Читать книгу Kuss der Wölfin Sammelband 2 | Teil 4 & 5 | Krieger der Dunkelheit & Im Schatten des Mondes - Katja Piel - Страница 10
ОглавлениеKapitel 2
Verloren stand Tessa in dem Club. Die Wirkung der Pille hatte schon lange nachgelassen. Wenn sie richtig darüber nachdachte, eigentlich schon, als Mandy mit diesem Edward-Typen abgehauen war. Seit sie sich kannten, hatte ihre Freundin das noch nie gemacht, und sie kannten sich immerhin schon fast zehn Jahre. »Wir sind zusammen gekommen und gehen auch zusammen«, hatte sie immer betont. Da sie beide nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprachen, war das bislang auch nie ein Problem gewesen. Bis heute. Wer hätte auch damit rechnen können, dass dieser unglaublich heiße Typ auf Mandy abfuhr? Tessa schnaubte, stellte das Glas auf einen Stehtisch und fuhr sich nervös durch die kurzen, kastanienbraunen Haare. Hoffentlich hatte niemand bemerkt, wie sie einfach so sitzengelassen worden war. Sie wurde schon oft genug von ihren Bekannten und Kollegen veralbert, sie musste das nicht auch noch von Fremden haben.
Wir sind zusammen gekommen und gehen auch zusammen. Pah. Einen Scheißdreck.
Nach außen hatte sie sich für ihre Freundin gefreut, aber in ihr brodelte es. Bis sie bemerkte, dass sie neidisch war, schwelgte sie in Selbstmitleid. Dazu die nervigen Technobeats, die lachenden Gesichter um sie herum und die sexy Mädels, die über ihren Knochen so leicht bekleidet waren, dass sie auf das bisschen Stoff auch noch hätten verzichten können. Außerdem konnte Tessa auf den wackeligen Bleistiftabsätzen nicht mehr stehen. Ihre Fußsohlen brannten, der Spann schmerzte, und auf Toilette musste sie auch. Tessa hasste öffentliche Toiletten: das Warten auf eine freie Kabine zusammen mit einem Schwung doofer Weiber, dazu ihr eigener Anblick im Spiegel, das Gesicht mit den roten Schwitzflecken, während alle anderen Mädchen perfekt gestylt waren. Vielleicht halte ich es noch bis zu Hause aus, dachte sie und durchquerte den Club zur Garderobe. Auf dem Weg überlegte sie, wie sie heimkommen sollte. Ursprünglich hatte sie sich mit Mandy ein Taxi teilen, dann bei ihr schlafen und morgen früh gemütlich frühstücken wollen. Tolles Wochenende. Jetzt musste sie alleine ein Taxi bestellen und warten, während sie vermutlich wieder angestarrt würde. Tessa hasste es. Aus ihrem kleinen Täschchen kramte sie die Garderobenmarke raus und reichte sie einem der Garderobenmädels. »Könnt ihr mir ein Taxi bestellen?«, fragte sie, als einer der jungen Frauen ihr die Jacke in die Hand drückte. »Klar. Wohin soll’s denn gehen?«
»London.«
»Oh, das wird teuer«, erwiderte die eine zuckersüß. Tessa hätte ihr am liebsten die Augen ausgekratzt. Einfach so, nur weil sie so hübsch war. »Das weiß ich auch«, schnappte sie zurück, zog ihre Jacke an und ging raus, um eine zu rauchen und zu warten. »Dauert zehn Minuten«, rief die Tussi ihr hinterher. »Danke.« Blöde Ziege.
Tessa hängte sich ihr Täschchen um, kramte im Gehen ihre Zigarettenschachtel raus, wühlte nach dem Feuerzeug und ging an den beiden Türstehern vorbei auf den Parkplatz. Es nieselte wieder, kalter Wind fuhr ihr über das Gesicht. Ihre Absätze versanken im matschigen Boden, aber sie wollte sich nicht zu den beiden Hohlköpfen unter das Vordach stellen. Um niemanden angucken zu müssen, zog sie ihr Smartphone raus und stöberte auf ihrer Facebook App. Wenigstens in ihrer virtuellen Welt hatte sie ein paar Freunde, konnte eine Frau sein, der sie in Wirklichkeit niemals wäre: selbstbewusst, schlagfertig und ein bisschen sexy, denn Fotos von ihr gab es im Worldwide Web nicht. Ihr Profilbild war derzeit die Katze aus Alice im Wunderland. Als es ihr zu kalt wurde, warf sie die Zigarette in eine Pfütze, ließ das Handy in ihre Tasche fallen und steckte die Hände in ihre Jacke. Sie vermisste Mandy. Wenn sie näher darüber nachdachte, fing sie langsam an, sich Sorgen zu machen. Der Typ hatte jetzt nicht wie ein Serienkiller ausgesehen, aber welcher Serienkiller sah schon aus wie einer? Außerdem war es das erste Mal, dass Mandy einfach mit einem fremden Mann mitgegangen war. Mist, nüchtern betrachtet war es ganz schön dumm von ihr gewesen. Mit klopfenden Herzen fischte sie das Handy wieder raus und wählte Mandys Nummer. Während das Freizeichen ertönte, fuhr das Taxi auf den Parkplatz. Mit dem Smartphone am Ohr stakste sie zu ihm rüber, öffnete die Tür und stieg ein. Wohlige Wärme empfing sie. »Geneva Drive in Brixton«, informierte sie den Fahrer. Die Ansage der Mailbox ertönte. »Sorry, bin nicht da, sprecht mir einfach auf ihr wisst schon was… Tschöööö …«
»Mandy, ich bin’s, Tessa. Ruf mich bitte an, ich mach mir n bisschen Sorgen. Fahr jetzt heim … mit dem Taxi.« Sie legte auf und drehte das Handy hin und her. Das Taxi bewegte sich vom Parkplatz und Tessa starrte nachdenklich aus dem Fenster in die Dunkelheit.