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c) Keine Organfunktion bei wesentlichen Wettbewerbern
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Kernstück der Regelung zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern ist S. 2 der Ziff. 5.4.2 DCGK. Hiernach sollen Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben. Das Aktiengesetz enthält bezüglich der Organfunktion bei Wettbewerbern kaum Beschränkungen. So bestimmt lediglich § 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG, dass die Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat auf zehn Mandate in verschiedenen Handelsgesellschaften beschränkt ist, wobei Mandate als Aufsichtsratsvorsitzender doppelt zählen. Dennoch ist es allgemein anerkannt, dass die Mitgliedschaft in einem Konkurrenzunternehmen offene Diskussionen im Aufsichtsrat verhindert.[96] Der Kodex greift diese Problematik auf und versucht, durch die Einschränkung auf wesentliche Wettbewerber eine praktikable Lösung für dieses praxisrelevante Problem aufzuzeigen.
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Der Begriff Organfunktion umfasst sowohl Vorstands- als auch Aufsichtsratsmandate bei Wettbewerbern. Problematischer ist jedoch die Bestimmung des Kreises der wesentlichen Wettbewerber. Zudem sollte vermieden werden, durch eine zu enge Betrachtungsweise den Gesellschaften die Suche nach qualifizierten Aufsichtsratsmitgliedern zu erschweren.[97] Auch durch die Rechtsprechung wurde der Begriff „wesentlicher Wettbewerber“ eher eng ausgelegt. So sollen wesentliche Wettbewerber nur solche sein, die dem Unternehmen auf seinen Märkten tatsächlich Wettbewerb machen und in den Kernbereichen identische Tätigkeitsfelder haben.[98] Durch das Abstellen auf Wettbewerber des Unternehmens wird deutlich gemacht, dass der Kodex von einer Konzernbetrachtung ausgeht.[99]
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Die Brisanz und Aktualität von Interessenkonflikten bei Aufsichtsratsmitgliedern lässt sich anhand des Beispiels der Übernahme der Continental AG durch die Schaeffler Gruppe und die dabei aufgetretene Problematik der Mehrfachmandate von Aufsichtsratsmitgliedern veranschaulichen:
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Anfang 2009 kam es zur Übernahme der Continental AG durch die Schaeffler AG. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Schaeffler-Gruppe ca. 90 % der Aktien der Continental AG erworben. In einer Investorenvereinbarung hatten sich die Schaeffler AG und ihre Gesellschafter gegenüber der Continental AG verpflichtet, bestimmte Struktur- und Geschäftsführungsmaßnahmen ausschließlich unter Zustimmung des Vorstands vorzunehmen. Zudem wurde die Vereinbarung getroffen, im gerichtlichen Verfahren bei der Benennung von Personen, die vom Vorstand für den Aufsichtsrat vorgeschlagen werden sollten, potentielle Interessenkonflikte bereits im Vorfeld zu vermeiden. Im Fortgang der Übernahme hatten vier von insgesamt zehn Aufsichtsratsmitgliedern ihre Ämter niedergelegt. Der Vorstand der Continental AG beantragte daraufhin beim zuständigen Amtsgericht, den anwaltlichen Berater der Schaeffler-Gruppe zum Mitglied des Aufsichtsrates der Continental AG zu bestellen. Das Amtsgericht gab dem Antrag statt. Daraufhin legte ein Aktionär der Continental AG die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ein und begründete diese mit dem Vorliegen eines unlösbaren Interessenkonfliktes.[100]
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Das LG Hannover entschied daraufhin in seinem Beschluss vom 12.3.2009, dass ein unlösbarer Interessenkonflikt bereits im gerichtlichen Bestellungsverfahren zu berücksichtigen ist, wenn dieser sich schon zu diesem Zeitpunkt abzeichnet. Der Grundsatz soll jedoch nicht innerhalb eines Konzernverbunds gelten, da das im Konzern herrschende Unternehmen seinen Einfluss durch Entsendung seiner gesetzlichen Vertreter in den Aufsichtsrat der zum Konzern gehörenden Unternehmen geltend machen darf. Die Entsendung des gesetzlichen Vertreters des herrschenden Unternehmens in den Aufsichtsrat ist hiernach zulässig. Darüber hinaus kann das Gericht das vorgeschlagene Aufsichtsratsmitglied sogar dann bestellen, wenn sich eine etwaige Pflichtenkollision mit Hilfe einer Investorenvereinbarung beherrschen lässt.[101]
2. Teil Emittenten-Compliance › 6. Kapitel Der Deutsche Corporate Governance Kodex und dessen Bedeutung für die Kapitalmarkt Compliance › D. Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung des Kodex