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Beifallklatscher

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Römische Zuschauer spendeten bei Vorführungen im Theater, im Circus und in der Arena gern und ausgiebig Beifall. Die allermeisten von ihnen taten das freiwillig und als überzeugte Fans von Wagenlenkern und Schauspielern. Aber nicht alle. Es gab auch gekauften Beifall. Solche Leute nennt man heute Claqueure – ein verachteter „Beruf“, aber ein ziemlich einträglicher. Zu manchen Zeiten konnte man im Alten Rom davon leben, und zwar nicht schlecht.

Vor allem in der umkämpften, von vielen Rivalitäten und Reibereien geprägten Szene der Bühnenschauspieler war die Versuchung groß, sich durch bestellte plausores („Beifallklatscher“) einen Image-Vorteil vor der Konkurrenz zu verschaffen: Wem viel und lauter Beifall entgegenscholl, der war ein guter Schauspieler – so dachten auch die „Neutralen“ im Zuschauerrund, wenn sie nicht wussten, dass ein Beifallsturm organisiert und gekauft war. Manche Schauspieler investierten skrupellos in Beifall; über Mittelsmänner schleusten sie plausores redempti, „gekaufte Beifallklatscher“, ins Theater ein (Petr. 5, 7f.). Diese Unsitte gab es, seit in Rom Theater gespielt wurde (Plaut. Amph. 67f.), und sie scheint zur Spätantike hin eher zugenommen zu haben. Der Historiker Ammianus Marcellinus beklagt, dass im Rom des 4. Jh.s n. Chr. Schauspieler, die nicht zahlten, ausgepfiffen worden seien. Schenkt man ihm Glauben, so waren Claqueure bei allen Spielen, nicht nur im Theater ein selbstverständliches Übel (XXVIII 4, 32f.). Allerdings mochte der Geschichtsschreiber die römische Plebs so ganz und gar nicht; daher sind seine Aussagen mit Vorsicht zu genießen. Er neigt zu starken Übertreibungen. Das Phänomen der gemieteten Claqueure als solches aber war im 4. Jh. nichts Neues.


Stimmt es, dass …

… Nero Rom in Brand gesteckt hat?

Nein. Die moderne Geschichtswissenschaft entlastet den Kaiser davon, die Schuld für die größte Brandkatastrophe zu tragen, die Rom je heimgesucht hat. Im Juli des Jahres 64 n. Chr. wüteten die Flammen tagelang so, dass nur vier von 14 Stadtbezirken gänzlich verschont blieben. Drei Bezirke – Circus Maximus, Palatin und der Bereich nördlich des Forum Romanum – wurden ganz und gar zerstört. Man schätzt, dass 100.000–200.000 Menschen obdachlos geworden sind.

Als das Feuer ausbrach, hielt sich Nero gar nicht in Rom auf, sondern weilte in seiner Sommervilla in Antium. Dass er auf die Schreckensnachricht hin nicht unmittelbar nach Rom fuhr und dass er, in der brennenden Stadt angekommen, auf seiner Hausbühne den Untergang Trojas besang, löste bei vielen Betroffenen nicht gerade Freude aus. Hinzu kam, dass aggressive Männer die Löscharbeiten behinderten und behaupteten, sie hätten einen Auftraggeber – sehr wahrscheinlich Plünderer, die freie Bahn haben wollten. Aber der Verdacht war in der Welt, dass Nero dieser Auftraggeber sei und auch der Befehl, die erste Brandfackel zu schleudern, von ganz oben gekommen sei. In diesem Gerüchtedschungel war viel ohnmächtige Wut im Spiel, die Verantwortliche für das Unglück suchte. Auch sahen Gegner Neros ihre Stunde gekommen, um die Position des Kaisers nachhaltig zu schwächen – im einfachen Volk hatte er ja durchaus starken Rückhalt. Zu dieser Diffamierungsstrategie passt das „Leck“ aus dem Kaiserpalast, mit dem Neros wenig glücklicher Theaterauftritt vor der Kulisse des brennenden Rom nach außen kolportiert wurde.

Nero erkannte die drohende Gefahr. Er agierte als zupackender, besorgter Katastrophenmanager, ein echter „Vater des Vaterlandes“, der half, wo er nur konnte – später dann auch mit nachhaltigen Bauvorschriften und wirkungsvollen Verfügungen zur Bausicherheit. Aber das Gemurmel über den kaiserlichen Brandstifter hielt sich – auch weil Nero tatsächlich weitreichende urbanistische Pläne hatte und von einer neuen Stadtgründung träumte, bei der aus Roma „Neropolis“, „Nero-Stadt“, werden sollte. Die Gerüchteküche brodelte; die verzweifelte Lage der vielen Opfer gab ihr zusätzlich Nahrung. Die Leute wollten Schuldige sehen.

In dieser für ihn gefährlichen Lage griff Nero zu einem ebenso perfiden wie erfolgreichen Rezept. Er präsentierte eine ohnehin „verhasste“ Minderheit (Tac. ann. XV 44, 2) als Schuldige: die Christen als Angehörige einer geheimnisvollen Religionsgemeinschaft, die durch ihre unkonventionelle, zurückgezogene Lebensweise Argwohn erregte. Skrupellos ließ der Kaiser sie ins Gefängnis werfen und unter Folterqualen hinrichten. Manche wurden im nächtlichen Rom als lebendige Fackeln verbrannt. Der Historiker Tacitus macht keinen Hehl daraus, dass er die Christen nicht mag. Aber er sagt ebenso klar, dass Nero damals, „um dem Gerede ein Ende zu machen, Unschuldige vorschob und mit ausgesuchtesten Strafen umbrachte“ (ann. XV 44, 3). Von diesem Verbrechen kann und will auch die moderne Geschichtswissenschaft den „extravaganten“ Kaiser nicht freisprechen.

Einer, der es schamlos zur Selbstbeweihräucherung eingesetzt hat, war der große Künstler auf dem Kaiserthron, Nero. Jedenfalls sah er sich selbst so, und damit sich dieser Sicht möglichst viele Zeitgenossen anschlossen, half Nero seiner Anerkennung als Bühnenstar und Wagenlenker kräftig nach. Er stellte eine Truppe von rund 5000 Claqueuren zusammen, die sich Augustiani nannten, frei übersetzt „Kaiser-Fans“. Etliche von ihnen stammten sogar aus dem Ritterstand: „Männer, die durch ihre Jugend und Körperkraft auffielen und teilweise von ihrem Wesen her aufdringlich waren. Diese ließen Tag und Nacht lärmenden Beifall erschallen“ (Tac. ann. XIV 15, 5) – und wurden fürstlich dafür entlohnt. Die Anführer der Truppe – heute spräche man von „Cheerleadern“ – bezogen für den ganzen Wahnsinn, den sie da inszenierten, ein Wahnsinnsgehalt von 400.000 Sesterzen pro Jahr – mehr als die Spitzenbeamten der kaiserlichen Verwaltung und Provinzstatthalter. Diese Riesenclaque begleitete Nero zu all seinen öffentlichen Auftritten. Selbst auf seine Griechenland-Tour, bei der er u.a. als Wagenlenker in Olympia auftrat, nahm er sie mit (Cass. Dio LXIII 8, 3). Natürlich feierten sie ihren Auftraggeber lautstark mit Sprechchören auch, als er als Olympiasieger triumphal in Rom einmarschierte (Suet. Nero 25).


plausores im Theater, freiwillige oder auch bestellte – das ist nicht ganz so verwunderlich, wenn es sich anders als bei Neros Claqueur-Truppe im Rahmen hielt. Aber gekaufte Claqueure vor Gericht? Das lässt doch aufhorchen, zumal in modernen Gerichtssälen gar nicht geklatscht werden darf. Da waren die Regeln im Alten Rom bedeutend liberaler. Beifallskundgebungen der Zuschauer gehörten durchaus dazu, zumal die Prozesse auch als veritable → Gerichtsshows konzipiert waren. Wenn die Anwälte ihr Plädoyer beendet hatten – oder auch schon bei rhetorischen Höhepunkten mitten in ihrem Vortrag –, erwartete man eine deutliche Reaktion der Zuhörer. Und die Geschworenen ließen sich durchaus von der Stärke des jeweiligen Beifalls beeindrucken. Wenn die juristische Abwägung der Standpunkte schwierig war und der Fall gewissermaßen auf der Kippe stand, konnte schon einmal die Lautstärke des Beifalls den Ausschlag bei der Mehrheitsentscheidung der Jury geben.

Dem ließ sich mit Geld nachhelfen, befand ein gewisser Larcius Licinus im 1. Jh. n. Chr. Ihm jedenfalls schreibt der Jüngere Plinius die Erfindung einer fragwürdigen Neuerung im Rechtswesen der Römer zu: die Einführung bezahlter Beifallklatscher auch vor Gericht. Manche Rechtsanwälte stellten Manager ein, die im Gerichtsgebäude auf Claqueurfang gingen. Sie sprachen Zuhörer oder auch Passanten ungeniert an: Ob sie sich nicht ein Zubrot als plausor verdienen wollten? Einige scheinen das regelrecht zum Beruf gemacht zu haben. Sie zogen von Prozess zu Prozess und boten ihre Beifallsdienste gegen klingende Münze an. Gelegentlich wurden sogar „Chorführer“ eingestellt, die den Applaus organisierten. Sie gaben Zeichen, an welchen Stellen des Plädoyers „ihres“ Rechtsanwalts besonders laut geklatscht werden sollte.

Wie verbreitet dieser gekaufte Beifall vor Gericht war, lässt sich nicht sagen. Außer dem – allerdings glaubwürdigen – Plinius (ep. II 14) gibt es kein einschlägiges Quellenzeugnis dafür. Umso eindeutiger ist das, was unser Zeuge dazu ausführt: „Für drei Denare“ (den dreifachen Tageslohn eines Arbeiters) „werden sie zum Applaudieren geschleppt. So viel kostet es, wenn du ein bedeutender Redner sein willst. Für diesen Preis füllen sich beliebig viele Gerichtsbänke, für ihn lässt sich eine riesige Schar von Beifallklatschern organisieren, für ihn brechen endlose Beifallsstürme los, wenn der Regisseur das Zeichen gibt“ (ep. II 14, 6).


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