Читать книгу Kuss der Wölfin Sammelband 2 | Teil 4 & 5 | Krieger der Dunkelheit & Im Schatten des Mondes - Katja Piel - Страница 22

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Kapitel 14

Lynn und Simon waren wieder zum Auto zurückgegangen, nachdem sie alle wichtigen Informationen vom Tatort mitgenommen hatten. Lynn blätterte in ihrem Notizbuch, während Simon den Wagen startete. »Was haben wir? Opfer männlich, Alter noch unbekannt, kriegen wir aber schnell raus, vermutlich Single, arbeitet bei einem Callcenter namens call 4u, ist ja ein echt bescheuerter Name, wenn du mich fragst«, murmelte sie mehr zu sich selbst. Simon grunzte zustimmend. »Sein Laptop wird im Moment von unserer IT gescannt. Wie wär’s, wenn wir zu dieser komischen Firma fahren?« Lynn sah auf die Uhr und nickte. »Ja, das müsste von der Zeit auch passen.« Wieder grunzte Simon. Es hörte sich diesmal nicht nach einer Zustimmung an, sondern eher, als würde er gern etwas anderes machen. Lynn kannte ihn einfach zu gut. »Lass mich raten, Simon. Du hast Hunger?« Er bleckte die Zähne, grinste zu ihr rüber. »Wie du das immer nur weißt, Lynn. Eigentlich wären wir das perfekte Pärchen.« Er runzelte die Stirn, tat so, als müsse er überlegen und schüttelte dann den Kopf. »Wenn ich nicht zu attraktiv für dich wäre.« Er zuckte leicht vor ihrem Boxhieb zurück und fädelte sich in den Verkehr ein.

Sie brauchten nur zehn Minuten bis zu Ronnys ehemaligem Arbeitsplatz.

»Die Firma ist in der Nähe vom Mäcces. Da können wir dann danach hingehen.«

»Mit leerem Magen in eine Befragung?« Simon machte ein entsetztes Gesicht. Lynn lachte. »Stell dich nicht so an. Du musst da vorne rechts in den Hof fahren.« Sie deutete auf die Ampel und blätterte in dem Notizbuch. »Mal sehen. Die Chefin heißt Veronika Cordes. Hat das Unternehmen 2006 gegründet und sich auf keine Branche spezialisiert. Mittlerweile wird die Firma von vielen IT Unternehmen gebucht. Nun, da bin ich gespannt.« Lynn klappte das Buch zu und verstaute es in ihrer riesigen Handtasche.

Simon bog rechts ab und fuhr langsamer, als er in die Hofeinfahrt einbog. »Wie alt ist die?«, fragte er und suchte einen Parkplatz. »47«, antwortete Lynn, zeigte auf eine kleine Lücke. »Da passt du doch rein. Warte, ich steige vorher aus.« Sie schnallte sich ab, öffnete die Tür und wartete, bis Simon geparkt hatte.

Sie hasste solche Befragungen bei den Arbeitgebern der Opfer. Meistens waren sie überhaupt nicht kooperativ, man bekam wenig bis gar keine verwertbaren Informationen und am Ende stellte sich heraus, dass der Täter ein ehemaliger Kollege war. Sie wusste, dass dies kein herkömmlicher Mord war. Allerdings war eine Leiche noch lange kein Grund, panisch zu werden. Dennoch zog sie ihr Smartphone raus und tippte eine SMS ins Nachrichtenfenster. Simon quälte sich aus dem Auto und kam auf sie zu geschlendert. Schnell verstaute Lynn das Handy wieder in ihrer Tasche und deutete mit einem Kopfnicken auf ein Plexiglasschild. »Gleich der Zahnarzt und Gynäkologe mit im Gebäude. Passt doch perfekt zusammen«, kicherte sie. Simon guckte sie verständnislos an. »Naja, Zahn- und Frauenärzte sind nicht gerade beliebt bei uns Frauen.« Simon zeigte immer noch kein Verständnis. »Ach, vergiss es. Komm lass uns reingehen.« Die Tür war offen, so dass sie direkt das Gebäude betreten konnten. Simon ging auf den Fahrstuhl zu, während sich Lynn zur Treppe wandte. »Du willst nicht allen Ernstes die drei Stockwerke fahren?«

»Ey, ich muss was für meine Figur tun.« Simon klopfte auf seinen dicken Bauch und grinste sie an. Lynn schüttelte den Kopf und joggte die Treppen hoch. »Gleichzeitig«, rief Simon aus, als sie um die Ecke gejoggt kam. »Ja ja«, schnaufte sie außer Atem, strich sich die Haare aus dem Gesicht, die sich aus dem Zopf gelöst hatten. »Komm lass uns das schnell hinter uns bringen. Ich sterbe vor Hunger«, betonte er übertrieben. Lynn wusste, dass er das nur sagte, um sie zu ärgern. Es gab keinen pflichtbewussteren Detective als Simon. Selbst, wenn sie den ganzen Tag hier verbringen müssten, würde er aufs Essen verzichten. Deshalb grinste sie nur, drehte sich zur Glastür um und klingelte. Aus der Gegensprechanlage knackste es. »Call 4u«, meldete sich eine piepsige Stimme. »Detective Serenata und Detective Garcia. Metropolitan Police London. Es geht um einen Mitarbeiter dieser Firma. Wir möchten mit Veronika Cordes sprechen«, sagte sie und beugte sich leicht nach vorne. Es summte und mit einem Knacken öffnete sich die Tür. Hinter einem Tresen stand nun eine junge Frau auf, die auf sie zutrat, die Hand ausgestreckt. »Luisa Pallmer. Leider ist Miss Cordes noch nicht da. Sie hat auch nicht angerufen. Ich hoffe, sie kommt in den nächsten Minuten. Wir haben heute einige Termine mit Neukunden«, plauderte die junge Frau. Sie war sehr klein, schmal und äußerst attraktiv. Ein Energiebündel, dachte Lynn, als die junge Frau sie mit dynamischen Schritten in einen Besprechungsraum brachte. »Ist das schon öfter vorgekommen?«

»Was?«, fragte Luisa und stellte die Klimaanlage ein. Simon schnappte sich einen Keks aus einem Schälchen. »Dass die Chefin so spät kommt?«, erklärte Lynn, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Na ja«, stotterte Luisa, »ab und zu. Aber üblicherweise kommt Veronika nie später als ihre Angestellten.«

»Haben Sie mit ihr telefoniert? Vielleicht ist sie krank?«, fragte Simon und stopfte sich noch einen Keks in den Mund. Verwirrt starrte Luisa Simon an. »Ich hatte doch gesagt, dass sie nicht angerufen hat.« Sie wandte sich an Lynn, doch sie hatte inzwischen ihr Notizbuch aus der Tasche geholt. »Möchten Sie Tee, während Sie warten? Sie ist sicherlich jeden Augenblick da.« Lynn hob den Kopf, spielte mit ihrem Kugelschreiber. »Ich würde einen Kaffee nehmen. Und bitte, Miss Pallmer, seien Sie so gut, und schicken uns die engsten Kollegen rein. Einer nach dem anderen, ja?« Luisa blieb stehen. »Hm, ja, mir auch einen Kaffee. Vielen Dank«, sagte Simon, setzte sich neben Lynn und zog das Schälchen zu sich. Luisa presste die Lippen aufeinander, drehte sich um und schloss hinter sich die Tür zum Besprechungszimmer. »Eigentlich habe ich erwartet, dass sie sagt, das sei nicht möglich, weil alle zu arbeiten hätten«, wunderte sich Lynn und nahm sich einen Keks aus dem Schälchen. »Sie hat es gedacht, aber nicht ausgesprochen.«

»Was würde ich nur ohne dein zweites Gesicht machen, Simon?«

»Das sind meine Kekse«, beschwerte sich Simon, nahm das Schälchen und stellte es aus ihrer Reichweite. »Du kannst dir das nicht erlauben. Denk an deine Figur.« Lynn rollte mit den Augen. Luisa war schneller wieder da als gedacht. In den Händen trug sie ein Tablett, auf dem zwei Kaffeetassen, Milch und Zucker standen. Die Tür wurde ihr von einer etwas älteren Frau geöffnet, die nicht minder attraktiv war. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem straffen Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug ein schwarzes Kostüm mit weißer Bluse und hochhackigen Pumps. Abfällig musterte sie Lynn, und bei Simons Anblick konnte man ihre Abscheu in den Augen erkennen. Dennoch verzog sich ihr hübscher Mund zu einem einigermaßen freundlichen Lächeln. Lynn blieb sitzen, kritzelte etwas in ihr Notizbuch und blickte gelangweilt auf. »Setzen Sie sich bitte, Mrs …«

»Janice Witlaw. Was hat das zu bedeuten? Was ist denn passiert?«, fragte sie mit perfekter Aussprache.

Lynn lächelte sie an, als sie sich etwas nach vorne beugte, der Kugelschreiber lag zwischen Zeigefinger und Mittelfinger und sie drehte ihn hin und her. »Das versuchen wir herauszufinden. Das ist Detective Garcia und ich bin Detective Serenata. Einer ihrer Kollegen ist letzte Nacht ermordet worden. Ronny Shawn.« Lynn ließ ihre Worte auf die Frau vor ihr wirken. Janice riss die Augen auf und schlug die Hand vor den Mund. »Oh mein Gott, oh mein Gott. Wer macht so etwas? Wo war das? Doch nicht etwa im Pub?« Sie war blass geworden, fächelte sich Luft zu. »Oh mein Gott. Vielleicht war der Mörder auch da? Oh Gott.« Lynn wartete, bis Janice sich beruhigt hatte. »Welcher Pub? Waren Sie gestern Abend mit ihm unterwegs?«, mischte sich nun Simon ein, sah sie scharf an, so dass Janice auf dem Stuhl hin und her rutschte. »Ja, wir waren im Pub’nTasty. Mit einigen Kollegen. Sie verdächtigen doch wohl niemanden von uns, Detectives?« Die Blässe war verschwunden und in ihrem Gesicht erschienen rote Flecken. »Wer war alles dabei?«, fragte Lynn, statt ihr eine Antwort zu geben. Janice fing an mit ihren Fingern zu spielen. »Ich war da, Tessa Scotford, Bob Harvey, Jodi Sleczyk und Lama Nakis.« Lynn notierte die Namen auf einem neuen Blatt. »Ist Ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«, machte Simon währenddessen mit der Befragung weiter, nippte an der Tasse und verzog das Gesicht. »Was meinen Sie mit ungewöhnlich?« Janice zupfte sich Nagelhaut vom Zeigefinger. »Hatte jemand Streit mit Mr. Shawn, ist er früher gegangen, hat er jemanden getroffen? So etwas verstehen wir unter ungewöhnlich.«

»Streit«, murmelte Janice und zog die Nagelhaut ab. Es fing an zu bluten und sie nahm den Finger in den Mund. Lynn warf einen Blick zu Simon. »Miss Witlaw. Ich habe Ihnen eine einfache Frage gestellt - oder können Sie sich nicht mehr erinnern, was gestern vorgefallen ist?« Simons Stimme wurde barscher, er legte die Unterarme auf den Tisch und blickte sie an. »Es gab keinen Streit, nein. Ronny war irgendwann weg, macht er aber öfter, also hat sich keiner etwas dabei gedacht.« Lynn seufzte genervt. »Also gut. Schicken Sie uns bitte Tessa Scotford.« Janice nahm den Finger aus dem Mund. Ihre Lippen zitterten, aber sie bemühte sich um Fassung. »Tessa ist heute nicht zur Arbeit erschienen. Und sie ist gestern Abend auch früher gegangen. Vielleicht hat sie etwas damit zu tun? Merkwürdig finde ich das ja schon. Obwohl - sie ist weitaus früher gegangen, da war Ronny noch lange da«, plapperte sie plötzlich los. »Und sie hätte einen Grund gehabt. Aber dass sie Ronny gleich…«

»Miss Witlaw. Was haben Sie nicht verstanden an meiner Frage: Ist etwas Ungewöhnliches passiert? Nun, wären Sie so freundlich und klären uns jetzt auf?« Simons Stimme troff vor Sarkasmus und Janice zuckte zusammen. »Weil ich es nicht ungewöhnlich fand, darum.« Trotzig reckte sie das Kinn nach vorne. Simon stand auf, schob den Stuhl zurück und ging auf Janice zu. »Stellen Sie sich nicht auf blondes Dummchen. Sie haben meine Fragen genau verstanden. Irgendwas verheimlichen Sie uns. Also, wenn ich bitten darf? Oder wollen Sie lieber mit zu Scotland Yard zur Befragung?« Janice schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Schon gut. Wir haben Tessa mitgenommen, weil wir sie eigentlich nicht mögen.« Lynn verengte ihre Augen zu Schlitzen. »Sie möchten einen Abend mit einer Person verbringen, die Sie nicht mögen?« Janice hob die Schultern. Das alles war ihr sichtlich unangenehm. »Raus mit der Sprache.« Simon setzte sich wieder auf seinen Stuhl. »Tessa ist nicht gerade die beliebteste Kollegin hier bei uns. Wir dachten, wir könnten ein bisschen Spaß mit ihr haben …«

»Mobben«, unterbrach Lynn. »So würde ich das nicht nennen«, wand Janice sich, pulte nun am Mittelfinger herum. »Miss Witlaw. Wir sind nicht wegen Mobbing hier, sondern wegen eines Mordes.« Simon wurde langsam ungeduldig und Lynn wusste, was dann passierte. »Wir haben uns über sie lustig gemacht. Tessa ist heulend gegangen. Danach haben wir noch etwas über sie und Mandy gelästert…«

»Moment mal. Wer ist Mandy?«

»Sie ist eine andere Kollegin, die war aber nicht dabei. Sie ist seit ein paar Wochen nicht mehr zur Arbeit erschienen.«

»Wie ist der Nachname?«

»Warland. Mandy Warland.« Lynn notierte den Namen. »Schicken sie uns bitte Bob Harvey?« Janice nickte und stand auf, offensichtlich froh, weiteren Fragen entkommen zu sein.

»Und richten Sie doch bitte Luisa aus, dass wir gerne einen frischen Kaffee möchten«, rief sie ihr noch nach, als sie fast zur Tür raus war. »Interessant, aber nicht nützlich«, bemerkte Lynn, nahm ihr Handy aus der Tasche und wählte ihre Kollegen an. Mit dem Smartphone am Ohr stand sie auf und ging zur Tür. »Ah hey. Prüf mal, ob eine Mandy Warland vermisst wird. Nein, nein. Rückwirkend drei Wochen. Genaueres konnte mir niemand sagen. Ich bleib dran, ja. Danke.« Lynn ging einen Schritt zur Seite, um Luisa Platz zu machen, die mit zwei frischen Bechern Kaffee zurückkam. »Nichts? Okay. Dann such mir Infos zu ihrer Person raus. Familie, wo lebt sie und so weiter. Du weißt Bescheid. Hau rein. Bis später.« Sie steckte das Handy in die hintere Hosentasche, nahm sich einen Becher und nickte Luisa zu, die den Raum wieder verließ. »Das kann ja was werden. Ich hoffe, Bob ist gesprächiger.« Sie nahm einen Schluck Kaffee und setzte sich wieder auf den Stuhl.

Leider war auch die Befragung der anderen Kollegen nicht ergiebiger und nachdem sie bereits den ganzen Vormittag hier verbracht hatten, wurde Lynn langsam ungeduldig. »Ich schlage vor, wir fragen Luisa nochmal, ob sich die Chefin schon gemeldet hat, und gehen dann etwas essen.« Simons Gesicht hellte sich auf. Als sie den Meetingraum verließen, klingelte Simons Handy. Lynn blieb stehen. »Detective Garcia. Ja. Okay. Alles klar. Danke.« Sein Gesicht verdüsterte sich, als er auflegte. »Eine weitere Leiche.« Lynn starrte ihn an. »Wie? Genauso?«

»Japp. In seiner Wohnung.«

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