Читать книгу Kuss der Wölfin Sammelband 2 | Teil 4 & 5 | Krieger der Dunkelheit & Im Schatten des Mondes - Katja Piel - Страница 17
ОглавлениеKapitel 9
Bevor Tessa etwas erwidern konnte, war Mandy wieder von ihr abgerückt. »Du hast dich verändert, Mandy«, bemerkte Tessa.
»Ich weiß. Ist das nicht toll?«
Tessa schüttelte den Kopf. »Ich finde das gar nicht toll, tut mir leid. Ist in dir noch etwas von der alten Mandy? Meiner besten Freundin? Du wirkst auf mich nicht mehr herzlich, vertrauenswürdig, lieb und nett. Nein, du wirkst herablassend.« Mandy schnaubte und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach komm schon, Tess. Ich wusste nicht, wie wunderbar das alles ist. Anzuziehen, was man will. Aufzustehen und einfach gut auszusehen. Keine Pickel mehr, keine kneifenden Hosen oder Pullover, in denen man aussieht wie eine Witzfigur. Du weißt nur nicht, wie das ist. Aber, wenn du es wüsstest«, sie kam wieder näher, strich Tessa über das glanzlose Haar, ihre fettige Stirn, kniff sogar in die dicke Wange, als wäre sie ihre Oma, »würdest du ganz genauso auf andere herabsehen. Glaub mir das.«
Tessa wich ihr aus. »Da du ja jetzt zu den Schönen und Reichen gehörst, kann ich ja gehen«, gab sie schnippisch zurück. Ihr Blick fiel auf Sindbad, der gelangweilt in einer Zeitschrift rumblätterte, die langen, muskulösen Beine von sich gestreckt. Trotzig reckte sie das Kinn hervor, wandte sich wieder Mandy zu, deren Lippen sich zu einem falschen Lächeln kräuselten. »Warum willst du denn gehen, Tessa? Lass uns doch ein bisschen Spaß haben.« Ihre Stimme klang schmierig und ölig. Tessas Blick huschte zum Fahrstuhl, dessen Türen sich längst wieder geschlossen hatten. »Mir ist nicht nach Spaß haben, Mandy. Ich will nach Hause. Hatte nen Scheißtag.«
»Möchtest du nicht auch gerne anders aussehen? Schöner? Schlanker? Weißt du nicht mehr, wie wir uns erträumt haben, anders auszusehen?«, fragte Mandy. Tessa seufzte genervt und machte einen Schritt auf den Fahrstuhl zu. »Hör mal, Mandy. Ich hab doch gerade gesagt, dass ich keine Lust habe. Ich will heim.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, zischte ihre Freundin. »Nein, Mandy. Ich will nicht so sein. Ich bin wie ich bin und ich bin, bis auf die Ausnahme von heute, zufrieden mit mir. Ich muss nicht schauspielern, verstehst du? Abgesehen davon habe ich den Eindruck, ich müsste einen zu hohen Preis zahlen, wenn ich mir dich so ansehe.« Tessa machte eine kurze Pause. »Weißt du denn gar nicht mehr, was wir uns geschworen haben? Nie so zu sein wie die, die uns immer hänseln und mobben? Wir gegen den Rest?« Mandy lachte schallend und jetzt wurde Tessa echt wütend. Sie ging einen Schritt auf ihre Freundin zu, hob die Hand und wollte ihr ins Gesicht schlagen, doch Mandy war schneller und fing sie in der Luft ab, griff fest zu an ihrem Handgelenk, so dass es schmerzte, zog sie an sich, legte den Kopf schief. »Wolltest du mich etwa schlagen?«
»Sag mal, spinnst du? Lass los, das tut scheißweh.« Tessa versuchte, ihre Hand aus dem Griff zu befreien, doch je mehr sie zog, desto enger schlossen sich Mandys Finger. Als sie ihr ins Gesicht sah, schrak sie zusammen. Ihr Herz pochte gegen die Brust. Nicht nur ihre Augenfarbe hatte sich verändert. Kleine, feine Härchen wuchsen auf ihren Wangen, die Nase verformte sich vor ihren Augen. Ihr Atem stank plötzlich erbärmlich und lenkte ihren Blick auf den Mund, der sich ebenfalls veränderte. Mit ihrer freien Hand schlug Tessa auf Mandy ein, trat mit dem Fuß gegen ihr Schienbein, aber nicht mal ein Zucken durchfuhr den Körper ihrer Freundin. »Mir reicht’s, Tess. Wenn ich dich zu deinem Glück zwingen muss, tu ich das eben.« Die letzten Worte kamen jaulend aus ihrem Mund … Maul. Tessa sah an ihrer Freundin hinab. Wie sie sich vor ihren Augen veränderte. Panik stieg in Tessa auf. »Was zur Hölle? Du hast … du bist … oh Gott, was bist du?« Mandy gab ihr keine Antwort mehr. Ihr heißer Atem schlug ihr ins Gesicht, Speichel tropfte auf Tessas Hand, als sich diese Kreatur nach vorne beugte und eine Doppelreihe messerscharfer Zähne zeigte. Plötzlich hatte sie das Gefühl, ihr würde ein glühend heißes Eisen in die Schulter gerammt. Sie hörte einen lauten Schrei und stellte fest, dass es ihr eigener sein musste, ihre Knie gaben nach und ihr wurde schwarz vor Augen.
***
Mandys Zähne gruben sich in das weiche, warme Fleisch ihrer Freundin. Hunger übermannte sie, als ihr metallisch schmeckendes Blut ins Maul floss. Tessas Schreie hörte sie nur dumpf. Mandy musste sich zurückhalten, sie nicht mit Haut und Haar zu verschlingen. Sie zog sich von ihr zurück, ließ ihre Freundin unsanft auf dem Boden aufkommen und sprang mit einem großen Satz durch das halbe Penthouse, um Abstand zu gewinnen. Tessa hatte süß geschmeckt, wie eine Frucht, die in einem warmen Schokobrunnen gebadet worden war. Ihre Wölfin kämpfte, wollte sich vollends wandeln und weiterfressen, doch Mandy konnte sich durchsetzen. Sie streckte sich, konzentrierte sich und versuchte sich von dem Geruch abzuwenden, den das Blut verströmte, aber er umwehte ihre Nase wie ein wundervolles Parfum. Hinter sich hörte sie Sindbad, der sich um Tessa kümmerte. Nachdem sie sich wieder zurückverwandelt hatte, drehte sie sich rasch um, durchquert mit wenigen Schritten den Raum und stieß Sindbad, der neben Tessa auf dem Boden kniete, fort. »Lass sie. Fass sie nicht an.«
»Ich wollte ihr nichts tun. Hab mir schon gedacht, dass du sie wandeln willst.«
»Geh weg. Setz dich wieder auf die Couch und mach was auch immer«, knurrte sie, kniete sich hinab, legte Tessas Kopf auf ihren Oberschenkel und streichelte ihr über das Haar. Ihr Gift strömte bereits durch Tessas Körper, denn ihre Wunde hatte aufgehört zu bluten, die Hautfarbe wechselte von blass zu rosa. Pölsterchen verschwanden auf wundersame Weise und ihr Haar fiel weich und glänzend über Mandys Arm. »Du wirst dich wunderbar fühlen, glaub mir«, flüsterte Mandy an Tessas Ohr, schob ihre Arme unter ihren Rücken und hob sie hoch, um sie auf die Couch zu legen. »Du passt auf sie auf. Ich hab noch was zu erledigen«, wandte sie sich nun in kaltem Tonfall an Sindbad. »Ich dachte, ich soll sie nicht anfassen?«, sagte er aufsässig. »Ja. Sollst du auch immer noch nicht. Du sollst auf sie aufpassen. Sie wird sicher verwirrt sein, wenn sie aufwacht.« Er war manchmal so schwer von Begriff. Konnten Männer nicht schön und intelligent sein, so wie sie? »Halt sie hier fest. Wenn sie fliehen will, verhindere es«, befahl sie, strich sich durchs Haar, über die Kleidung und hielt ihm die Hand hin. »Gib mir den Schlüssel für den Wagen.« Sindbad stand auf und zog einen silbrig glänzenden Schlüssel aus der hinteren Hosentasche. »Brauchst du Geld?«, fragte er, wartete ihre Antwort aber nicht ab, sondern zog ein Bündel Scheine aus der anderen Tasche und drückte es ihr ebenfalls in die Hand.
»Firma dankt. Bis später.«
Mandy fuhr mit dem Panamera durch das dunkle London zurück zu dem Pub, wo sie Tessa aufgegabelt hatte. Sie wusste, dass ihre ehemaligen Kollegen hier regelmäßig ihre After Work Partys veranstalteten. Mandy und Tessa waren nie eingeladen worden. Natürlich nicht. Wer wollte auch schon mit dicken, hässlichen Mädchen gesehen werden? Die anderen waren ja alle cool. Nicht so cool wie ich jetzt, dachte sie, während sie den Wagen auf einen Bordstein rollte, den Motor abstellte und sich noch einmal prüfend im Spiegel ansah. Ihre Wangen waren leicht gerötet, sie pinselte sich noch etwas Lipgloss auf die vollen Lippen, wuschelte sich durchs Haar und lächelte sich selbst an. Es würde sicherlich ein schöner Abend werden. Mandy freute sich schon auf ihre ehemaligen Kolleginnen. Aber ganz besonders freute sie sich auf Ronny. Den armseligen Billig-Playboy, der sie verarscht und gemobbt hatte und ihr nächtelang Tränen beschert hatte. Aus heutiger Sicht war Ronny ein Nichts, ein Niemand. Ein hässlicher Gnom, der sich selbst sexy fand. Heute würde sie ihm zeigen, wer sexy war. Mit ihrer Latexhose, die tief auf der Hüfte saß, der engen Korsage, die ihre Brüste nach oben schob, und den hohen Pumps wusste sie, dass sie gut aussah. Mehr als das. Sie fiel damit genau in Ronnys Beuteschema. Nur noch wenig erinnerte an die alte Mandy. Vermutlich würde er sie nicht mal erkennen. Genauer angesehen hatte er sie ohnehin nie. Mandy stolzierte wie ein Model über den Gehweg und schlängelte sich an den Rauchern vorbei, die sich unter einem Heizpilz versammelt hatten. Ihre Gespräche verstummten. Sie spürte die neidischen Blicke der Frauen auf sich und die sehnsüchtigen der Männer. Doch ihre Beute befand sich im Inneren des Pubs. Ihr Blick schweifte durch den Pub und sie fand ihre ehemaligen Kollegen an einem runden Stehtisch, laut lachend, trinkend, feiernd. Mandy postierte sich an einen Betonpfeiler und schielte hinüber, warf ihr Haar zurück. Als sie seinen Blick auf sich spürte, streckte sie den Po etwas raus, schob die Unterlippe vor, um ihre Lippen noch voller wirken zu lassen. Wie zufällig drehte sie den Kopf in seine Richtung. Ihre Augen fanden seinen Blick. Tatsächlich war es Ronny, der sie unverhohlen anglotzte. Ihre Lippen teilten sich zu einem gespielt verlegenen Lächeln. Es dauerte keine fünf Minuten, da bewegte sich Ronny vom Tisch weg und kam auf sie zu. Mandy musste sich zusammenreißen, um nicht siegessicher zu grinsen. Sie lehnte sich mit dem Rücken an den Pfeiler, und als er bei ihr ankam, senkte sie den Kopf.
»Sag mal, kennen wir uns nicht von irgendwoher?«, begrüßte er sie, seine weißen Zähne blitzten. Und den fand ich mal toll? Er wirkte so langweilig auf sie wie ein Bingoabend im Seniorenheim. »Ich glaube nicht. Mein erster Abend in London. Dachte, ich könnte hier ein paar nette Leute kennenlernen«, schnurrte sie wie ein Kätzchen und blickte zu ihm auf. »Dann hast du ja Glück. Ich bin nett. Hast du schon einen Drink?«
»Nein. Ich wollte mir erst die Leute hier ansehen.« Er lächelte, kam näher. »Was möchtest du trinken?«
»Champagner.« Sie lächelte dankbar. Mandy hasste Champagner, aber er war teuer und sie wollte ihn ausbluten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ronny ließ sich nichts anmerken, sondern ging zur Bar. Mandy folgte ihm mit den Augen.
Plötzlich nahm sie unter all dem Schweiß und Parfum einen anderen Geruch wahr. Hitze kroch ihre Wirbelsäule hinauf. Fuck, fluchte sie innerlich. Hier war einer. Kein Werwolf, aber einer von den anderen. Ein Gestaltwandler. Für einen Augenblick erhaschte sie einen Blick auf einen rotblonden, jungen Mann – aus seiner Richtung kam der Geruch. Dann kam Ronny zurück, eine Sektflöte in der Hand. Sie nahm ihm das Getränk aus der Hand und stellte es auf dem nächstbesten Tisch ab. »Komm. Lass uns gehen.« Sie griff sich seine Hand und zog ihn hinter sich her. Ronny ließ sich mitziehen. Vermutlich glaubte er an einen Glückstreffer. »Du hast es aber eilig«, lachte er, schloss zu ihr auf und legte seinen Arm auf ihre Hüfte. Sie musste sich zusammenreißen, ihn nicht auf offener Straße zu zerfleischen. »Du musst mir nur sagen, wo du wohnst«, gurrte sie und eilte um die Ecke. »Ich weiß ja nicht mal deinen Namen«, erwiderte er etwas atemlos. »Lara. Und du bist?«
»Ronny.« Als ob ich das nicht wüsste, du Wichser. Mandy blieb vor dem Wagen stehen und öffnete ihn mit der Fernbedienung. Ronny machte große Augen. »Wow. Das ist ja mal ne geile Kiste.«
»Ja ja. Jetzt steig ein«, drängelte sie und blickte über die Schulter die Straße hinab. Ronny ging um das Auto herum und stieg ein. Mandy sprang hinters Steuer und ließ den Motor an, sobald er eingestiegen war. Sie entspannte sich etwas und steuerte den Wagen die Straße hinunter. »Was machst du denn beruflich, wenn du so ein geiles Auto hast?«
»Social Media Beraterin für große Konzerne. Ich bin weltweit unterwegs«, schoss es aus ihr wie aus der Pistole. Bewundernd starrte Ronny sie an. »Und du?«, fragte sie. Sie wollte es hören, wollte, dass er sich wie ein Versager fühlte. »Ich bin im Teamleading einer großen Call Center Agentur. Wir machen die Call Outs für IBM und Microsoft.« Mandy schmunzelte innerlich. Von wegen Teamleader. Er war ganz normaler Telefonist, nicht mehr. »Oh tatsächlich. Das ist ja interessant. Vielleicht beauftrage ich euch mal. Wo müssen wir hin?«
»Da vorne geradeaus über die Brücke und dann rechts. Ja, das wäre cool«, murmelte er den letzten Satz. »Meine Leute schaffen die Terminierungen nicht mehr alleine. Ich habe schon öfter darüber nachgedacht, outzusourcen.« Sie ging vom Gas runter und bog rechts ab. »Ja, machen viele. Ist ziemlich zermürbend, der Job. Die ganzen Absagen, manchmal werden meine Mitarbeiter auch beschimpft«, erzählte er. Mandy warf ihm einen Blick zu. Zehn Minuten später bogen sie auf eine größere Straße ein.
»Wohin jetzt?« Er zeigte mit dem Finger auf einen weißen Wohnblock auf der rechten Seite. »Da sind wir schon. Du kannst hier irgendwo parken. Nein, nicht wirklich. Ja, also, wie gesagt, wir haben eine ziemlich hohe Fluktuation. Die wenigsten halten länger als ein Jahr durch.« Mandy tat so, als wäre sie interessiert und entgegnete ab und an ein »hmmm« oder »spannend«. Sie stellte das Auto auf einen Parkplatz, schnallte sich ab und wandte sich ihm zu, strich ihm mit dem Finger eine braune Strähne aus dem Gesicht. Selbst sein Haarschnitt war fad. Wie konnte sie diesen Typen jemals gut gefunden haben? Und vor allem: Warum hatte sie nächtelang geheult? »Lass uns zu dir gehen und Spaß haben.« Mandy sprang aus dem Auto und wartete, bis er hinterhergekommen war. Sie konnte sich genau vorstellen, was er jetzt dachte, und freute sich schon darauf, ihn auf ganzer Linie zu enttäuschen. Sie wollte ihn leiden sehen, seine Augen, wenn er erkannte, wen er da vor sich hatte und dann … was ihn biss und schließlich langsam auffraß. Es war schon eine ganze Weile her, seitdem Ronny sie verarscht hatte und die ganze Firma sich über sie lustig gemacht hatte. Damals hatte Ronny ein paar Tage lang so getan, als wäre er an ihr interessiert. Plötzlich standen Blumen auf ihrem Tisch, später kamen Kärtchen und Süßigkeiten dazu. Scheu hatte er ihr immer wieder bedeutungsvolle Blicke zugeworfen. Dann hatte sie die Mail bekommen, er wolle sie zum Essen ausführen. Mandy war so aufgeregt gewesen. Mit Tessa war sie zum Shoppen gegangen, hatte ihre Haare machen lassen, sogar bei der Kosmetikerin war sie gewesen. An dem besagten Abend hatten sie sich im Restaurant treffen wollen. Erst hatte Mandy vorgehabt, später zu kommen. Aber sie war viel zu aufgeregt gewesen und dann doch zehn Minuten zu früh. Der katastrophale Abend hatte damit begonnen, dass niemand eine Reservierung auf den Namen Ronald Shawn fand. Man hatte sie gebeten, an der Bar zu warten, und ihr versprochen, es würde sich sicher alles aufklären. Doch es klärte sich nicht auf. Ronny war nicht gekommen. Ganze zwei Stunden hatte sie gewartet. Mehrere Drinks zu sich genommen. Schließlich war sie irgendwann gegangen. Sie hatte Ronny immer zur Rede stellen wollen, aber jedes Mal, wenn er sie abschätzend anguckte, als hätte er sich nie mit ihr verabredet, hatte sie ihre Worte verschluckt und war rot angelaufen. Die Rache würde süß sein. Die Vorfreude darauf, was sie heute Nacht alles mit ihm anstellen würde, veranlasste Mandy, noch für einige Augenblicke nett zu ihm zu sein. Ronny ging einen kleinen betonierten Weg entlang zu dem Haus, schloss die Tür auf und bat sie hinein. »Ich wohne ganz oben rechts«, sagte er stolz. Mandy unterdrückte eine abschätzige Bemerkung und stieg die Stufen hinter ihm hoch. »Ist ne eigene Wohnung. Nichts Besonderes, aber sie gehört mir«, redete er auf sie ein, während er vorweg ging. »Dann verdient man wohl ganz gut als Teamleader?«, fragte sie und tat schüchtern. »Ja sicher. Ziemlich«, meinte er angeberisch. Oben angekommen, fummelte er den Schlüssel aus seiner Hosentasche, öffnete die Tür und griff hinein, um einen Lichtschalter zu betätigen. Aus einem Flur ging rechts, links und geradeaus jeweils eine Tür ab. Auf einer billigen Kommode stapelten sich Turnschuhe, Jacken und ein Regenschirm. Der Boden bestand aus hellen Fliesen. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft, den vermutlich nur Mandy wahrnahm. Vergammelter Käse im Kühlschrank. »Willkommen in meinem Reich«, tönte Ronny und betrat die Wohnung, die im Vergleich zu ihrem Penthouse die Größe eines Schuhkartons hatte. Er ging zur linken Tür und bat sie ins Wohnzimmer. Die Küchenzeile war klein und integriert in den winzigen Raum, wo gerade mal ein Zweisitzer Platz hatte. Auf dem Glastisch davor stapelten sich leere Pizzaschachteln, daneben häuften sich Briefe, auf denen ein halbvolles Glas schief abgestellt war. Mandy warf sich auf die Couch. »Oh ist die niedlich«, rief sie aus, streifte sich ihre Pumps von den Füßen und zog die Beine an. Ihr Blick fiel auf einen Flachbildfernseher, der an der Wand hing. Darunter stand ein Lowboard mit einer kleinen Anlage, an der Ronny nun herumfummelte. Wenige Augenblicke später drang Barry Whites sexy Stimme durch das Wohnzimmer. Bäh, alle Klischees erfüllt, dachte sie abfällig, lächelte ihn aber aufmunternd an, als er sich zu ihr drehte. »Magst du etwas trinken?«, fragte er und hastig fügte er hinzu: »Außer Champagner.« Sie lachte. »Nein danke. Komm doch zu mir. Ich möchte dich näher kennenlernen.« Ronny grinste sie an, leckte sich über die Lippen und war mit einem Schritt bei ihr, setzte sich auf die Couch, legte seine Hand auf ihren Oberschenkel. Mandy zwang sich, ihre Muskeln zu entspannen, und beugte sich zu ihm. Von Nahem erkannte sie nun seine fettige Haut rund um die Kinnpartie und die Schweißperlen oberhalb der Lippe. Sexy war anders, aber sie hielt sich zurück, wollte ihn erst richtig heiß machen, um dann … »Warum ziehst du nicht dein Hemd aus? Dir ist ja ganz warm«, flüsterte Mandy. Sein schmieriges Lächeln überzog sein Gesicht mit kleinen Fältchen. Er starrte ihr unverhohlen in den Ausschnitt, während er sein Hemd aufknöpfte. »Wenn du fertig bist, darfst du meine Korsage öffnen.« Ihre Stimme klang rau, aber nicht vor Erregung, sondern vor Hunger. Alles an ihm roch appetitlich, auch wenn die fettige Haut und der Schweiß nicht lecker aussahen. »Gehst ganz schön ran«, murmelte Ronny heiser, als sie sich umdrehte, damit er ihr die Schnürungen öffnen konnte. »Ich finde dich eben sexy. Und ich kann mir vorstellen, dass du normalerweise die Initiative ergreifst, oder?« »Ja normalerweise schon. Obwohl ich ja eigentlich nicht der Kerl für eine Nacht bin.« Mandy lachte leise. Nein, natürlich nicht. Niemals. »So wie du ausschaust, hast du sicher öfter eine am Start«, sagte sie. »Naja … ja … schon«, stotterte er hinter ihr und ein Rascheln bedeutete ihr, dass er sein Hemd abstreifte. Nun fummelte er an ihrer Korsage. Sie hätte sie auch einfach über den Kopf ausziehen können, aber dann hätte sie nicht so viel Spaß gehabt. Mandy spürte, dass er sich fast die Finger dabei brach. »Wahrscheinlich auch immer nur sexy Mädchen, oder schaust du nicht so aufs Aussehen?«, fragt sie ungerührt und betrachtete ihre Fingernägel. Der Barry White Song war zu Ende, nun trällerte Seal »A kiss from a rose« durch die schlechten Lautsprecher. »Die inneren Werte sind schon wichtig.« Endlich hatte er den Knoten geöffnet und lockerte nun die Schnüre, so dass die Korsage etwas nach unten rutschte. Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Rücken, seine Finger wanderten unter dem festen Stoff nach vorne und fanden ihre Brüste, die er hektisch knetete. »Also würdest du auch eine dickere abschleppen?«, gurrte sie, drückte den Rücken etwas durch und stöhnte heiser, als ob er sie mit seinen Berührungen geil machen würde, dabei hatte sie sich schon lange nicht mehr so trocken zwischen den Beinen gefühlt. »Kann ja was werden«, murmelte sie leise. »Was?«, fragte er, seine Lippen lagen nun auf ihrer Wirbelsäule. Mandy musste die Wölfin zurückhalten, die nach außen drängte und ihn verschlingen wollte. »Du hast mir nicht geantwortet. Würdest du auch eine Dickere abschleppen? Oder dich für sie interessieren?«
»Alles was du willst. Du bist so hot«, stöhnte er und zwirbelte ihre Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger. Mandy spürte weder Schmerz noch Erregung. Aber er ging nicht gerade zimperlich mit ihr um. Sie schälte sich aus der Korsage, drehte sich mit nacktem Oberkörper zu ihm um. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie ihn betrachtete. Er rasierte sich die Brust. Zu erkennen war das an den kurzen Stoppeln. Sie streckte die Hand aus und legte sie auf seinen Oberarm. Das Fleisch gab nach, doch sie konnte sein Begehren erkennen, als sie nach unten zu seiner Hose blickte. Sie hob den Blick wieder, spürte, wie sein Atem stockte, als er in ihre Augen sah, in denen grünliche Lichtfunken tanzen mussten. Wäre er einer ihresgleichen, könnte er sofort deuten, was mit ihr passierte. Die Wölfin war nicht mehr lange zurückzuhalten. Erneut knetete er ihre Brust mit beiden Händen. Mandy warf den Kopf nach hinten. Am liebsten hätte sie ihn in seinen Hals gebissen. Doch sie war noch nicht fertig mit ihm. Ohne Vorwarnung warf sich Ronny auf sie, hielt ihre Handgelenke fest, beugte den Kopf und näherte sich ihr mit seinem Mund, den sie früher so unglaublich sexy gefunden hatte. Mandy drehte den Kopf zur Seite, kicherte albern. Seine Lippen landeten auf ihrem Ohrläppchen. Er rieb sich auf ihr, die Hose immer noch angezogen, hob ihre Arme nach oben, hielt sie mit einer Hand fest und begann mit der anderen, an Mandys enger Latexhose herumzuzerren. Auf wundersame Weise schaffte er es, unter die Hose zu kommen und stöhnte verzückt auf, als er feststellte, dass sie kein Höschen trug. Seine Finger wanderten über ihren Hügel und fand ihre Mitte, die trocken war wie die Wüste Gobi. Das war der erste Schlag. Für einen kurzen Moment hielt er tatsächlich inne, nur um die Hand wieder hervorzuziehen und sie mit Spucke zu befeuchten. Gott, ist der ekelhaft. Mandy zog ihn hoch. Verwirrt blickte er sie an. »Du weißt nicht, wer ich bin, nicht wahr?« Wie ein nasser Sack lag er auf ihr, wischte seine Hand an seiner Couch ab, verzog den Mund zu einem Grinsen. »Lara … wie auch immer.« Er wollte wieder abtauchen, doch sie hielt ihn an den Armen fest, fester, als er es vermutlich gewohnt war. »Sieh mich an. Sieh mich genau an.«
»Aua, du tust mir weh. Kannst du bitte deine Krallen einfahren?« Sicher meinte er das im Spaß, nur Mandy wusste, dass es ernst war, denn ihre Transformation stand kurz davor. »Sieh. Mich. An«, knurrte sie. Ronny wankte leicht mit dem Oberkörper, doch sie hielt ihn fest umklammert. »Ich sehe dich an. Und? Ist das ein Sadomaso-Spiel? Fährst du darauf ab?« Mandy lachte rau, schubste ihn zurück. »Du Weichei. Wenn ich anfangen würde, würdest du um Gnade betteln.« Ronny strich sich durchs Haar, setzte sich bequemer hin. »Okay, was soll das sonst sein?«
»Kennst du noch Mandy?« Er tat, als müsse er überlegen. »Was ist? Kannst du dich nicht mehr erinnern?« Ronny schüttelte langsam den Kopf. Wut und Hass durchströmten sie bis in den letzten Teil ihres Körpers. Fauchend sprang sie auf ihn, fixierte seine Handgelenke unter ihren Knien und zerrte seinen Kopf zwischen ihre Beine. »Ey, wenn das eine Freundin von dir ist…«
»Sie ist nicht nur eine Freundin von mir. Ich bin Mandy. Sieh mich an, du verfickter Schlappschwanz.« Mit einem gefährlichen Grinsen spuckte sie die Worte auf ihn, so als hätte sie einen schlechten Geschmack im Mund. Ronny erstarrte unter ihr. »Was … wie … soll das möglich sein? Wollt ihr euch rächen? Ist es das? Ja, lustig. War ein Riesenspaß und jetzt geh von mir runter und hau ab, Schlampe.« In ihrem zusammengepressten Kiefer zuckte ein Muskel, sie konnte ihn spüren. Sie konnte sie spüren. Die Wölfin. »Ich will mich nicht einfach nur rächen, Ronnylein. Ich will die nächsten paar Stunden Spaß mit dir haben. Meine Art von Spaß.« Ronny schnaubte unter ihr. Verächtlich. »Hör zu, Bitch. Richte Mandy meine Entschuldigung aus, okay? Und jetzt steh auf. Ich hab keinen Bock mehr auf dich. Steh nicht auf Dominas.« Ein irres Lachen kam aus Mandys Kehle. Sie streichelte seine Wange, fuhr mit dem Daumen über seine Unterlippe, näherte sich, roch an ihm. »Du riechst so gut. Ein saftiges Steak riecht schlechter, denn das ist tot. Aber du… dein Fleisch lebt, das Blut pulsiert, schneller und immer schneller. Mein Aphrodisiakum.« Sie wandte sich zu seinem Nacken, hinauf zum Ohr, leckte die Ohrmuschel, knabberte daran. Sanft, stöhnte leise, so dass sie den Schauer, der durch seinen Körper fuhr, an ihren Beinen spürte. Er entspannte sich etwas, glaubte wohl, er käme doch noch zum Zug. Während sie das Salz auf seiner Haut ableckte, wanderte sie mit den Lippen wieder zum Hals. Und endlich übergab sie ihren Körper an die Wölfin. Wie ein Rausch kam es über sie. Gleich würde sie nicht mehr sprechen können. »Rache ist süß, Ronny. So süß wie dein Fleisch mit einer Prise Adrenalin.«