Читать книгу Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen - Katharina Becker - Страница 31
IV. Überblick über die Entstehungsgeschichte
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Die Regelungen in § 1 traten mit Einf des AStG[27] 1972 in Kraft. Von den Leitsätzen der Bundesregierung v 17.12.1970 bis zur gesetzlichen Einf wurde der Wortlaut der Vorschrift im Gesetzgebungsverfahren mehrfach geändert und verfeinert.[28] Vor Inkrafttreten des AStG waren bereits in § 33 EStG 1925 und in § 30 EStG 1934 Regelungen zur Vermeidung ungerechtfertigter Gewinnverlagerungen ins Ausland normiert. Im Urt v 7.4.1959 erkannte der BFH[29] die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift wegen eines Verstoßes gegen Art 3 GG. In der Folge wurde im sog Oasenbericht der Bundesregierung[30] und im Oasenerlass des BMF[31] die Forderung ausgesprochen, Gewinnverlagerungen in das Ausland die Anerkennung zu versagen.[32]
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Eine lediglich redaktionelle Änderung erfuhr die Vorschrift in Abs 3 durch das EG zur Abgabenordnung.[33] Inhalt der Änderung war der Verweis bei einer Schätzung von § 217 RAO auf § 162 AO.
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Durch das Steueränderungsgesetz 1992 v 25.2.1992[34] erweiterte der Gesetzgeber § 1 um einen Abs 4, der dem heutigen Abs 5 entspricht. Damit reagierte der Gesetzgeber auf ein Urteil des BFH[35] v 5.12.1990. Damit sollte der Anwendungsbereich des § 1 auf nichtgewerbliche Fälle ausgedehnt werden, nachdem der BFH in der genannten Entsch die Auffassung vertrat, der Gesetzgeber habe dieses zwar gewollt, mit dem (bis zur Änderung geltenden) Wortlaut der Vorschrift sei dieses jedoch nicht vereinbar.
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Wesentliche Änderungen bzw Erweiterungen erfuhr die Vorschrift durch das UntStRefG 2008 v 14.8.2007.[36] Eingefügt wurde ein neuer Abs 3, der in seinen S 1–8 allg angewendete und vom BFH entwickelte Kriterien zur Methodik der Gesetzesanwendung und Abwägungsgrundsätze zu normieren versucht.[37] Abs 1 und 4 wurden ebenfalls neu gefasst, wobei es sich dabei eher um klarstellende Änderungen handelte. Ausweislich der RegierungsBegr[38] verfolgte der Gesetzgeber mit den Änderungen insgesamt das Ziel, insb durch die Einf der Regelungen über die Funktionsverlagerung in Abs 3 (vgl Rn 304 ff) deutsches Besteuerungssubstrat zu sichern. Durch die gesetzliche Regelung, wie die Unternehmen ihre Verrechnungspreise va für immaterielle Wirtschaftsgüter und Funktionsverlagerungen festsetzen sollen, würde die Rechtssicherheit für die StPfl, deren steuerliche Berater und für die FinVerw erhöht. Letztlich ging es darum, die bestehende Praxis der FinVerw zu stärken und so zur Gegenfinanzierung der Reform beizutragen.[39]
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Aufgrund des EU-Umsetzungsgesetzes[40] vom 8.4.2010 sind die Vorschriften in § 1 Abs 3 S 9 und 10 modifiziert worden. Davon betroffen sind mithin Fälle der Funktionsverlagerung. Während die Änderung in S 9 als redaktionelle Anpassung angesehen wird, besteht über das Verständnis der Anordnung in S 10 Uneinigkeit. [41] Die Motivation des Gesetzgebers ist dem Koalitionsvertrag der CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode entnehmbar. Es wurde sich für „den Weg aus der Krise“ auf ein „Sofortprogramm krisenentschärfender Maßnahmen“ verständigt, welches ua „bei den grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen unverzüglich die Auswirkungen der Neuregelung zur Funktionsverlagerung auf den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland beseitigen“ soll. Konsequent ist daher die Anwendungsregelung in § 21 Abs 16. Die Änderungen in Abs 3 des § 1 sind erstmals rückwirkend zu Gunsten (!) des Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden.[42]
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Weitere Entwicklungen, welche die Regelungen in § 1 beeinflussen, sind in den Verrechnungspreisrichtlinien vom 22.7.2010[43] enthalten. Die Neuerungen zu den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 1995/1996 sind insb im Kap 2 bestimmt. Fortan sind dort die geschäftsfallbezogenen Gewinnmethoden erläutert, so dass diese eine gleichwertige Alternative zu den Standardmethoden bilden. Der Verrechnungspreis ist nun anhand der Methode zu bestimmen, die für die jeweilige Transaktion am geeignetsten ist, wobei die Identifikation der Verrechnungspreismethode mit den Vor- und Nachteilen der Methoden, der vorliegenden Informationen und des Grades der Vergleichbarkeit der kontrollierten mit der unkontrollierten Transaktion erfolgen soll.[44]
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Gleichfalls am 22.7.2010 veröffentlichte die OECD ihren finalen Bericht zur Thematik „business restructuring“. Darin finden sich erstmals international abgestimmte Äußerungen zur Behandlung von Restrukturierungen und Funktionsverlagerungen. Dieses ist insb vor dem Hintergrund zu begrüßen, dass mit der Einführung expliziter Vorschriften zur Behandlung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen der deutsche Gesetzgeber mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2008 einen Alleingang gewagt hat und weit reichende, international damals nicht abgestimmte Schritte zur Wahrung und Sicherung des Besteuerungssubstrats unternommen hat. Die vielfach geäußerte Kritik in der Literatur fußte ua auf der vorauszusehenden abweichenden Würdigung von Funktionsverlagerungen durch den deutschen Gesetzgeber und die deutsche Finanzverwaltung und ihre ausländischen Pendants, die eine verlässliche Steuerplanung schwierig machten und eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung heraufbeschwor. Das anschließend veröffentlichte Verwaltungsschreiben zur Funktionsverlagerung des BMF[45] enthält entgegen der bisherigen Praxis umfangreiche Verweise auf den OECD-Bericht und nähert damit die internationale Auslegung den deutschen Vorstellungen an.
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Am 25.5.2011 verabschiedete die OECD-Ministerkonferenz in Paris anlässlich ihrer 50-Jahrfeier eine Neuauflage der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Darin sind rechtlich nicht bindende Empfehlungen für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln enthalten. Die Entwicklung derartiger Verhaltenskodizes für multinationale Unternehmen ist eine Folge der Regulierungslücken, welche durch die grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit entstanden sind und mit denen ua aggressive Steuerplanung und der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung (zB Umsatzsteuerkarusselle) begegnet werden soll.[46] Neben vielerlei anderen Analysen und Empfehlungen findet auch der Fremdvergleichsgrundsatz bei Verrechnungspreisen Beachtung. Die OECD empfiehlt dringend eine Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei der Festlegung konzerninterner Verrechnungspreise, um Gewinnverlagerungen auszuschließen. Nach Auffassung der OECD sei dieses zur Sicherstellung gesellschaftlich verantwortungsvollen Handelns unerlässlich, da Verrechnungspreise den maßgeblichen Einfluss auf die Allokation der Steuerbemessungsgrundlage zwischen den Ländern hätten.[47] Zur Möglichkeit der Auswertung und zutreffenden Festsetzung der Steuerschuld wird eine Kooperation der Finanzverwaltungen angeraten, die in der Bereitstellung aller relevanten oder gesetzlich verlangten Informationen bestehen soll. Da die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien aus dem Jahr 1995 Leitlinien zur Beurteilung internationaler Verrechnungspreise zwischen verbundenen Gesellschaften geben, sind jegliche Änderungen oder Klarstellungen von Einfluss auf die grenzüberschreitenden Tätigkeiten der Unternehmen. Maßgebend in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2010 ist die Anpassung der Hierarchie der anerkannten Verrechnungspreismethoden, die Beurteilung hinsichtlich der Vergleichbarkeit von verbundenen und unverbundenen Transaktionen sowie die Anwendung der transaktionsbezogenen Gewinnmethoden. Weiter wurden drei Anhänge entworfen, die Hilfe bei der Anwendung der Gewinnmethoden geben sollen sowie mit einem Beispiel zur Anwendung von Kapitalanpassungsrechnungen, die Vergleichbarkeit zweier Transaktionen darstellen und erhöhen möchte. Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes wurde von der OECD bestätigt. Demgegenüber stand eine globale Gewinnaufteilung anhand einer Formel, die zwar als Alternative zum Fremdvergleichsgrundsatz erörtert wurde, aber im Ergebnis auf Ebene der OECD auch weiterhin keine Anwendung finden soll.
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Mit dem AmtshilfeRLUmsG[48] wurde der durch die OECD in 2010 in Art 7 MA aufgenommene „Authorised OECD Approach“ in § 1 transferiert. Der OECD-Rat hatte im Rahmen des „Update 2010“ weitreichende Änderungen der Betriebsstättengewinnabgrenzung nach Art 7 MA beschlossen. Der OECD-Rat verabschiedete am 22.7.2010 die Aktualisierung des Abkommensmusters der Mitgliedsstaaten der OECD (MA 2010), deren zentraler Bestandteil die Neufassung des Art 7 OECD-MA sowie die dazugehörige Kommentierung (MK 2010) ist. Gleichzeitig veröffentlichte die OECD eine überarbeitete Version des Berichtes des Steuerausschusses der OECD mit dem Titel „2010 Report on the attribution of profits to permanent establishments” (OECD-Betriebsstättenbericht 2010).
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Unterschiedliche Interpretationen der allgemeinen Grundsätze des Art 7 MA führten in der Vergangenheit oftmals zu Doppelbesteuerung oder doppelter Nichtbesteuerung. Die OECD ist vor diesem Hintergrund schon seit langem bestrebt, durch eine einheitliche Auslegung und Anwendung der abkommensrechtlichen Regelungen in Bezug auf Unternehmensgewinne Doppel- und Minderbesteuerungen zu vermeiden. Die Arbeiten des Steuerausschusses der OECD zu diesem Themengebiet führten nach der Entwicklung des sog Authorised OECD Approach (AOA) schließlich am 17.7.2008 zu der Veröffentlichung des Berichtes „Report on the attribution of profits to permanent establishments” (OECD-Betriebsstättenbericht 2008).
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Mit der Transformation des AOA in innerstaatliches Recht hat der Gesetzgeber das Ziel erreicht, den Anwendungsbereich des § 1 auch auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung auszuweiten. Mit der Einführung des AOA wird seitens der OECD der Fremdvergleichsgrundsatz bei der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in der Form angepasst, dass zukünftig nicht mehr die eingeschränkte, sondern nur noch die uneingeschränkte Selbstständigkeitsfunktion („Functionally Separate Entity Approach”) gilt. Dabei kommt es im Rahmen des sog „two-step-approach” zunächst ausgehend von einer Funktionsanalyse (welche insbesondere die Ansässigkeit der „significant people functions” in den Fokus nimmt) zu einer Zuordnung von Wirtschaftsgütern, Risiken sowie Kapital und anschließend zu einer Bestimmung fiktiver Rechtsverhältnisse zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (sog „dealings”). Hierauf aufbauend erfolgt in einem zweiten Schritt die Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz.[49]
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Mit dem AmtshilfeRLUmsG wurde in § 1 Abs 1 ein neuer zweiter Satz eingefügt, in dem positiv normiert wurde, dass Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften Stpfl iSd § 1 Abs 1 S 1 sind. In § 1 Abs 3 S 6 wurden die Begriffe „unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze“ eingefügt. Ebenfalls neu eingefügt wurde § 1 Abs 6, der § 1 Abs 3 S 13 mit geänderten Wortlaut ersetzt. Die im bisher in § 1 Abs 4 getroffenen Regelungen zu Schätzungen iSv § 162 AO wurden ersatzlos aufgehoben.
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Am 22.12.2014 wurde „das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“[50] verkündet. Darin wurden die Tatbestandsmerkmale „ gesellschaftsvertragliche Vereinbarung“ in § 1 Abs 4 S 1 Nr 1 Buchstabe b angepasst. Der Gesetzgeber[51] wollte damit ausdrücklich gesellschaftsrechtliche Beziehungen der (nahestehenden) Personen aus dem Anwendungsbereich von § 1 ausnehmen.