Читать книгу Geschändete Seelen - Kim Mevo - Страница 6
4
Оглавление8 Jahre zuvor
Als Carly wieder zu Bewusstsein kam, hörte sie ein leises Geräusch. Doch es fiel ihr schwer, den Kopf zu heben, oder überhaupt die Augen zu öffnen. Ihr rechtes Lid war geschwollen und ihre Braue schien zu pochen. Als sie ihr Gesicht verzog, spürte sie etwas Klebriges im Gesicht, das getrocknet war.
„Psst, Carly“, flüsterte Amber nun.
Carly hustete. Langsam nur schaffte sie es, die Augen zu öffnen und nahm einen roten Schleier im rechten Auge wahr. Langsam dämmerte ihr, dass sie geblutet haben musste, wo er sie ins Gesicht geschlagen hatte. Amber sah entsetzlich aus, sicher schlimmer noch, als Carly selbst. Ihr Gesicht war an der rechten Seite blau und grün, auf der anderen Seite hatte sie eine böse Schürfwunde am Kinn. Amber sah Carly besorgt an. „Wie geht es dir?“
Carly schnaubte. „Wie es mir geht? Du bist... sie haben dich umgefahren.“
Carly spürte, dass ein Schluchzen ihre Kehle hinauf drang. Amber schüttelte den Kopf. „Nicht weinen... beruhige dich.“ Sie riss an ihren Ketten. „Hast du mitbekommen, wo sie uns hingebracht haben?“
Carly schüttelte den Kopf. Amber fluchte.
„Amber, was wollen die von uns?“ flüsterte Carly, mit einem Anflug von Panik in der Stimme.
„Ich hätte damit gerechnet, dass sie mich töten wollen. Aber warum sie auch dich mit geschleppt haben... da bin ich mir nicht sicher.“
„Sie haben mich nach meinem Namen gefragt?“
Amber riss die Augen auf. „Bitte nicht...deswegen.“
„Er hat mich geschlagen und...“
„Ist dir klar, dass sie deine Familie finden werden? Sie werden alle Druckmittel nutzen, um aus dir heraus zu bekommen, was ich dir erzählt habe. Und dann werden sie alle töten. Dich, mich, deine Familie, Freunde. Einfach alle.“
„Aber warum?“
„Sie haben vielleicht Sorge, dass meine Informationen zu weit verbreitet wurden. Und wenn sie herausgefunden haben, wo du her kommst, Carly...“ Amber hielt inne. „Hast du ihm davon erzählt?“
„Nein! Natürlich nicht.“
Amber atmete auf. „Gut so.“
Carly bekam erneut Panik. Was, wenn sie von dem Telefonat wussten und Tate mit rein gezogen wurde? Dann kam Carly ein anderer Gedanke. „Aber Landon...“
„Was.. wer?“
„Der Typ, der bei mir stand.“
Amber stieß den Atem aus. „Warte, du hast ihn gekannt?“
„Sonst wäre ich nicht mit ihm stehen geblieben und hätte mit ihm geredet. Für wie blöd hältst du mich?“
„Ja.“ Amber nickte. „Das macht Sinn. Ich habe dich schon für völlig bescheuert gehalten.“
„Wie nett von dir“, zischte Carly.
„Woher kennst du ihn?“ „Von der Akademie.“
Amber hielt inne. Als sie eine Weile nichts mehr sagte, sah Carly sie schief an. „Warum? Gehört er zu ihnen? Was hat er mit den Leuten zu schaffen? Oder arbeiten sie doch für die Regierung?“
Amber schnaubte höhnisch. „Glaub mir, mit der amerikanischen Regierung, hat das hier nichts zu tun.“
„Aber warum ist er dann bei ihnen?“
„Weil...“ Amber holte tief Luft. „Er ist einer wie ich.“
Carly runzelte die Stirn. „Was soll das heißen? Wie du?“
„Er wurde als Kind entführt, Carly.“
„Das ist unmöglich. Sein Vater arbeitet für die Regierung.“ „Richtig. Er hatte die nötigen Mittel, die Wanze einzuschleusen.“
„Die Wanze? Was redest du da?“
„Die unterlaufen die Regierung!“ fauchte Amber. „Verstehst du es wirklich nicht? Wir wurden ausgebildet, um zu töten. Und die, die uns ausgebildet haben, haben es auf das Ministerium der Vereinigten Staaten abgesehen.“
„Und was zu tun?“
„Was weiß ich denn? Um sie zu stürzen? Um sich zu rächen? Man hat uns bloß gesagt, wie beschissen die USA sind, womit sie Recht haben. Aber das rechtfertigt ihre Mittel nicht.“
„Warte...“ Carly schüttelte den Kopf. „Das heißt, Landon hat darauf hingearbeitet...“
„Er ist ein Doppelagent, Carly. Dazu wurde er ausgebildet. Es gibt zweierlei von uns. Es gibt die Rekruten und es gibt die Wanzen.“
„Re... das ist bescheuert!“
„Sag das mal denen.“ Amber rollte mit den Augen.
Dann schauderte Carly. „Ich war mal mit ihm zusammen... nein, ich hätte das mitbekommen, wenn er... nein, unmöglich. Außerdem ist er noch fast ein Kind. “
Amber schnaubte. „Was glaubst du, wie alt ich war, als sie mich ausgebildet haben? Du bist wirklich naiv.“
„Ja und du allwissend, oder wie?“
„Ok, ich erkläre dir, wie das läuft. Die Wanzen wurden in Familien der Aktivisten aufgenommen. Davon hast du doch sicher gehört?“
„Die Kinder, die aus Heimen verschwunden waren. Klar, wir haben schon Mal drüber gesprochen.“
„Ja, genau. Also, manche kamen in ein Lager, so wie ich. Man nennt uns Viper, wir sind so was, wie Schattenkrieger.“
Bei dem Wort Viper, wird Carly schwindelig. Es brannte sich in ihr Gedächtnis und hallte in ihrem Kopf wieder. Was für ein bescheuerter Begriff. Aber gleichermaßen auch erschreckend.
„Schattenkrieger, wie... Ninja?“
„Nenn es wie du willst. Jedenfalls“, Amber sah sich um, „gab es auch jene, die in diese Familien aufgenommen wurden. Sie wurden intern beschult und ausgebildet. Man hat eng mit Ärzten gearbeitet und sie wurden hypnotisiert.“
„Wozu?“
„Sie haben eine Art... Schizophrenie erschaffen.“
Carly blinzelte sie ungläubig an. „Eine gespaltene Persönlichkeit?“
„Es gab die Personen, die ein normales Familienleben führten, sie gingen zur Schule, hatten Freunde und wirkten völlig normal. Und die anderen Personen, die Viper in ihnen, wurden unter Hypnose zum Kampf ausgebildet, ebenso um zu töten. Loyale Maschinen, die den Aktivisten gehorsam leisten und sich irgendwann in die Regierung einschleichen. Doppelagenten, verstehst du? So wie dieser...dieser...“
„Landon.“
„Ja genau.“
„Aber er war völlig normal.“
„Richtig und das ist die Krux der Geschichte. Er wurde aktiviert.“
„Was? Oh bitte, Amber...“
„Das war Teil der Hypnose. Nur so, konnten sie ihre Wanzen authentisch einschleusen. Und er wusste es selbst nicht, bis das Codewort gesagt wird und zack“, Ambers Augen leuchteten, als sie Carly davon erzählte, „dann sind sie nicht mehr die lieben und netten Menschen, die man vorher gekannt hat. Es sind Killermaschinen. Und dieser Typ, den du als Landon gekannt hast, vergesse ihn. Er existiert nicht mehr.“
„Blödsinn...“
„Landon ist tot, Carly. Sein Geist ist gestorben, als sie das Codewort in sein Ohr geflüstert haben.“
Carly sah Amber fassungslos an und spürte kaum, wie sie unaufhörlich den Kopf schüttelte. Tat sie das schon die ganze Zeit? Das was Amber ihr da erzählte, klang eher wie eine Story aus einem Actionroman. Oder einem Krimi. Es klang völlig unlogisch, und doch irgendwie auch beängstigend real. Was, wenn Amber recht hatte? Was, wenn es wirklich so eine Art psychotische, schizophrene Art Killermaschinen gab? Was, wenn sie recht hatte und Landon einer davon war? War das möglich?