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Gefängnis

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„Wenn man im Staatsgefängnis links ein wenig hoch steigt, ist dort ein Raum, Tullianum genannt, etwa zwölf Fuß unter der Erde. Ihn sichern von allen Seiten Mauern und oben ein Gewölbe, von steinernen Bögen getragen. Durch Schmutz, Finsternis und Gestank ist sein Eindruck ganz entsetzlich. In diesen Raum wurde Lentulus hinabgeführt, und mit dem Strang erdrosselten ihn die Henker als Rächer von Verbrechen, die den Tod verdient haben“ (Sall. Cat. 55, 3ff.; Ü nach W. Schöne).

Lentulus war einer der Anführer der Catilinarischen Verschwörung (63 v. Chr.). Sein „verdientes“ Ende ist dem Historiker Sallust eine Schilderung des Gefängnisses wert, in dem Lentulus seine letzten Tage verbrachte und hingerichtet wurde. Dadurch ist uns eine ziemlich authentische Beschreibung des ersten und berühmtesten Gefängnisses in Rom erhalten. Der unweit des Forum Romanum gelegene carcer Tullianus, wohl nicht nach dem König Servius Tullius, sondern nach einer dort entspringenden Quelle (lateinisch tullius) benannt, ist noch heute zugänglich. Wer dort hineingeht, fühlt die Beklemmung, die von Sallusts Beschreibung ausgeht. Es ist eine trostlose Stätte, die vor allem als Verwahrort für die hochrangigen Gefangenen diente, die im zeitlichen Zusammenhang mit einem Triumphzug getötet wurden. Darunter befanden sich der Numiderkönig Jugurtha und der gallische „Freiheitsheld“ Vercingetorix. Dass die Apostel Petrus und Paulus hier gefangen gehalten worden wären, ist, obwohl der carcer deshalb als christlicher locus sacer, „heiliger Ort“ (mit Eintrittsgeld!), gilt, eine Legende, für die es keinen Nachweis in den Quellen gibt.

Das Tullianum, auch als carcer Mamertinus, „Mamertinischer Kerker“, bezeichnet, war nicht das einzige Gefängnis in Rom (Juv. III 313f.). Die Kapazitäten dürften insgesamt bei mehreren Hundert Plätzen gelegen haben; von „Zellen“ kann man kaum sprechen, da ein Großteil der Gefangenen gemeinsam untergebracht war. Fast jede Stadt verfügte über ein Gefängnis. Im Unterschied zur Moderne kannte das römische Recht allerdings keine Freiheitsstrafe, die im Gefängnis für eine bestimmte Dauer abzubüßen war. Römische Gefängnisse dienten daher nicht dem Strafvollzug, sondern „nur“ der Untersuchungs- bzw. Exekutionshaft. Die Inhaftierung eines Verdächtigen wurde von den zuständigen Polizei- und Militärorganen veranlasst. Römische Bürger konnten im Rahmen ihres Provocationsrechts an das Volk appellieren, um ggf. freizukommen oder unter Hausarrest gestellt zu werden. In bestimmten Fällen konnten auch Bürgen gestellt werden. Frauen waren in römischen Gefängnissen stark unterrepräsentiert. Für die Zeit der Republik ist nur eine einzige weibliche Insassin bezeugt (Plin. NH VII 121); später stieg die Zahl inhaftierter Frauen vor allem durch die Christenverfolgungen an. Die Bewachung oblag servi publici, „Gemeindesklaven“, oder Soldaten.

Gefängnisse waren, weil die Eingekerkerten dort nur auf ihren Prozess oder den Vollzug des Urteils (Todesstrafe, Einsatz in der Arena oder im Bergwerk) warteten, reine „Verwahranstalten“ ohne Resozialisierungsambitionen. Entsprechend entwürdigend waren die Haftbedingungen. Die Schilderung Sallusts trifft auch auf andere Haftanstalten zu: Schmutz und Finsternis, ständiger Lärm vom Klirren der Ketten, schlechte Luft und schlechte Kost, Überbelegung, mangelnde Hygiene, Läusebefall und Krankheiten ließen die Haft zur Tortur werden. Diese furchtbaren Haftbedingungen wurden vor der Öffentlichkeit gar nicht geheim gehalten. Gefängnisse lagen wie das Tullianum oft im Stadtzentrum: Das Elend der Gefangenen sollte der Abschreckung potenzieller Verbrecher dienen.

Häftlinge erkannte man an ihrem völlig ungepflegten Äußeren, ihren struppigen langen Haaren, ihrem Gestank und ihrer Lumpenkleidung. Das Baden wurde vielen ganz verwehrt. Mit Besuchserlaubnissen waren die Wärter großzügig: Angehörige brachten häufig zusätzliches Essen; die Klagen über Hunger sind zahlreich. Oft ließen sich die Aufseher bestechen; manche von ihnen waren Sadisten, die die ihnen schutzlos ausgelieferten Häftlinge quälten und misshandelten. Nicht wenige Gefangene waren aneinandergekettet; besonders peinigend waren Fußfesseln, die kaum Bewegungen zuließen. Andererseits wurde die Einzelhaft, in der man von jeder Kommunikation abgeschnitten war, als Isolationsfolter gefürchtet, ebenso der völlige Entzug von Essen und Trinken. In der Spätantike verschlimmerte sich die Lage vieler Häftlinge, weil die Prozesse auf sich warten ließen oder Urteile über lange Zeit nicht vollstreckt wurden. Manche Insassen vegetierten jahrelang dahin und starben in Haft, ohne dass ein Urteil gesprochen war. Selbsttötungen waren in dieser verzweifelten Situation keine Seltenheit.

Zum Tode Verurteilte wurden häufig in einem besonderen Trakt des Gefängnisses vom Henker (carnifex) getötet; ihre Angst- und Todesschreie hallten durch den gesamten Kerker und setzten die anderen Häftlinge einer zusätzlichen psychischen Tortur aus. Wenn man einen Vorgeschmack auf die Höllenqualen bekommen wolle, die Sünder im Jenseits erleiden müssten, brauche man, meint der Kirchenvater Johannes Chrysostomos, nur einen Blick in die Gefängnisse des Diesseits zu werfen. Dann werde man alles tun, um sich diese Pein nach dem Tode zu ersparen (in epist. II ad Cor. hom. 10, 4 = PG 61, 471).

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