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8 Jahre zuvor

Sie kauerte in einer Ecke, mit nichts, als einer Hose und einem Top, das sie ihr gelassen hatten. Ihre Arme waren bleiern schwer und schmerzten. Sie konnte sie kaum bewegen, selbst zum Essen und Trinken nicht. Ihre Schultern fühlten sich an wie ausgekugelt. Ihre Lippen waren trocken und rau. Sie konnte nur durch den Mund atmen, ihre Nase war gebrochen. Carly hatte ihren Kopf an die kühle Wand gelehnt, stumme Tränen rannen über ihr Gesicht. Ihr Innerstes fühlte sich leer und hohl an. Seltsam kalt und dumpf. Ihr Kopf versuchte sich noch durch den Nebel der Bilder und Erinnerungen zu kämpfen.

Es war, als hätte sie im Koma gelegen und wäre jetzt aufgewacht. Und sie konnte Traum von Realität nicht unterscheiden. Was war wahr, was nicht? Carly. Sie wusste nichts. Wer war sie überhaupt in Wirklichkeit? Ihre Schläfen pochten. Carly. Sie schloss die Augen. Hatte sie je eine Kindheit? Hatte sie je einen richtigen Namen? Carly? Hatte sie ein hübsches Kinderzimmer mit einem Hochbett? Hatte sie eine Wand, an der sich ein Bild, gemalt von ihr und ihrer Mutter, befand? In einem hübschen Haus mit Garten?

Carly! Hatte sie überhaupt eine Mutter? Sie erinnerte sich an das Gefühl von Dreck unter ihren Fingernägeln. An den Geruch von alten Pappkartons, die sie einigermaßen warm hielten. An den Geschmack von alten, harten Brötchen auf ihrer Zunge.

„28!“ Carly öffnete müde die Augen.

Amber kniete sich vor sie. „Wie geht es deinen Armen?“

Carly sah sie ausdruckslos an. Amber schnaubte. „Du musst essen.“

Essen. Bei dem Gedanken wurde sie wütend. Sie wusste nicht mal warum. Sie war auf alles und jeden wütend. Sogar auf Amber, obwohl diese nichts dafür konnte, dass man Carly damals in eine solche Familie gegeben hatte, die ihr ein heiles Familienleben vorgegaukelt hatten. Doch für Carly hatte sich einiges erklärt. Warum sie so unbedingt in die Akademie sollte. Warum sie sich von Tate fern halten sollte. Sie hätte ihren Job nicht ausführen können. Carly schüttelte den Kopf. All diese Erinnerungen hämmerten auf ihren Kopf ein wie eine Migräne. Amber riss ein Stück von dem Brot ab und führte es Carly an den Mund. Doch Carly drehte bloß den Kopf weg.

„Du musst essen!“ flüsterte Amber eindringlich. „Komm schon, Carly, bitte.“

Nun sah Carly Amber böse an. „Ich bin nicht Carly!“

Amber hielt inne und schüttelte den Kopf. „Du darfst dich von ihnen nicht so zerstören lassen. Lass dich nicht zerreißen. Das bist du nicht.“

„Ich bin Viper 28“, flüsterte Carly nun und lehnte den Kopf mit leerem Blick an die kalte Wand. „Ich bin Viper 28.“

Amber warf wütend das Brot durch den kahlen Raum, der nur aus rohem Putz bestand.

„Weg da!“ schnauzte sie jemand durch ein schmales Fenster in der Tür an.

Sie zeigte ihm den Mittelfinger. „Poshel ty mudak.“

Er öffnete die Tür. Amber stand auf und wappnete sich innerlich. Grinsens klopfte er mit einem Schlagstock in seine Handinnenfläche und trat auf Amber zu. Im Hintergrund standen zwei weitere Männer und beobachteten das Spiel.

„Sag das noch mal, Deserteur Schlampe.“ Er stieß sie mit dem Schlagstock gegen die Schulter, die ihr ohne hin noch schmerzte. Doch Amber hatte schon längst gelernt mit Schmerz umzugehen. Sie rotzte ihm ins Gesicht. „Verpiss dich, Arschloch.“

Der Schlagstock sauste in ihr Gesicht, zwei Mal, drei Mal, vier Mal. Es war, als hätte sie einen Stein im Mund gehabt. Amber nahm vage wahr, wie sie einen ihrer Zähne ausspuckte. Dann fiel sie zu Boden und verlor das Bewusstsein. Doch ehe sie am Boden aufschlug, sah sie Carly in der Ecke sitzen. Sie beobachtete das Ganze teilnahmslos, desinteressiert, ungerührt. Das war nicht die Carly, die Amber vor einigen Wochen kennen gelernt hatte. Denn diese würde wütend aufspringen.

Amber hatte Carly kaum gekannt und doch hatte sie das Gefühl, ihr vertrauen zu können. Ein Gefühl dem sie selbst kaum getraut hatte. Nun hatten sie Carly zerbrochen.

Geschändete Seelen

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