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Fluchtafel

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Wie kann ich einem Konkurrenten, Nebenbuhler oder Prozessgegner indirekt schaden? Abergläubische Menschen setzten dabei im Altertum auf die Hilfe magischer Formeln, mit denen sie sich an Dämonen wandten, „Geister“, die über bestimmte Örtlichkeiten – Gräber, Brunnen, Heiligtümer – herrschten. Sie wurden beschworen, den Schadenzauber auszuführen, mit dem man Feinde schädigen, verletzen oder vernichten wollte. Die häufig sehr ins Einzelne gehenden und brutalen Verwünschungen wurden meist auf Bleibleche geschrieben, die, gefaltet und häufig von einem Nagel durchbohrt, möglichst in der Nähe des Verfluchten vergraben wurden – und zwar im Rahmen eines Rituals, bei dem auch Zauberformeln aufgesagt wurden. Schon die Griechen praktizierten dieses Verfahren; von den rund 1600 bisher entdeckten Fluchtafeln sind sogar zwei Drittel in griechischer Sprache verfasst. Es gab wohl eine Art Rezeptbücher, in denen man sich über die „richtigen“ Rituale und „aussichtsreichsten“ Fluchformeln informieren konnte. Manchmal wurde der Fluchtafel noch eine Art → Voodoo-Puppe beigefügt.

Wessen Name gelangte warum auf ein Fluchtäfelchen? Grundsätzlich kam jeder infrage, dem man etwas nicht gönnte. Rivalität war ein viel häufigeres Motiv als Rache. Wissenschaftler unterscheiden fünf Anlässe: Liebesbeziehungen, Auseinandersetzungen vor Gericht, Wettkämpfe vor allem sportlicher Art sowie Verfluchungen von Dieben und Verleumdern. Man spricht heute von defixiones (defigere, das Verb, heißt „jemanden bannen“, „unbeweglich machen“); die Römer selbst sprachen von devotiones, „Verfluchungen“. Juristisch waren Verfluchungen heikel. Die meisten dieser Praktiken waren untersagt; konnte der Nachweis geführt werden, so wurde der Schuldige vom Gericht verurteilt. Meist aber spielte sich das Verfluchungsritual heimlich ab. Die drastische Wortwahl zeigt, dass die Verfluchenden es sehr ernst meinten. Hier einige Beispiele:


• Der Pulica, Tochter der Rufa, nagle ich mit diesem Täfelchen ihre Hände und Zähne fest, ihre Augen, Arme, ihren Bauch, ihre Brüste (…), Füße, Stirn, Nägel, Finger, (…) Gebärmutter, Eingeweide (aus Latium; Audollent 135).

• (Dämonen), ergreift den Maurussus! (…) Möge er in jedem Kampf die Kräfte verlieren und stürzen! (…) Möge er nicht mehr in der Lage sein, Schlingen über Bären zu werfen oder sie festzubinden! (…) Möge er in jedem Kampf zerfleischt, verprügelt und verwundet werden (…), möge er mit dem Gesicht vor den Augen des Publikums im Amphitheater auf die Erde stürzen! (aus der Arena von Karthago; Audollent 250).

• Die Wagenlenker der roten Partei Castor, Aelius, Repentinus (…) sollen nicht lenken, ihre Pferde nicht beherrschen, die Zügel nicht festhalten können. Sie sollen sich die Knochen brechen und die Siegespalme nicht erringen können (aus Hadrumetum, Nordafrika; Audollent 284).

• Ich beschwöre dich, Dämon, wer du auch bist, und vertraue auf dich, dass du von dieser Stunde an, von diesem Tage an, von diesem Augenblick an die Pferde der Grünen und der Weißen quälst und tötest, dass du die Jockeys Clarus, Felix, Primulus und Romanus umbringst, sie Unfälle bauen lässt und ihnen keinen Lebenshauch mehr zurücklässt (aus Hadrumetum, Audollent 286).

• Ich weihe dir, Proserpina, Gattin des Pluto, Maxima Vesonia zum Opfer. Ich gebe dir ihre Zunge und Zähne, damit sie nicht mehr aussprechen kann, was ihr weh tut; ihren Hals, ihre Schultern, Arme, Finger, damit sie sich selbst nicht mehr helfen kann (…), ihren Unterleib, damit sie nicht mehr Urin lassen kann (…), und ihre Beine, Füße, Zehen, damit sie nicht mehr ordentlich stehen kann (aus Rom, gekürzt; AE 1912, 140).

• Ich binde fest (mache unbeweglich) das Geschäftslokal dieser Leute; ich binde sie so, dass sie nicht arbeiten können, sondern arbeitslos sind und unglücklich werden (es folgen die Namen von 17 Ärzten) (aus Metapont, Unteritalien, SEG 30, 1175, in griechischer Sprache).

• Atthis, größter aller Götter, und ihr alle zwölf Götter, ich lege mein ungerechtes Schicksal in eure Hände. Rächt mich an Priscilla, der Tochter des Carantus! Sie hat den großen Fehler gemacht, (nicht mich) zu heiraten (…). Für mich ist Priscilla ein Nichts. Sie hat einen Kerl geheiratet, weil Priscilla so geil wie irre ist (aus Groß-Gerau, 1999 entdeckt; aus Kropp, defixiones 5.1.3/1).

• Ich überantworte der Minerva, der Göttin von Sul, den Dieb, der meine Kapuze geklaut hat, egal, ob er ein Sklave oder ein freier Mensch, ein Mann oder eine Frau ist (aus Bath, England; Kropp 3.2/79).

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