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B. Verhältnis zu anderen Vorschriften

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§ 1 ist eine Korrekturvorschrift. Das kann schon der vom Gesetzgeber gewählten Überschrift „Berichtigung von Einkünften“ entnommen werden. Wassermeyer[52] weist zutr darauf hin, aus terminologischen Gründen solle beachtet werden, dass unter „Einkünfte“ der durch die Korrektur sich ergebende Endbetrag zu verstehen sei. Richtigerweise würden deshalb nicht die Einkünfte (Gewinn) korrigiert, sondern es werde dem Unterschiedsbetrag iSd § 4 Abs 1 S 1 EStG ein Korrekturbetrag hinzugerechnet.

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Die Notwendigkeit, die Vorschrift von anderen Korrekturregelungen abzugrenzen, ergibt sich aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen der einzelnen Korrekturnormen und den daraus resultierenden unterschiedlichen Korrekturmaßstäben, was sich zuletzt auf die Steuerfestsetzung auswirkt. Die Notwendigkeit, § 1 von anderen Korrekturnormen abzugrenzen, ergibt sich aber auch aus dem Wortlaut des Gesetzes selbst. In Abs 1 S 1 ist ausdrücklich geregelt, dass § 1 nur „unbeschadet anderer Vorschriften“ gilt.

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Seit der Einf des § 1 im Jahr 1972 ist nicht zweifelsfrei geklärt, was unter der Formulierung „unbeschadet anderer Vorschriften“ zu verstehen ist. In der Regierungsbegründung[53] zum UntStRefG 2008[54] bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, es werde ausdrücklich in § 1 Abs 1 S 3 AStG klargestellt, dass Berichtigungen nach S 1 andere Regelungen (va verdeckte Gewinnausschüttung, verdeckte Einlage, Entnahme, Einlage) die unverändert grds Vorrang hätten, ergänzten, soweit die Rechtswirkungen des Abs 1 über die Rechtswirkungen anderer Vorschriften hinausgingen. Damit stützt der Gesetzgeber zunächst die bisher wohl herrschende Auffassung, welche die Formulierung „unbeschadet anderer Vorschriften“ so verstanden wissen wollte, dass für § 1 lediglich eine subsidiäre Anwendungsmöglichkeit besteht, wenn Tatbestand und Rechtsfolgen einer anderen Korrekturvorschrift genau so weit reichen, wie die des § 1.[55] Klärend ist die Neufassung von Abs 1 insoweit, als die Rechtsfolgenseite sich sowohl nach § 1 wie auch nach einer anderen eingreifenden Abgrenzungsbestimmung richtet.[56] Die Berichtigungsnormen sind daher so anzuwenden, als liege ein einziger, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspr Korrekturtatbestand vor, was Idealkonkurrenz bedeutet, bei der ein Sachverhalt unter mehrere Bestimmungen fällt, die Rechtsfolge aber nur einmal eintritt.[57]

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Ein Meinungsstreit besteht über die Bedeutung der Formulierung „unbeschadet anderer Vorschriften“ in § 1, wenn ein Sachverhalt nicht nur den Tatbestand von § 1 erfüllt, sondern auch den Tatbestand einer weiteren Korrekturvorschrift und die verschiedenen Korrekturvorschriften auch Unterschiede in ihrer Reichweite zeigen. Der Streit ist durch den unterschiedlichen Korrekturmaßstab als Rechtsfolge der jeweiligen Korrekturvorschrift begründet. Liegt zB ein Sachverhalt vor, den Tatbestand der verdeckten Einlage gem § 5 Abs 6, § 6 Abs 1 Nr 5 und Abs 6 EStG iVm. § 4 Abs 1 EStG und den Tatbestand des § 1 erfüllt, stehen sich als Rechtsfolge die Bewertung des einlagefähigen Vermögensvorteils mit dem Teilwert als Rechtsfolge der verdeckten Einlage und mit dem Fremdvergleichspreis als Rechtsfolge von § 1 gegenüber. Der Teilwert gem § 10 S 2 BewG, § 6 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG wird durch den Betrag bestimmt, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens iRd Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Der Fremdvergleichspreis wird hingegen grds durch den Betrag bestimmt, den fremde Dritte unter sonst gleichen Umständen für den Vermögensvorteil vereinbaren würden. Der Vergleich der unterschiedlichen Rechtsfolgen zeigt, dass der Fremdvergleichspreis höher ist, weil er einen Gewinnaufschlag beinhaltet.

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Denkbar wäre es in diesem Fall, die weitergehende Rechtsfolge aus § 1 erg zu der Rechtsfolge der verdeckten Einlage anzuwenden.[58] Im Erg würde die verdeckte Einlage nicht mit dem Teilwert sondern mit dem Fremdvergleichspreis bewertet werden. Denkbar wäre es aber auch, die Regelungen über die verdeckte Einlage – und damit auch die Rechtsfolge – als abschließend anzusehen. Im Erg würde die verdeckte Einlage mit dem Teilwert angesetzt werden.

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Zur Lösung des Meinungsstreits wird in der Lit das Verhältnis von § 1 zu anderen Korrekturvorschriften teilw als Idealkonkurrenz,[59] teilw als Gesetzeskonkurrenz bzw lex specialis[60] und teilw als Subsidiaritätsverhältnis[61] angesehen.

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Die FinVerw[62] möchte das Verhältnis von § 1 zu anderen Korrekturvorschriften iSd Idealkonkurrenz charakterisieren. Danach lässt § 1 andere Bestimmungen über die Berichtigung unberührt und lässt ihnen den Vorrang. Das gilt insb für verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen. Eröffnet aber der Ansatz des Fremdvergleichspreises gegenüber den Rechtsfolgen anderer Vorschriften (zB Entnahme, verdeckte Einlage) weitergehende Berichtigungsmöglichkeiten, ist die Rechtsfolge des § 1 neben der Rechtsfolge aus der anderen Korrekturvorschrift anzuwenden, wenn (nur) durch die zusätzliche Anwendung von § 1 dem Fremdverhalten Rechnung getragen werden kann.

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Der BFH[63] hielt in einem Beschl über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung das Konkurrenzverhältnis von § 1 zu anderen Vorschriften für ungeklärt. Im Hauptverfahren wollte sich der BFH mit der Frage auseinandersetzen. Zu einem Hauptverfahren kam es aber nicht mehr. In seinem Urt v 9.11.1998[64] ging der BFH ohne weitere Begr davon aus, die Anwendung von § 1 komme nicht in Betracht, soweit nach anderen Vorschriften (im Streitfall lag eine verdeckte Gewinnausschüttung vor) die Einkünfte zu erhöhen seien.

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Der Gesetzgeber hat in der RegBegr zum UntStRefG 2008[65] zu § 1 Abs 1 S 3 klargestellt, dass die Vorschrift neben einer anderen Korrekturvorschrift Anwendung findet, wenn die Rechtsfolge des § 1 (Fremdvergleichspreis als Korrekturmaßstab) weiter reicht als die der anderen Korrekturvorschrift. § 1 ist bei Betrachtung der Rechtsfolge damit nicht mehr als eine nur nachrangige Einkünftekorrekturvorschrift, sondern als erg Einkünftekorrekturvorschrift zu qualifizieren,[66] was im Erg zu Idealkonkurrenz führt.[67] Die Regelung in Abs 1 S 3 ist inhaltlich nicht neu, sondern entspricht der Auffassung der FinVerw.[68] Die weiterreichenden Rechtsfolgen des § 1 können insb in folgenden Fällen eingreifen: Nach der vorrangig anzuwendenden Abgrenzungsnorm ist keine Berichtigung möglich. Die Rechtsfolgen der vorrangig anzuwendenden Abgrenzungsnorm bleiben hinter den des § 1 zurück oder die Berichtigung kann nur nach Anwendung von § 1 durchgeführt werden, da die Ermittlungshilfen des § 1 auf diese Regelung begrenzt sind.[69]

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Kaminski[70] sieht den Hintergrund der Regelung in § 1 Abs 1 S 3 in der Frage, welcher Einkünftekorrekturmaßstab bei inländischen PersGes mit ausl Gesellschaftern zur Anwendung kommt. Ausschlaggebend sei hierfür, dass bei einem vergleichbaren Inlandsfall die Regelungen zur Entnahme iSv § 4 Abs 1 S 2 EStG anwendbar seien. Eine Korrektur erfolge demnach nur, wenn die Entnahme des Gesellschafters mit einem Wert unterhalb des Teilwertes vergütet wurde. Hingegen sehe § 1 Abs 1 S 1 vor, dass als Korrekturmaßstab auf den Fremdvergleichspreis abgestellt werde. Dieser unterscheide sich vom Teilwert dadurch, dass beim Fremdvergleichspreis zusätzlich ein Gewinnaufschlag zu verrechnen sei, während sich der Teilwert nach stRspr des BFH[71] nach den Wiederbeschaffungskosten richte. Werde – wie vom Gesetzgeber intendiert – zunächst eine Einkunftskorrektur nach Maßgabe der Entnahme vorgenommen und erfolge damit eine Gewinnberichtigung auf den Teilwert und werde darüber hinaus § 1 angewendet, um auch einen Gewinnaufschlag zu berücksichtigen, würde dies eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gg einem reinen Inlandfall bedeuten.

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Unabhängig von dem Hintergrund der Regelung über den – eigentlichen – Vorrang anderer Korrekturvorschriften ist festzustellen, dass die Anwendung von § 1 mit dem (weiterreichenden) Fremdvergleichsgrundsatz als Korrekturmaßstab trotz der gesetzlichen Nachrangigkeitsanordnung gg anderen Korrekturmethoden auf der Rechtsfolgenseite – quasi durch die Hintertür – wieder bzw erg seine Wirkung entfaltet.[72] Diese Rechtsfolgenakrobatik ist aus gesetzessystematischen Gründen abzulehnen, weil die Subsidiaritätsanordnung in Abs 1 eine eindeutige und endgültige Vorschriftenhierarchie vorgibt und eine Erweiterung der Rechtsfolge der vorrangig anzuwendenden Vorschrift um die weitergehende Rechtsfolge des Abs 1 von vornherein ausgeschlossen ist.[73]

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Unter Berufung auf den BFH[74] sieht Kaminski[75] in der Regelung des § 1 Abs 1 S 3 einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages und sagt ihr ein Scheitern vor dem EuGH voraus (vgl Rn 425 ff). Es erfolge eine Ungleichbehandlung von reinen Inlandsfällen gegenüber grenzüberschreitenden Sachverhalten, die – nach Maßgabe der bisherigen Rspr des EuGH – nicht gerechtfertigt werden könnten, weil ein „milderes Mittel“ zur Verfügung stünde, um die deutschen Besteuerungsansprüche zu gewährleisten.

Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen

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