun vor allem klar zu machen: Wieso kann die Seele krank werden, welche Ursachen gibt es dafür, und wie sieht eine gesunde Seele überhaupt aus? Wir wissen bereits, daß der Mittelpunkt des menschlichen Wesens der Geist ist, oder, wie wir eigentlich sagen müßten, das Geistwesen. Dieses verkörpert den menschlichen freien Willen und damit die Persönlichkeit schlechthin.

Denn der Wille, der alle Betätigung ursprünglich veranlaßt, ist der Gradmesser für die Entwicklung des Geistes.

Zwischen Geist und Seele ist eine enge Verbindung durch ein unzerreißbares Band gegeben, so daß jede Willensäußerung im Geist sich sofort oder gleichzeitig auf die Seele, als die ihn umgebende schützende Hülle überträgt. Die Seele ist es nun, die im Auftrag des Geistes oder durch ihn veranlaßt, die entsprechenden Organe veranlaßt, das Gewollte auszuführen. Eine gesunde Seele wird leicht in der Lage sein, den Willensimpuls auf das Organ, das eine Tätigkeit ausüben soll, zu übertragen. Eine kranke Seele kann in mancher Hinsicht versagen. Es ist nun eine ganz besondere Aufgabe, festzustellen, wann eine Seele gesund ist. Der Maßstab dafür ist nicht etwa nur die Tatsache, daß die Organe des materiellen Körpers gesund sind, denn zu der Tätigkeit der Seele gehört auch die Lenkung der Gedanken, die sogenannte geistige Arbeit.

Meist aber gehen Mängel auf diesem Gebiet Hand in Hand mit körperlichen Schädigungen. Unter Krankheiten des Körpers verstehe ich nur solche, nicht aber normale Abnützungserscheinungen, die mit zunehmendem Alter bei allen Menschen auftreten müssen, wenn auch nicht immer im gleichen Ausmaß. Wir wissen heute schon, daß solche Abnützungserscheinungen durch äußere Einflüsse, schlechte und unrichtige Ernährung verursacht, in verschiedener Intensität auftreten.

Ich spreche aber hier nur von den Krankheiten, die durch die kranke Seele und die dadurch hervorgerufenen Störungen im Organismus verursacht werden. Und derer gibt es eine große Zahl. Der Arzt muß vor allem lernen, die Ursachen einer Erkrankung genau festzustellen und nach Ausschaltung aller äußeren Möglichkeiten die seelischen Störungen zu ergründen suchen. Das ist natürlich nicht so einfach, wie dies gesagt wird. Dazu bedarf es einer tiefen Einsicht in die gesamte Lebensweise des Patienten. Zu leicht lässt sich der Arzt von dem beeinflussen, was der Patient ihm erzählt. Es ist selten die Wahrheit. Was der Patient spricht, ist aber gar nicht so wichtig, sondern was er tut oder getan hat. Dazu bedarf es eines offenen Blickes für die ihn umgebenden Verhältnisse.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß der Mensch nicht der Krankheitsfall, nicht ein Objekt, sondern ein Subjekt ist, und zwar jeder Mensch ein anderes, ein eigenes. Nicht zwei Menschen sind gleich oder auch nur ähnlich. Verschiedene Eigenschaften können sich wiederholen, und Fähigkeiten können dort und da vergleichbar sein, aber die Persönlichkeit als Ganzes betrachtet ist immer nur einmalig.

Darum bedarf es eines großen Studiums, um in jedem Fall den Erfordernissen gerecht zu werden. Ich möchte das an einem Beispiel erläutern. Ein Künstler kann nicht gut rechnen, ein Kaufmann auch nicht. Für den Künstler ist Rechnen Nebensache, die Fähigkeit dazu darf verkümmern. Nicht aber so bei dem Kaufmann. Bei ihm kann ein Mangel dieser Fähigkeit schwere Störungen zu Folge haben. Das Erkennen der Unfähigkeit wird seine Seele beeinflussen und diese wird gestört und die Störung entsprechend weiterleiten. Das ist ein ganz primitives Beispiel, aber grundlegend für alle weiteren Betrachtungen. Für heute Schluß, morgen mehr davon.

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