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1.4.5.1. Apatheia (oder Leidenschaftslosigkeit)

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Evagrios warnt davor, die eigene geistliche Entwicklung als Verdienst unseres Tuns zu feiern. Nach ihm ist jede Tugend, jedes Wissen, jeder Sieg über die Leidenschaften eine Gnade Gottes. Nur durch diese Gnade kann der Mensch zur wahren Erkenntnis und zum Heil gelangen.179 Der menschliche Anteil daran ist keinesfalls Ersatz für den Glauben, im Gegenteil. Bunge kommentiert dazu:

Allerdings hat es mit dieser Wüstenväterpsychologie eine besondere Bewandtnis. Sie ist keine Spezialwissenschaft, vergleichbar der modernen Psychologie und Psychoanalyse, sondern integraler Bestandteil dessen, was die Alten ‚Erkenntnis’ nannten. Dies als Frucht göttlicher Gnade und menschlichen Mühens verstandene christliche „Gnosis“ umfasst Physik und Metaphysik, Philosophie und Theologie, Praxis und Theorie in einer großartigen Zusammenschau der geschöpflichen Wirklichkeit.180

Nach Bunge ist die Rolle der Gnade durch die Heilstat Jesu bei Evagrios bisher kaum erkannt worden. Für Evagrios ist der Kampf gegen die Leidenschaften bzw. die Dämonen ohne den Glauben an Gottes Beistand gotteslästerlich, weil damit Gottes Sieg über das Böse und Satan aberkannt werde.181 Nur wer sich selbst beobachtet und in Vertrauen auf Gottes Hilfe die Leidenschaften zu Tugenden macht, kann in den Zustand der Leidenschaftslosigkeit gelangen.

Der bewusste Umgang mit den Leidenschaften ist lediglich ein Schritt, in dem der Mensch sich bereit erklärt, Gottes Gnade zu empfangen.182 In den Worten des Thomas von Aquin in seinem Hauptwerk, der Summa Theologica, ist „die Vorbereitung zur Gnade nichts anderes als das Sich-Hinwenden zu Gott“183. Thomas verwendet die Stelle beim Propheten Sacharja 1, 3: „Kehrt um zu mir – Spruch des Herrn der Heere –, dann kehre ich um zu euch“. Diese Zeile des Propheten bedeutet, „dass der Mensch sich durch sich selbst zur Gnade vorbereiten kann ohne die Hilfe der Gnade.“184 Thomas bleibt aber nicht dabei; er verweist auf eine Stelle im Evangelium nach Johannes 6, 44: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt“. Daraus schließt er, dass der Mensch sich selbst nicht zur Gnade vorbereiten könne, ohne die Hilfe der Gnade, denn: „Wenn […] der Mensch sich selbst vorbereiten könnte, brauchte er nicht von einem anderen gezogen zu werden.“185 Schlussfolgernd kommt Thomas zur Überzeugung, dass zur Vorbereitung auf die Gnade Gottes beides notwendig sei: das Wirken Gottes und das eigene Bemühen des Menschen.186 Somit steht auch Thomas von Aquin in der Denkrichtung und der Linie der Theologie des Evagrios.

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