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IV. Verhältnis zu Art 9 MA
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Art 9 MA regelt die internationale Einkünfteabgrenzug und bedient sich als Maßstab für diese Einkünfteabgrenzung zwischen verbundnen Unternehmen dem Fremdvergleich. Art 9 MA kommt jedoch keine Self-Executing-Wirkung (vgl Art 9 MA Rn 8 f) zu, sondern muss durch innerstaatliche Gewinnkorrekturvorschriften ausgefüllt werden.[92] Durch § 1 hat der Gesetzgeber eine innerstaatliche Vorschrift geschaffen, um die Zuweisung des Besteuerungsrechts aus Art 9 MA innerstaatlich durchsetzen zu können.
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Gegenüber den rein nationalen Korrekturvorschriften entfaltet Art 9 MA jedoch eine Sperrwirkung bei int Sachverhalten, wenn lediglich die formalen Anforderungen iF von beherrschenden Gesellschaftern nicht erfüllt wurden.[93] Das entbindet die Beteiligten jedoch nicht von der Verpflichtung, den konkreten Inhalt der Vereinbarungen darlegen zu können. Nur anhand des konkreten Inhalts kann die Angemessenheit der Vereinbarungen geprüft werden. Ist der konkrete Inhalt angemessen, erlaubt Art 9 MA keine Korrektur, nur weil (weiteren) formalen Anforderungen nicht genügt wurde.[94]
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Inzwischen hatte der BFH[95] Gelegenheit, in mehreren Entscheidungen seiner Auffassung zu dem Verhältnis von Art 9 Abs 1 MA und § 1 Abs 1 idF bis zur Änderung durch das StVergAbG vom 16.5.2003[96] und idF des StVergAbG[97] darzulegen. Die Entscheidungen ergingen zum DBA USA 1989, zum DBA Russland 1996 und zum DBA Großbritannien 1964. In rechtlicher Hinsicht betrafen die Entscheidungen die Fragen, ob von dem jeweils mit Art 9 MA vergleichbaren Artikel in dem betroffenen DBA eine Sperrwirkung gegenüber einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs 1 bei Teilwertabschreibungen von ungesichert begebenen Darlehen im Konzern ausgeht und ob sich der sog Rückhalt im Konzern fremdvergleichsgerecht dargestellt.
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Der BFH arbeitete heraus, dass der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm‘s length“ nach Art 9 Abs 1 MA eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs 1 nur dann ermöglicht, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis (Darlehenszins) seiner Höhe, also seine Angemessenheit nach ,dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Ausgeschlossen ist hingegen die Korrektur einer Abschreibung, die nach § 6 Abs 1 Nr 2 S 2 EStG auf den Teilwert der Forderung auf Rückzahlung der Darlehnsvaluta und auf Zinsrückstände vorzunehmen ist, weil die inländische Muttergesellschaft das Darlehen ihrer ausländischen Tochtergesellschaft in fremd üblicherweise ungesichert gegeben hat. Dazu vertritt das BMF[98] die entgegengesetzte Auffassung.
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In seiner Begründung knüpft der BFH an seine Entsch v 11.10.2012[99] an und wiederholt, dass der abkommensrechtliche Grundsatz des „dealing at arm‘s length“ bei verbundenen Unternehmen eine Sperrwirkung gegenüber den sog Sonderbedingungen entfaltet, denen beherrschende Unternehmen im Rahmen der Einkommenskorrektur nach § 8 Abs 3 S 2 KStG bei Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung unterworfen sind. Tragende Erwägung dieser Auffassung ist, dass in den maßgeblichen Vergleichsmaßstab des Art 9 Abs 1 MA nur diejenigen Sachverhaltsumstände einbezogen sind, welche sich auf die besagten wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen auswirken, also die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren; eine Gewinnskorrektur, die sich nicht nur auf die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten erstreckt, sondern in einem zweistufigen Vorgehen gleichermaßen auf dessen Grund (Üblichkeit der Konditionen, Ernsthaftigkeit), ist den Vergleichsmaßstäben des „dealing at arm‘s length“ als Gegenstand der Angemessenheitsprüfung fremd. Diese Vergleichsmaßstäbe sind – schon um mangels einer entsprechenden Gegenkorrektur andernfalls drohenden doppelten Besteuerung sowohl in dem einen wie in dem anderen Vertragsstaat vorzubeugen – einem abkommenseigenen und damit einheitlichen Begriffsverständnis unterworfen, der innerstaatlichen Modifikation des Fremdvergleichsbegriffs ex ante entgegensteht.
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Im Einklang mit der Auffassung des BMF[100] erkennt der Bundesfinanzhof für die Prüfung des Zinssatzes den Konzernrückhalt als fremdübliche Sicherheit ebenfalls an, so dass das Fehlen einer vereinbarten Sicherheit nicht zur Anpassung des Zinssatzes (Verrechnungspreises) führt, weil der Konzernrückhalt für sich genommen eine ausreichende Sicherheit darstellt.
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Auf die genannten Urt des BFH v 17.12.2014[101] (Az I R 23/03) betr das DBA USA 1989 und v 24.6.2015[102] (Az I R 29/14) betr das DBA Großbritannien 1964 hat die Finanzverwaltung am 30.3.2016 mit einem Nichtanwendungserlass[103] reagiert. In diesem Kontext ist bemerkenswert, dass die Entscheidung des BFH v 24.3.2015 (I B 103/13) keinen Eingang in den Nichtanwendungserlass gefunden hat, obwohl der I. Senat hinsichtlich seiner Auffassung auf sein Urt v 17.12.2014 verweist.
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Das BMF vertritt die Auffassung, die Begründung des BFH könne nicht aus dem Wortlaut der jeweiligen Fassung des Art 9 MA abgeleitet werden; dies ergebe sich aus dem MK, in dem ausdrücklich auf die Fremdüblichkeit der Bedingungen abgestellt werde und Art 9 Abs 1 MA eine Gewinnberichtigung und keine Preisberichtigung zum Gegenstand habe. Die historische Auslegung führe zum gleichen Ergebnis: der Gesetzgeber habe einen Widerspruch zwischen Art 9 Abs 1 MA und § 1 erkennbar nicht gesehen und nicht schaffen wollen. Zudem widerspreche die Auslegung des BFH dem Sinn und Zweck sowohl von Art 9 Abs 1 MA als auch von § 1: Eine Beschränkung der Korrektur auf den jeweiligen Verrechnungspreis sei im Hinblick auf den Fremdvergleichsgrundsatz sinnwidrig, weil – wie in den Urteilsfällen – die Bedingungen eines konkreten Geschäftsvorfalles so gestaltet sein können, dass allein die Korrektur des Verrechnungspreises weder dazu geeignet sei noch ausreiche, ein Ergebnis zu erzielen, das dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (zB Darlehen an eine Tochtergesellschaft, deren erkennbare Zahlungsunfähigkeit – isoliert betrachtet – im Fremdvergleich nicht durch einen hohen Zinssatz ausgeglichen werden kann.
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Zustimmung erfährt das BMF durch Greil/Wargowske[104] (Nichtanwendungserlass v 30.3.2016 betreffend die Nichtanwendung der Urteilsgrundsätze der BFH-Urt v 17.12.2014 – I R 23/13 und v 24.6.2015 – I R 29/14 in vergleichbaren Fällen – Eine erste Würdigung) Diese vertreten die Auffassung, ein genereller Vorrang des in Art 9 MA statuierten Fremdvergleichsgrundsatzes gegenüber der nationalen Korrekturvorschrift des § 1 bestehe nicht. Damit stellen sie in Frage, ob für die Begrenzung des nationalen Korrekturumfangs, welcher der BFH angenommen hat, überhaupt Raum bestand und verneinen dies. Dafür stellen die Autoren auf den Wortlaut von Art 9 MA „vereinbarte Bedingungen“ ab, worunter alles zu verstehen sei, was Gegenstand einer unmittelbar zwischen verbundenen Unternehmen abgeschlossenen Vereinbarung sein und auf die vereinbarten Preise Einfluss haben könne. Darüber hinaus stünde die Entscheidung auch nicht in Einklang mit dem Sinn des § 1 aF.
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ME ist der Auffassung des BFH für die entschiedenen Fälle zuzustimmen. Der BFH sieht von dem Begriff der vereinbarten Bedingungen in Art 9 Abs 1 MA alles erfasst, was Gegenstand der kaufmännischen und finanziellen Bedingungen und damit Gegenstand des schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den verbundenen Unternehmen ist, so dass neben dem Preis sämtliche weiteren Geschäftsbedingungen einbezogen sind. Einschränkend müssen sich die Verrechnungspreiskonditionen von dem Grundsatz des Art 9 MA ihrer Qualität nach auf die Höhe des konkreten Preises, hier die Zinshöhe auswirken. Die Konditionen bilden also nur die Grundlage für die Überprüfung des Verrechnungspreises. Sie müssen tatsächlich Einfluss auf die Höhe der Leistungsbeziehungen nehmen, um in den Anwendungsbereich einer Korrektur nach § 1 zu gelangen. Dazu gehören – so der BFH unter 2.dd seiner Begründung ausdrücklich – im Einzelfall auch die Risiken aus einer fehlenden Darlehnsbesicherung. Dh, wirkt sich ein Sicherungsmittel des Darlehensnehmers auf die Zinshöhe aus bzw wirkt sich die unterbliebene Besicherung auf die Zinshöhe aus – was regelmäßig kaufmännischen Gepflogenheiten entsprechen dürfte –, kann bei Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz eine Korrektur nach § 1 erfolgen. Anders kann es sich allerdings unter den – wohl auch in den entschiedenen Fällen einschlägigen – Gegebenheiten des Konzernrückhalts verhalten, welcher alle Vorteile eines Unternehmens beschreibt, die sich allein aus der Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund ergeben. Bei Vorliegen eines solchen Rückhalts kann sich die Kompensation durch den vereinbarten Zinssatz erübrigen, solange der beherrschende Gesellschafter die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherstellt, solange diese also Ihren Außenverpflichtungen nachkommt. Dieses Verständnis vom Konzernrückhalt entspricht auch der Auffassung des BMF[105] und soll auch nach dessen Auffassung das Fehlen einer vereinbarten Sicherheit nicht zur Anpassung des Zinssatzes führen; der Konzernrückhalt stellt für sich genommen eine ausreichende Sicherheit dar.
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Danach ist zunächst festzustellen, dass zwischen dem BFH und dem BMF Einigkeit über die Werthaltigkeit des sog. Konzernrückhalts beim Fremdvergleich von Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen besteht. Darüber hinaus hat der BFH seine Auffassung zu der Unbeachtlichkeit von „nur“ im innerstaatlichen Steuerrecht geregelten Sonderbedingungen auf den in Art 9 MA niedergelegten Fremdvergleichsgrundsatz stringent fortgeführt. Das ist nicht nur konsequent, sondern dient auch der Rechtssicherheit der Steuerpflichtigen bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen. Die Finanzverwaltung scheint hingegen den Fall der Teilwertabschreibung einer grenzüberschreitenden konzerninternen Darlehensforderung generell nicht akzeptieren zu wollen.