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Viper 28 saß an einem Stuhl gefesselt an einem Tisch aus Metall. Der Mann, den sie Jahre lang als Vater gekannt hatte, saß ihr gegenüber. Wie er ihr so gegenüber saß und sie musterte, erinnerte sie sich daran, wie er ihr das Schießen beibrachte. Sie waren tief in den Wald gefahren, um zu jagen und zu üben. Ein Campingwochenende, hatte sie es genannt, als ihre Tante Rachel nachfragte. Das war die offizielle Version ihrer Ausflüge.

Tante Rachel, die keine Ahnung hatte, welche Lügen ihr unterbreitet wurden, von ihrer eigenen Schwester und deren Mann. Ihren ersten Hirsch legte sie mit neun Jahren. Am selben Wochenende brachte ihr Avery bei, wie man das Tier auseinander nahm, wenn man es erlegt hatte. Avery reckte das Kinn. „Erinnerst du dich daran, wie du fast die Katze von unserem Nachbarn ertränkt hast?“

Viper 28 schüttelte den Kopf, dabei fiel es ihr wieder ein, als er es erwähnte. Sie hatten es eine Störung der Züge genannt. Obwohl sie nicht aktiviert wurde, neigte sie hin und wieder dazu, Dinge zu tun, die normale Kinder nicht taten. Wie eine Art Kurzschluss, wenn die Persönlichkeiten ineinander griffen und sich vermischten.

Sie hatte den Kopf des Tieres in den Teich gehalten und seelenruhig dabei zugesehen, wie er sich wehrte und versuchte sich aus seiner hilflosen Situation zu befreien. Avery hatte sie schließlich noch aufhalten können und ihr erklärt, dass sie so etwas in ihrer Umgebung nicht tun durfte.

Etwas in ihr wehrte sich gegen diese Erinnerung. Ihr Magen fühlte sich seltsam an und ihre Wangen wurden feucht. Etwas tropfte auf ihr Top. Avery schüttelte den Kopf. „Wehre dich nicht dagegen. Das ist deine Natur.“

Sie nickte hölzern. „Wir töten.“

„Richtig.“ Avery schluckte beklommen. Es fiel ihm schwer, ihr gegenüber zu sitzen und das tun zu müssen. Er räusperte sich. „Du hast einen Schalter in dir. Knips die Emotionen einfach aus, Viper.“

„Werde auch ich meine Eltern töten müssen?“ Ein kaltes Lächeln huschte über ihre Lippen, während sie Avery nüchtern anblickte.

Avery zuckte innerlich zusammen. Es würde ihn nicht wundern, schließlich hatte er seine Arbeit erledigt. Sie war fertig. Es war, als habe ein Künstler seine Lebensaufgabe vollendet. Doch erst in den nächsten zwei Wochen würde sich herausstellen, wie effektiv und gut seine Arbeit war.

Sie mussten Viper 28 gut beobachten, sie durchleuchten und ihre Absichten hinterfragen. War sie so weit in ihrem Kopf befreit, dass sie der AD´V´C ihre Loyalität schwören konnte? Über viele Jahre hatte man sie hypnotisiert, analysiert, operiert, an ihr experimentiert. Würde sich all das auszahlen? Hatte sie sich von ihrer zweiten Persönlichkeit völlig losgelöst?

Nur dann war sie sinnvoll und verlässlich einzusetzen. Avery nickte. „Meine Zeit wird kommen, zu der ich, zu Willen der AD`V`C, abtrete.“

„Gut.“ Sie lächelte, fast amüsiert, doch es erreichte ihre Augen nicht.

Sie wirkten wie Milchglas, ihr Blick weit entfernt und trübe. Es war gut, dass seine Frau das nicht mehr miterleben musste. Es hätte sie zerbrochen. Carol wäre daran zugrunde gegangen, Carly nun so zu sehen. Sie hatte all das nie gewollt. Und genau das war ihr zum Verhängnis geworden. Gegen jede Regel, hatte sie dieses Mädchen mehr in ihr Herz gelassen, als sie durfte und sollte.

Schon als sie Lynn damals aus dem Heim holten, als sie das Büro betraten und Carol dieses kleine rothaarige Mädchen sah, wusste Avery, dass etwas anders war, als bei ihren vorigen Aufträgen. Er hatte ihr Lächeln gesehen, als sich Lynn auf Carols Schoß setzte. Manchmal war es auch für ihn zu surreal, viel zu verzerrt und verwirrend.

Dieses Mädchen, das herrlich lachte und mit dem Sohn der eigenen Freunde, spielte und andererseits das Kind, das töten konnte, ohne mit der Wimper zu zucken. Vielleicht, auch wenn Avery dies nie laut zugeben würde, fiel es ihm aus gleichen Gründen schwer, aus denen es Carol so schlecht damit ging.

Aber sie hatten Lynn dazu gemacht. Und es hatte Carol schon damals nie gefallen. Sie hatte immer versucht, sich dagegen zu wehren, hatte versucht sie zu beschützen. Avery war machtlos dagegen gewesen. Und dafür zahlte er einen hohen Preis.

Geschändete Seelen

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