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Deodorant

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Schweiß war in der nostalgischen Vorstellung vom kernigen alten Römertum positiv konnotiert. Für Seneca ist klar, dass sich die alten Römer lediglich Arme und Beine nach der Landarbeit abwuschen und ansonsten nur alle neun Tage ein Vollbad nahmen. Wonach sie demnach gerochen haben? Auch das ist für Seneca offenkundig: „Nach Kriegsdienst, Arbeit und Mann“ (ep. 86, 12). Das habe auch für die vornehmen Herren gegolten, glaubt er zu wissen – während man zu seiner Zeit im 1. Jh. n. Chr. tagtäglich ins Bad renne: Hygiene des Körpers – die werde großgeschrieben, Hygiene des Charakters dagegen – daran fehle es überall. In seiner herben Moral-Botschaft hätte sich Seneca zusätzlich auf das hoch angesehene s-Duett sudor et sanguis stützen können, „Schweiß und Blut“. Das stand für äußersten Einsatz und Anstrengung im Dienste der Freiheit und Expansion Roms (z.B. Cic. leg. agr. II 16).

In der zivilen Gesellschaft der Großstadt war der Schweiß dagegen weniger gefragt. Allenfalls in den Thermen war er beim Sport und beim → Sauna-Schwitzen willkommen, aber in der bürgerlichen Welt fanden er und seine Ausdünstung nur wenige Anhänger. Über Menschen, die nach Schweiß oder aus dem Mund rochen, rümpfte man im wahrsten Sinne des Wortes die Nase. Es dürfte trotzdem genug einfache Menschen gegeben haben, die auch in der Stadt – auf dem Lande ohnehin – Körpergeruch ausströmten. Eine flächendeckende „Deodorierung“ konnten sich viele schwer schuftende – und damit schwitzende – Menschen nicht leisten. Spiegel dieses Alltags sind Spottgedichte, in denen sich Martial über stinkende Zeitgenossen lustig macht, wobei die Satire natürlich zu Übertreibungen neigt. Martials drastischstes Gedicht ist in dieser Hinsicht das Epigramm VI 93, wo er eine (fiktive) Thais an den Geruchspranger stellt: Sie stinke wie ein zerbrochener Pisspott, wie der Bock nach vollbrachter Sexualtat, wie ein Löwe aus dem Maul, wie ein im Ei verfaultes Küken. Kurzum, ein Gifthauch umwehe Thais geradezu. Und was tut sie dagegen? Sie eilt ins Bad, reibt sich mit Enthaarungscreme, Essigkreide oder dick aufgetragenem Bohnenmehl ein, um über ihren Körpergeruch hinwegzutäuschen. Aber ihre Deodorants verfangen nicht: Trotz aller Täuschungsversuche „riecht Thais – nach Thais“ (VI 93, 12).

Es mussten also andere Mittel her, um den „Bock unter den Achseln“ (hircus sub alis) wirkungsvoll zu bekämpfen. Sich rasch einen Umhang umzulegen, wenn sich dieser Bock meldete – damit war es auf Dauer nicht getan (Plaut. Pseud. 738f.). Und ob er sich meldete! Immer wieder wird dieser Geruchs-Gau beschworen, und stets ist es der arme Bock, der als Stink-Vergleich herhalten muss. Das Adjektiv hircosus, „bockartig“, sagte alles (Pers. III 77; Cat. 71, 1).

Umso wichtiger war es bei der Partnerwerbung, dass „der Mann und Vater der Herde die Nase nicht verletzt“ oder „der üble Atem eines schlecht riechenden Mundes“ das Liebesspiel nicht zunichtemacht, bevor es überhaupt begonnen hat. So schärft es Ovid in seiner „Liebeskunst“ den Männern ein (ars I 521f.). Den Frauen ruft er nur in Erinnerung, „den trotzigen Bock nicht unter die Achseln kommen zu lassen“ (ars III 193). Aber er wende sich ja, fügt er beschwichtigend hinzu, nicht an barbarische Mädchen aus dem Kaukasus-Gebiet. Mit anderen Worten: In der kultivierten Oberschicht-Gesellschaft – für sie schreibt Ovid – ist es selbstverständlich, etwas gegen widerwärtigen und einsam machenden Mund- und Körpergeruch zu tun. Oder sollte es zumindest sein.

Fragte sich nur: Womit? Moderne Deodorants, die transpiratorische „Sorgenfreiheit“ versprechen, gab es noch nicht. Waschen und Verwendung seifenähnlicher Substanzen sowie Zähneputzen mit Pulver auf Natronbasis waren sicher hilfreich. Aber wie lange ließ sich der „Bock“ damit in Schach halten?

Man kannte eine Reihe von Mitteln mit längerfristiger de-odorierender, d.h. „Geruch weg“-nehmender Wirkung. Der Ältere Plinius nennt drei. Zum einen den Alaun, ein natürliches Salz der Schwefelsäure, das „den unangenehmen Geruch der Achseln und des Schweißes vermindert“ (NH XXXV 185). Dieses Mittel wurde ebenso äußerlich aufgetragen wie das zweite, ein abgekochter Extrakt aus Raute, Aloe und Rosenöl (NH XX 142). Als drittes Deodorant beschreibt Plinius ein „Gebräu“ aus Distelwurzeln und Falernerwein, das auf ein Drittel eingekocht und anschließend – getrunken wird. Beim Bad und nach der Mahlzeit oral verabreicht, „beseitigt es den üblen Geruch unter den Achselhöhlen“ (NH XXII 87).

Die üblichsten Deodorants dürften indes Salben und Parfüms gewesen sein, die den Schweißgeruch schlicht überdeckten. Die „feine“ Gesellschaft Roms griff gern zu allen möglichen Düften. Es gab sie in allen Preislagen vom kampanischen Rosenöl bis zu sündhaft teuren unguenta exotica, „Salben“ aus Arabien und Fernost – „Grundstoff des Luxus“, wie die Moralisten beklagten, weil „sie rasch verdunsten und nach Ablauf ihrer Stunden zugrunde gehen“ (Plin. NH XIII 20). Zuvor aber entfalteten sie die gewünschte Wirkung – nicht nur die deodorierende, aber auch sie.

Natürlich blieb es auch im Alten Rom nicht aus, dass manch einer es damit übertrieb und eine „verdächtige“ Duftwolke hinter sich herzog. Das galt für Herren, wenn Horaz Übertreibungen am Beispiel einerseits des Gargonius deutlich macht, der schlicht nach Bock stinkt, und andererseits des Rufillus, der zu penetrant nach Pastillen, Marke Atemfrisch, riecht (sat. I 2, 27). Es galt aber auch und besonders für Frauen: Allzu aufdringlicher Parfümgeruch legte die Vermutung nahe, es handle sich um eine „Professionelle“. Da erschien es manchem männlichen Beobachter doch „sicherer“, mit Plautus festzustellen: mulier recte olet, ubi nihil olet, „eine Frau riecht gut, wenn sie nach nichts riecht“ (Most. 273). Martial bestätigt dieses Credo auch im Hinblick auf einen männlichen „Verdächtigen“: non bene olet, qui bene semper olet, findet er, „der riecht nicht gut, der immer gut riecht“ (II 12, 4). Klar, dass sich ein Moralist wie Seneca an diese „Natur-Philosophie“ in Sachen Geruch anhängt: optimus odor in corpore est nullus, „der beste Körpergeruch ist gar keiner“ (ep. 108, 16), dekretiert er im Kampf gegen teure Wohlgerüche. Leicht gesagt, aber zumal unter südlicher Sonne nicht ganz so leicht zu verwirklichen.


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