Читать книгу Kuss der Wölfin Sammelband 2 | Teil 4 & 5 | Krieger der Dunkelheit & Im Schatten des Mondes - Katja Piel - Страница 15
ОглавлениеKapitel 7
»Mandy?«, stammelte Tessa fassungslos. Das konnte doch nicht sein! Diese sexy, junge Frau mit den endlos langen Beinen, den schmalen Hüften und einem Gesicht wie gemeißelt – es war Mandy, aber gleichzeitig war sie es nicht. Sie trug ein enganliegendes Lederoutfit. Die roten Haare, die immer in alle Richtungen abgestanden hatten, umrahmten ihr Gesicht und glänzten seidig. »Ich freu mich auch, dich zu sehen«, sagte sie, ließ ihren Arm los und drückte sie an sich. Tessa blieb reglos in ihrer Umarmung stehen. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Schließlich stieß sie sie ein Stück nach hinten. »Weißt du eigentlich, was ich mir für Sorgen gemacht habe?«, keifte sie los. Die Passanten, die an ihnen vorbei gingen, glotzten die beiden ungleichen Frauen mit offenen Mündern an. »Überall habe ich angerufen. Krankenhäuser, Polizei und du? Was machst du? Lässt dich erstmal operieren. Ich glaub, es hackt. Und wo hast du so viel Geld überhaupt her? Hättest du nicht wenigstens anrufen können?«
»Jetzt mach mal langsam. Das kann ich dir hier mitten auf der Straße nicht erzählen. Komm mit. Dort hinten steht mein Fahrer.« Mandy schien es zu genießen, Tessa zu schocken. Mit hochrotem Kopf eilte sie hinter ihr her. »Dein was?« Mandy blieb stehen, lächelte sie an. Es wirkte so, als würde sie seit längerer Zeit wieder vom Herzen lächeln. »Ich erkläre dir alles, wenn wir im Penthouse sind, okay?«
»Im Penthouse? Willst du mich verarschen?«, schrie Tessa völlig außer sich. Mandy hatte sich wieder in Bewegung gesetzt, ging zum Ende des Gehwegs und bog links ein. »Gibt es einen Grund, warum du so rennst?« Mandy blieb vor einem schwarzen Panamera stehen, aus dem soeben jemand ausstieg. Tessa schnappte nach Luft. Der Mann sah aus, als wäre er einer Männermodezeitschrift entsprungen. Schwarzes, glattes Haar fiel ihm auf die Schultern. Er war unglaublich sexy mit seinen mandelförmigen dunklen Augen, dem sinnlichen Mund und der olivfarbenen Haut. Als er dann noch auf sie zukam, blieb ihr Herz fast stehen. Der Typ strahlte eine Sinnlichkeit aus, dass ihr heiß wurde. »Hey, ich bin Sindbad. Freu mich, dich kennenzulernen.« Tessa brachte keinen Ton über die Lippen. Er nahm ihre Hand und drückte sie leicht, sah ihr dabei in die Augen. Sie schwebte im siebten Himmel, ihre Knie wurden wackelig und sie hatte das Gefühl, zu schmelzen. »Komm, lass uns einsteigen, Tessa.« Sindbad ließ ihre Hand los und öffnete die hintere Tür. Tessa stieg ein, stellte ihre Tasche auf ihren Schoß und sprach kein Wort. Schon gar nicht mit diesem Typen, der sich fragen musste, was für eine fette, hässliche Ente Mandy da aufgegabelt hatte. Auch Mandy stieg hinten ein und schloss die Tür. Ihr aufmerksamer Blick ruhte auf ihr, das konnte sie aus den Augenwinkeln sehen. »Was ist passiert?«, fragte sie. »Was soll passiert sein? Du warst doch spurlos verschwunden. Das gleiche könnte ich eher ich dich fragen.«
»Du hast geweint«, stellte Mandy fest. Sindbad war inzwischen auch wieder im Auto und startete den Motor. »Hm, ja. Nicht so schlimm«, murmelte sie und blickte angestrengt aus dem Fenster, obwohl sie nicht so richtig mitbekam, wohin sie fuhren. Sie starrte einfach raus. »Haben die dich wieder gemobbt?« Tessa spürte Mandys Hand auf ihrer Schulter und drehte sich um. »Ist doch scheißegal, oder? Jetzt tu nicht so, als würde ich dich interessieren. Du hast mich alleine gelassen, während du ohne mich deinen Lottogewinn gefeiert hast. Und ich dachte, wir wären Freundinnen. Kann dein Fahrer«, sie betonte Fahrer besonders schnippisch, »bitte anhalten? Ich würde gerne aussteigen und heimgehen. War mir genug Aufregung für heute.« Doch der Wagen hielt nicht und Mandy blickte sie ernst an. Tessa wusste nicht, wo sie hingucken sollte. Wie hatte der Chirurg das nur geschafft, dass sie nach wenigen Wochen so gut aussah? Und auch noch ohne Verbände, Pflaster oder Narben?
Sie hatte sich einmal gemeinsam mit Mandy auf einer Webseite informiert, halb aus Spaß, halb aus Sehnsucht, und Schönheits-Operationen schienen langwierige und brachiale Aktionen zu sein, ganz zu schweigen von den Kosten, die Tessa im Leben nicht hätte aufbringen können. Sie waren dann vom Computer weg und hatten sich gegenseitig Bögen und Striche auf den Körper gemalt. Im Fernsehen war Nip Tuck gelaufen, und schließlich waren sie lachend auf das Sofa gefallen, nur um Unmengen an Schokoeis in sich reinzustopfen. Die Webseite hatte verraten, dass es mindestens acht Wochen dauerte, bis sich das Gewebe straffen würde. Mandy sah so aus, als würde sie schon immer so herumlaufen. So unendlich schön.
»Ich hab nicht im Lotto gewonnen. Und es ist etwas passiert, dass ich dir nicht so nebenbei erzählen will. Lass uns in das Penthouse fahren und ich erzähle dir alles, okay?«
»So lange dein Fahrer nicht anhält, kann ich ja wohl schlecht aussteigen«, erwiderte Tessa mürrisch. Sie war neugierig. Trotz einem etwas kribbeligen Gefühl im Bauch, das sie nicht einordnen konnte. Vielleicht lag es einfach nur an dem gut aussehenden Fahrer.
Tessa hatte nicht aufgepasst, wo sie hingefahren waren. Dies war ein Stadtteil von London, den sie vorher noch nie gesehen hatte, aber gut, sie kannte auch nicht viel von der Stadt. Sindbad blinkte und steuerte ein Hochhaus an, das sehr edel aussah und von einer gepflegten und indirekt beleuchteten Grünanlage umgeben war. Sindbad fuhr in die Tiefgarage, öffnete mit einer Fernbedienung einen Stahlkäfig und fuhr hinein. Das Tor schloss sich hinter ihnen. Als Tessa ausstieg, entdeckte sie am Ende eine Fahrstuhltür, die Sindbad mit einer Tastenkombination öffnete. »Wenn das mal nicht Luxus ist«, murmelte Tessa und folgte dem hübschen Fahrer in den Lift. Sie war erleichtert, als sie oben ankamen. Die Nähe zu sexy-Sindbad hatte sie ganz kribbelig gemacht. Als sie aus dem Aufzug stieg, hielt sie die Luft an. Sie befand sich einem großzügigen Loft mit Splitlevel Elementen, die die einzelnen Wohnbereiche mit einer oder zwei Stufen abtrennten. Durch die hohen Fenster hatte sie einen atemberaubenden Blick über Londons funkelnde Lichter. Tessa wirbelte zu Mandy herum, die noch immer am Fahrstuhl stand, ihren Blick unverwandt auf sie gerichtet. Sindbad steuerte auf eine Sofalandschaft zu und fläzte sich hinein. »Nun?« Noch immer blieb Mandy wie angewachsen stehen, sagte kein Wort, verzog keine Miene. Tessa wurde allmählich sauer. »Was soll das hier alles, Mandy? Und was…«, sie ging ein Stück auf sie zu, »ist mit dir passiert?«
»Naja, ist nicht so einfach zu erklären, weißt du.«
»Ich schätze mal, wir haben Zeit, oder?« Mandy setzte sich nun endlich in Bewegung, aber statt auf sie zuzugehen, ging sie zu den Fenstern. »Erinnerst du dich noch an den Abend in der Scheune?«
»Du meinst, als Edward dich abgeschleppt hat und ich alleine mit dem Taxi heimfahren musste, weil du unsere Regel gebrochen hast?« Tessa tat so, als müsse sie überlegen. »Hm, ja, daran erinnere ich mich.« Sie schob den runtergerutschten Riemen ihrer Handtasche wieder auf die Schulter und verschränkte die Arme. Mandy drehte sich zu ihr um. »Der Typ hat etwas mit mir gemacht.«
»Hmm«, machte sie sarkastisch, »schon klar. Etwas gemacht. Ist er ein Zauberer?«
Mit einem sportlichen Satz schwang Mandy sich auf die Sofalehne und kauerte dort neben Sindbad. Aha, im Fitness-Studio war sie also auch noch gewesen. »Er hat aus mir einen Werwolf gemacht.« Tessa atmete erleichtert aus. Okay, ihre Freundin hatte vor, sie zu ärgern. Gut. »Können wir ja froh sein, dass kein Vollmond ist, eh?« Mandy legte nachdenklich den Kopf schief. Schließlich grinste sie. »Wir brauchen keinen Vollmond, Herzchen.« Ihre Augenfarbe wechselte zu einem satten Grün. Tessa schnappte nach Luft. Mandy sprang vom Sofa, kam näher, streichelte ihr über die Wange, die Mundwinkel, ihr Kinn. Tessa fühlte sich unwohl, und doch konnte sie nicht einfach flüchten. Vor ihr stand ihre Freundin. Ihre beste Freundin. Mit der sie gelacht und geweint hatte, mit der sie Vom Winde verweht geguckt hatte. »Wie hast du das gemacht? Mit deinen Augen eben?«, flüsterte sie angespannt.
»Wir können uns auch ohne Vollmond wandeln«, überging Mandy einfach ihre Frage. Ihr warmer Atem strich über Tessas Gesicht. Wie gebannt stand sie vor ihr, wusste nicht, sollte sie sie auslachen oder flüchten. »Bei Tag, bei Nacht, ganz egal. Der Wolf in uns ist genauso lebendig wie wir. Und er hat …«, ein tiefes Knurren kam aus ihrem Mund, als sie mit den Lippen fast die ihre berührte. »… immer Hunger.« Diesen Satz flüsterte sie, umschlang sie mit dem Arm und zog sie noch näher an sich. Tessa musste den Kopf heben. Sie kam nicht dazu, darüber nachzudenken, was mit Mandy passiert war. Es ging alles viel zu schnell.