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Selbstzwänge und instrumentelle Rationalität

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Die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte des Kapitalismus geht mit einer veränderten Sozialisation der Menschen einher. Norbert Elias (1976, 1988) hat herausgearbeitet, dass Menschen Selbstzwänge gegenüber Fremdzwängen bevorzugen und in der kapitalistischen Lebensform auch benötigen. Hierbei ist es notwendig, die eigene Lebenszeit in ihren Phasen des Heranwachsens, der Ausbildung, der Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen in die eigene Hand zu nehmen, sich selbst zu motivieren, den eigenen Erfolg durch Ausdauer und Langsicht zu kontrollieren, Kooperation und Kommunikation mit anderen auf Zeit einzugehen. Vor allem das Zeitverständnis verändert sich:7 »Zeit wird unterschiedlich zum Raum gesehen, weil sie leichter verändert und manipuliert – und besonders bedeutsam verkürzt, weniger kostspielig und so produktiver – gestaltet werden kann. Benjamin Franklins berühmte Aussage lautet: ›Zeit ist Geld‹; er konnte diese Erklärung mit Überzeugung abgeben, weil er den Menschen zuvor bereits als ›werkzeugmachendes Tier‹ definiert hatte.« (Bauman 2000 b, 173)

Die instrumentelle Rationalität der Moderne sieht neben der Zeit auch den Raum als wichtig an. Er repräsentiert neben der Weite der Welt immer auch die Kostbarkeit des Privatbesitzes, der demonstrativ nach außen als solide und vermögend gebaut wird, nach innen jedoch zweckrational auf Verwertbarkeit der kostbaren Zeit und des knappen Raums durch Aufteilung in mehr oder minder luxuriös nutzbare Zimmer zu Hause oder produktive Stätten in Unternehmen gestaltet ist. Andere Räume, die etwa der Erziehung oder Krankheit dienen, werden dagegen eher sparsam und kostensparend ausgestattet; Natur- und Umwelträume scheinen einfachhin grenzenlos. Gern vergessen die kapitalistisch erfolgreichen Länder die Flächen, die für ihr Vorhaben eingenommen werden müssen. Es ist der äußere Raum der Eroberungen fremder Länder, der Gewinnung von Rohstoffen und Ressourcen, der Gefangennahme, Versklavung, Migration von Arbeitskräften, der Erschließung von Märkten, der Globalisierung. Es gibt eine enge Verbindung von zeitlicher Entwicklung in der Moderne und Flächenbedarf. Der Raum ist im Laufe der Moderne auf der Basis überkommener Besitzverhältnisse zunächst in den freien Flächen verknappt und in den Bebauungen verdichtet worden. Einerseits werden Räume durch kriegerische Handlungen von den Nationen erobert, verloren, auf die Gewinnung von Kolonien verschoben, andererseits führt das wachsende Privateigentum dazu, dass fast alle vorhandenen Flächen in Privatbesitz überführt werden. Der Raum der Welt wird nicht nur immer genauer in der Moderne kartografiert, er wird auch parzelliert und verrechtlicht. Inklusion und Exklusion nach Besitzregeln, nach Zugehörigkeit und Verweigerung des Eintritts, dies sind Grundmerkmale einer Raummacht, die eingezäunt und durch Besitzregeln überwacht wird. Dieser Teil wird in der Nachhaltigkeitsagenda fast immer verschwiegen. Wie sollen wir nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Zukunft hinterlassen, wenn diese bereits in die überkommenen Besitzverhältnisse so aufgeteilt ist, dass es kaum noch Spielraum für neue Verteilungen des Raums der Welt gibt?

Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde Band 2

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