Читать книгу Kuss der Wölfin Sammelband 2 | Teil 4 & 5 | Krieger der Dunkelheit & Im Schatten des Mondes - Katja Piel - Страница 14
ОглавлениеKapitel 6
Sie waren gestern Morgen aus New York wieder in London angekommen. Der Flug war anstrengend, voller Luftlöcher und lang gewesen.
Sindbad hatte einen Wagen organisiert. »Die Wölfe, die wir zurück gelassen haben, kennen dich noch nicht. Bislang war Marcus ihr Rudelführer und sie sind extrem gefährlich«, erzählte er, während er den Wagen aus dem Parkhaus lenkte. »Du meinst die Wölfe, die Marcus gezüchtet hat? Die ehemaligen Werwölfe, die jetzt dem Blutrausch verfallen sind?«, wollte Mandy zur Sicherheit noch einmal wissen. Sindbad nickte zu ihr hinüber. »Ja. Wir müssen einige Unterwerfungsübungen mit ihnen machen. Nicht, wie du es vielleicht vom Hundetraining kennst«, erklärte er rasch, »du musst dich voll und ganz auf sie konzentrieren und darfst auch nicht zurückschrecken, sie zu töten, wenn es sein muss.« Mandy nickte. Wenn es einer dieser beschissenen Wölfe wagen sollte, auf sie zuzuspringen, würde sie ihn einfach platt machen.
Der Weg vom Flughafen zum Haus im Wald, wo die rangniedrigsten Werwölfe lebten, war nicht weit, so dass sie nach mehr als einer halben Stunde dort ankamen und sich abschnallten. Mandy sah die ersten Wölfe durch ihr Fenster leicht geduckt auf das Auto zu schleichen.
»Lass mich zuerst raus«, sagte er und stieg aus dem Auto. Nur noch wenige Meter trennten ihn von dem kleinen Rudel, das etwa sechs Wölfe umfasste. Ein besonders großer mit abgerissenem Ohr näherte sich langsam. Mandy starrte gebannt aus dem Fenster. Sie beobachtete Sindbad, wie er mit gestrafften Schultern stehen blieb und wartete, bis der große Wolf bei ihm war. Blitzschnell hatte er den Wolf auf den Rücken geworfen und setzte sich auf ihn, seine Hand drückte seine Kehle zu, bis der Wolf jaulte. Schließlich stand er auf. Der Wolf kam auf alle Viere, hielt den Kopf gesenkt. Sindbad legte ihm die Hand auf den Rücken und drehte sich zu ihr um, nickte ihr zu. Mandy öffnete die Tür, stieg aus und kam auf die beiden zu. »Jetzt du, Mandy«, forderte er sie auf. »Kämpf mit ihm, wenn er sich nicht auf den Rücken legt. Er ist der Stärkste von ihnen und die andern tun das, was er will.« Mandy zog ihre Jacke aus und ging langsam auf den Wolf zu. Sindbad hatte sich bereits von ihnen entfernt, die Arme vor der Brust verschlungen. Der Wolf knurrte sie an, fletschte die Zähne. Als sie näher kam, konnte sie erkennen, dass rund um das linke Auge die Haut in Fetzen herunterhing, was gruselig aussah, weil ein Teil des innen liegenden Augapfels zu sehen war. Das Fell war struppig und verknotet, die Pfoten trugen messerscharfe Krallen. Seine Rute stand waagerecht ab und er sah aus, als würde er sich jeden Moment auf sie stürzen. Die Augen leuchteten grün und fixierten jeden ihrer Schritte. Dennoch hatte Mandy keine Angst. Sie würde dem Biest zeigen, wer der neue Chef war.
Genauso schnell wie Sindbad sprang sie auf ihn zu, drehte ihn im Fallen auf den Rücken und drückte seine Kehle zu. Die Augen rollten zur Seite, seine Zunge hing halb raus und sie hörte ihn röcheln. Mandy kam ihm ganz nah mit ihrem Gesicht. Er müsste einfach nur zubeißen, dann wäre sie für immer entstellt. Aber das tat er natürlich nicht, sie hatte ihn fest im Griff, zu fest. »Mandy! Stopp!«, rief Sindbad. »Ich weiß, was ich tue«, knurrte sie. Der Wolf unter ihr fiepte, die Augen starr vor Angst. »Wer ist jetzt hier der Boss, häh? Wer?« Schließlich ließ sie los, stand auf und blickte auf den winselnden Wolf hinab. Dieser schüttelte sich kräftig und beugte den Kopf zu ihr, um eine Zärtlichkeit zu erbetteln. »Ich werde dich nicht streicheln. Von mir hast du keine Zuneigung zu erwarten, denn du bist nur Mittel zum Zweck.«
Auf der Terrasse konnte sie den Kadaver des Hundes erkennen, den Marcus vor einigen Tagen mitgebracht hatte. Gemeinsam mit Sindbad betrat sie das Haus. »Kann man die Hütte nicht mal renovieren?«, fragte sie und rümpfte die Nase. Sindbad lachte. »Du hast ein riesiges Penthouse mitten in London. Was willst du mit der Hütte hier? Hier leben die anderen Werwölfe und Wölfe und …«, er machte eine Pause, kam ihr etwas näher, »… und ich. Es sei denn, du möchtest …« Mandy zog ihn am Hemdkragen zu sich, küsste ihn leidenschaftlich und vergrub ihre Finger in seinen Haaren. »Du gehörst zum inneren Kreis«, sagte sie, als sie sich wieder von ihm losgerissen hatte. »Von dir wird erwartet, dass du bei mir bist.« Sie schubste ihn ein bisschen von sich weg. »Geh mir aber nicht auf die Nerven«, fügte sie hinzu. Nachdenklich stand sie in dem verfallenen Haus. Vor ein paar Tagen war sie noch ganz am Anfang gewesen, erst kurz gewandelt. Marcus hatte sie in das Rudel geholt zum Züchten und Kontrollieren der Wölfe. Es kam ihr vor, als wäre es eine Ewigkeit her, seit er ihr nach ihrem kleinen Ausrutscher mit dem Bauern das Halsband umgelegt hatte. Unwillkürlich fuhr sie mit der Hand zum Hals. Bei der Parade hatte sie es ihnen heimgezahlt. Marcus und den hinterhältigen Werwölfen Utz und Roderick.
»Nun, wo ist die Kohle? Oder weshalb sind wir hier?« Mandy blickte sich in der alten Ruine um. Ihr stand nicht der Sinn länger hierzubleiben als nötig. »Ich gehe die Tasche holen und dann können wir zum Penthouse in London.«
»Falsch. Du holst die Tasche, gibst mir Bargeld und ich fahre nach London rein. Ich habe da noch etwas zu erledigen.« Sie sah, wie Sindbad zögerte. »Was? Was ist noch?«
»Ich rate dir, aufzupassen. Wir dürfen nicht entdeckt werden und du könntest…«
»Sindbad, ich kann sehr gut auf mich alleine aufpassen. Ich werde noch ein paar alte…«, sie tat so als müsste sie überlegen, »Freunde treffen.«
»Ich weiß ja nicht, was du hier vorhast, Mandy. Wenn ich richtig darüber nachdenke, weiß ich gar nicht, was du planst, aber ich rate dir dennoch, aufzupassen.«
»Bei was? Wenn ich Freunde treffe?«, gab sie schnippisch zurück. Sindbad grinste. »Ich glaube nicht, dass du einfach nur alte Freunde treffen willst. Das passt nicht zu dir.«
»Und du kennst mich schon lange genug? Gut, begleite mich nach London, aber halte dich raus aus meinen Angelegenheiten.«
»Ein Rudel arbeitet immer zusammen. Selbst Marcus hat uns immer…«
»Marcus gibt es nicht mehr«, fauchte sie wütend. »Ich habe dir gesagt, geh mir nicht auf die Nerven, Sindbad. Hol die Kohle und behalt deine Ratschläge für dich!« Sindbad hob die Schultern, für einen Augenblick sah er aus, als wolle er widersprechen, dann drehte er sich aber um, stieg, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf und ließ sie alleine.