Читать книгу Geschändete Seelen - Kim Mevo - Страница 18
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ОглавлениеCarly
Sie fingen früh an. Carly wollte sich den Bericht des gefassten Partisan ansehen, doch der war wenig informativ, so wie sie es bereits ahnte. Keiner der Viper redete. Sie waren auf strikte Loyalität geschult worden und absolute Verschwiegenheit im Verhör. In einer Stunde würden sie ihn versetzen. Man hatte ihm einen sicheren Raum vorbereitet, in dem man ihn, gleich vor Ort im Pentagon, verhören konnte. Carly sah sich den Bericht der Profiler an. Die Beschreibung passte auf jeden Dritten der Viper Mitglieder. Bisher hatte sie sich auch nicht die Mühe gemacht, den schon gefassten unter die Lupe zu nehmen.
Wer von ihnen konnte es sein, den sie gefasst hatten? Vielleicht würde sich Aiden später darum kümmern. Carly rieb ihre Schläfen. Obwohl sie die gestrige Kneipentour abgesagt hatte, fühlte sie sich schlapp und müde. Wieder hatte sie einen dieser Träume, die sie aus dem Schlaf rissen. Sie hatte geweint, als sie wach wurde, so wie sie es oft tat. Sie hatte von Tate geträumt, wie sie damals gemeinsam als Kinder gespielt hatten. Dass sie ihn hier wieder getroffen hatte, hatte sie, zugegeben, etwas aus der Bahn geworfen. Sie war ziemlich erleichtert, als bloß Agent Oconnel und Agent Bouchard bei den weiteren Ermittlungen dabei waren. Auch wenn sie weder den einen, noch den anderen, leiden konnte.
Vielleicht hatte Tate auch darum gebeten, sich lieber um andere Dinge kümmern zu können. Als sie ein Blatt in der Hand hielt, fiel ihr Blick auf ihren Ehering. Du bist also jetzt verheiratet? Es hatte ihn verletzt, das hatte sie in seinen Augen gesehen. Und es war Carly unangenehm gewesen, dass ihm der Ring aufgefallen war. Wenn sie ihm bloß erklären könnte, was in den letzten Jahren passiert war. Nein, was ihr ganzes Leben schon schief gelaufen war. Falsche Eltern, eine falsche Kindheit, die Ausbildung zu einer Viper unter Hypnose und ihre Aktivierung vor acht Jahren, als sie Amber und sie gefasst hatten. Es gab so viel, was sie Tate erzählen wollte. Aber sie konnte es nicht. Sie durfte es nicht. Es würde ihn in Gefahr bringen. Schon jetzt war er ihrem Mann aufgefallen und dieser wusste genau, wer Tate war. Und sie wusste, dass er sie beobachten ließ.
Aiden war nahezu immer in ihrer Nähe. Ihr Mann würde nicht zögern, Tate zu töten, wenn er ihnen in die Quere kam. Und besonders, wenn er ihr zu nahe kam. Auch ihr würde es nicht gut tun. Es würde sie wieder zerbrechen, so wie damals. Tate hatte einfach weiter gemacht. Er hatte sein Ziel erreicht, zum FBI zu gelangen und dort zu arbeiten. Und Carly hing viel zu tief in einem Kreis, den sie nie wieder loswerden würde. Wenn einen die AD´V´C einmal ausgesucht und eingespannt hatte, würde sie ihn auch bis in den Tod begleiten. Das hatten sie ihr selbst gesagt.
Cerys redete und redete neben Carly, stellte komplizierte Überlegungen an, als sie sich die Muster mit Colonel Prick ansah. Eigentlich hätte Carly dabei sein sollen, Mitten im Gespräch. Doch sie war in Gedanken ganz wo anders. Als sie blinzelnd auf sah, bemerkte sie, wie Aiden sie beobachtete. Sie wusste, dass sie zu auffällig war. Er würde es merken.
Viper waren sehr feinfühlig und konnten gut beobachten. Sie schenkte ihm ein schmales Lächeln. Er nickte ihr zu und ließ seine Finger über einige Bilder gleiten. Dann, kaum dass Carly es bemerkte, tippte sein kleiner Finger auf eines in der Mitte, auf dem das Parlament abgebildet war. Aiden räusperte sich, als er sich Colonel Prick zuwendete.
„Ist am 15 August um 8.15 Uhr nicht diese Benefiz Gala?“
Nun warf er auch Carly einen vielsagenden Blick zu. Ein Zeichen. Colonel Prick nickte. „Ähm, um 8, ja. Was ist damit?“
„Wäre es nicht möglich... ich meine, soviel ich weiß, wird die First Lady dort sein, richtig?“
Colonel Prick sah ihn alarmiert an. „Aber warum sollten sie es auf sie absehen?“
„Ich mein nur. Sie sollte vorsichtig sein, wo hin sie ihre Ausflüge plant.“
Colonel Prick nickte. „Da haben Sie wohl Recht. Der Secret Service ist überall an ihrer Seite, doch man weiß nicht, was für kranke Pläne die AD`V`C noch schmieden. Ich werde diese Überlegung umgehend weiterleiten.“
Carly schürzt die Lippen. Am 15 August also. Das war in vier Tagen. Während sich Colonel Prick entschuldigte, um zu telefonieren, machte der Rest der Gruppe eine Kaffeepause. Aiden ging eng an Carly vorbei, als er flüsterte: „Wir brauchen Zutritt in die Waffenkammer. Lass dir was einfallen.“
Carly reagierte nicht, trotzdem wusste er, dass sie es gehört hatte. Hätte sie aber genickt, wäre es zu auffällig gewesen. Carly blieb alleine im Raum zurück und schlenderte um den Tisch herum. Dann warf sie einen Blick auf das Bild, dass das Parlament zeigte. Was hatten sie vor?
Sie saß am oberen Absatz der Treppe. Ihre neue Mommy war den ganzen Morgen schon nervös gewesen. Beim Frühstück hatte sie kaum still sitzen können und trank einen Kaffee nach dem anderen. Ihr Mann hatte schmunzelnd den Kopf geschüttelt und gesagt, dass das nicht wirklich helfen würde. Heute würde Lynn jemanden ganz Wichtiges kennen lernen. Mommy hatte gesagt, dass Lynn sie mögen würde. Aber es war wichtig, dass sie sich an ihren neuen Namen gewöhnte. Carly.
Ihr neuer Daddy kam aus dem Schlafzimmer und lächelte, als er sie dort sitzen sah. „Hat sie dich mit ihrer Aufregung angesteckt?“
Lynn zuckte ihre schmalen Schultern. Für einen Moment dachte sie, er würde einfach weiter gehen, als er die ersten beiden Stufen hinab stieg. Doch dann setzte er sich neben sie auf die Treppe. „Sie ist eine nette Frau.“ Er räusperte sich und fühlte sich wohl etwas unbehaglich. „Carol... deine Mom, hat sie sehr lieb. Sie ist ihre Schwester.“
Es war das erste Mal, dass er sie so nannte. Ihre Mom. Auch, dass er nun Lynns Hand nahm und sie hielt, war neu. Bisher hatte er den engeren Kontakt zu ihr immer vermieden.
„Ich möchte, dass du weißt, dass auch ich dich gerne aufnehme, ok?“ Seine Stirn bildete tiefe Falten. „Ich bin bloß nicht so geschickt darin, das zu zeigen.“
Lynn nickte. „Ich möchte nicht, dass du sie anschreist.“
Er blinzelte verblüfft und musterte Lynn.
„Manchmal, wenn ihr streitet, habe ich Angst vor dir“, flüsterte sie.
Avery nickte langsam. „Ich möchte nicht, dass du Angst vor mir hast.“
„Gut.“ Lynn stand auf und stieg die beiden Stufen hinauf. Kaum das sie oben angekommen war, hielt sie inne. Dann wirbelte sie herum und gab ihm einen Kuss auf die Wange, ehe sie auf ihrem Zimmer verschwand. Vielleicht war er gar nicht so schlimm, wie sie zu Beginn dachte. Sie hatte gesehen, wie er ihre Mommy in den letzten Tagen angesehen hatte, wie er gelächelt hatte, als er sie lächeln sah. Als sie das erste Mal richtig glücklich wirkte. Er hatte sie oft in den Arm genommen und geküsst. Lynn hatte das Gefühl, dass sich etwas verändert hatte, seit sie das Haus gekauft hatten. Und vielleicht gab es doch die Möglichkeit für sie, ein Leben zu haben, wie sie es sich nie zu träumen gewagt hatte.
Carly schreckte aus dem Schlaf hoch, als ihr Wecker klingelte. Zittrig wischte sie mit ihrer Hand über ihre schweißnasse Stirn. Sie hasste es, von ihrer Kindheit zu träumen. Doch es wurde mit der Zeit immer schlimmer, desto mehr passierte. Vielleicht setzte ihr die derzeitige Situation auch einfach zu sehr zu. Die fortlaufende Recherche für die AD´V´C, Avery, die Zusammenarbeit mit dem FBI. Und vor allem Tate.
Sie schwang die Beine über den Bettrand und schleppte sich ins Badezimmer. Im Spiegel entdeckte sie dunkle Schatten unter ihren Augen. Alles war noch viel einfacher, als sie ihren Job als Doppelagentin ausrichten konnte, ohne noch zusätzlich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert zu werden. Doch nun, wo sie auf Tate getroffen war, arbeitete so viel in ihrem Kopf. So viele Gedanken. Und Emotionen, etwas von dem sie längst gelernt hatte, es ausschalten zu können. Doch seit sie hier waren, ging es einfach nicht. Ihr Herz pochte, wenn sie nur an ihn dachte. Sie würde ihm so gerne erklären, warum sie damals nicht mehr zurückgekommen war. Wer sie wirklich war. Doch würde er ihr überhaupt glauben? Und wenn er das tat, würde er sie nicht verurteilen und das zu Recht? Sie war eine Verräterin, ein Spion. Und dann musste sie sich fragen, ob sie überhaupt je diese Carly gewesen war, die sie ihm vorgegeben hatte, zu sein.
So viel war passiert. Carly wusste selbst nicht, wer sie war. War sie eine NSA Agentin, oder doch eine Spionin der AD´V´C? War sie Carly oder Viper 28?
Morgen würde es losgehen. Ihr Mann hatte sie angerufen und darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie den russischen Außenminister ins Visier genommen hatten. Sorokin hatte im Inland bereits für alle Vorkehrungen gesorgt, wo sie derzeit die russische Regierung unter Druck setzten. Carly wusste um die derzeitige Krise, über die Einmischung der russischen Regierung in Auslandskriege. Genau das war es, was Sorokin stoppen wollte.
Warum sollten sie die Söhne und Töchter ihres Landes in einen Krieg und in den möglichen Tod für etwas schicken, das sie selbst nicht betraf, so Sorokin. Warum schickte das US Ministerium nicht ihre eigenen Leute in den Tod, gleich an der Front? Es war immer leicht, andere zu opfern, statt sich dem Problem selbst zu stellen. Und wenn man es nicht anders stoppen konnte, dann musste man eben einen Keil zwischen Russland und die USA rammen. Es würde den Anschein machen, als habe die USA die Entführung geplant. Doch dazu benötigten sie den Zutritt in die Waffenkammer, um es authentisch wirken zu lassen.
Jedoch hatte Carly noch keine Ahnung, wie sie dort hinein gelangen sollte, ohne bemerkt zu werden. Morgen Nachmittag würden sie den Außenminister in das Parlament in DC bringen und dort vor laufenden Kameras exekutieren. Carly beobachtete nun schon seit drei Tagen, wer Zutritt in den abgeschotteten Bereich hatte. Jeder, der sich im Pentagon bewegte, hatte seine eigene Identifikationskarte, die nur Zutritt zu bestimmten Bereichen zuließ. Carly würde mit ihrer eigenen Karte, die sie von Colonel Prick bekommen hatte, nicht hinein gelangen. Sie war nur für Besucher. Stellte sich also die Frage, wie sie an ebenso eine Karte gelangte.
Aiden wirkte schon reichlich nervös, während sie mit dem FBI an dem Fall des Partisan arbeiteten. Der Gefangene hatte noch immer keinen Hinweis gegeben, was nur wieder die Loyalität der Partisanen bewies. Auch die russische Regierung war mittlerweile eingeschaltet. Sie hatten das SWR geschickt, das für Dienste der Außenaufklärung zuständig war. Ihr Mann hatte ihr erklärt, dass sich Aiden darum kümmern würde, was auch immer das bedeuten sollte.
Es war früher Vormittag, als Aiden sie während einer Kaffeepause unter vier Augen zu sprechen verlangte. Sie warteten, bis die übrigen Ermittler den Raum verlassen hatten. Aiden sah sich noch mal kritisch um, wollte sicher gehen, dass sie niemand reden hörte. Obwohl sie alleine waren, dämpfte er seine Stimme. „Hast du eine der Karten?“ „Noch nicht. Es sind die schwarzen Karten, ich habe es beobachtet.“
„Du hast nicht mehr viel Zeit, 28.“
„Weiß ich.“ Carly schnalzte. „Colonel Prick hat eine. Aber es würde ihm auffallen, wenn sie fehlt. Er bewegt sich in seinen Pausen im roten Bereich.“
Carly hatte das System bereits, durch ihre Beobachtungen der letzten Tage, durchschaut. Es gab die grünen Bereiche, die meist nur für reguläre Sekretäre und andere Boten zugänglich waren. Danach folgte der blaue Bereich, für die offenen Büros. Mit gelben Karten hatte man zusätzlich Zutritt in abgegrenzte Räume der Sicherheitsstufe drei, diese hatten auch Carly, Cerys und Aiden. Rote Karten ließen einen in die Büros der hoch positionierten Mitglieder der Regierung, ohne Sondergenehmigung.
Zu guter Letzt gab es noch die schwarzen Karten, die einen zusätzlich in den Nachrichtendienstlichen Bereich, die Labors und die Waffenkammer ließen. Und als sei all das nicht kompliziert genug, standen auf den Karten Zahlen, für die Abteilungen im Pentagon, wie Army, Navy, Marines, Air Force und DIA. Wenn sich Carly nicht irrte, dürften sie über das DIA an die Waffenkammer gelangen. Aiden verzog das Gesicht. „Dann müssen wir ihn eben für eine der Pausen davon fern halten.“
„Es spielt keine Rolle. Er braucht sie überall, egal wo er sich bewegt. Wir müssen sie doch auch immer vorzeigen.“ „Wir.“ Aiden machte die Augen schmal. „Aber ich bin mir sicher, gesehen zu haben, dass er seine Karte in den grünen und blaue Bereichen nicht zeigen musste. Man kennt ihn hier.“
„Und wenn doch?“ „Dann lasse ich mir was einfallen. Besorg dir seine Karte und zwar schnell. Wir brauchen die Waffen. Bis spätestens morgen Vormittag müssen wir die Waffen haben. Danach werde ich dir auch keine Hilfe mehr sein können“. Carly nickte. Dann sah sie Aiden stirnrunzelnd an. „Was hast du vor?“
„Opfer bringen. Ich schätze, nun, wo das SWR im Haus ist“, Er lächelte kühl, „können wir ihnen vielleicht schon mal einen kleinen Anlass zu Zweifeln bieten.“
Carly runzelte die Stirn. „Der gefangene Partisan?“
„Er hat seine Dienste geleistet. Er wird morgen sein Debüt geben.“ Mit diesen Worten schlenderte er an den Tisch rüber.
Carly hatte die Arme vor der Brust verschränkt und dachte darüber nach. Sie wusste, was das bedeutete. Aiden würde ihn töten, vor dem SWR. Nicht nur der geheime Partisan, gab damit sein Debüt, sondern auch Aiden selbst. Denn sie würden ihn gleich darauf fest nehmen und anklagen. Seine einzige Rettung wäre ein Ausbruch aus dem Gefängnis, wo auch immer sie ihn hinbringen würden.
Trotzdem fiel Aiden damit erst mal eine Weile aus. Irgendwie erleichterte sie das ein wenig. Gerade als Carly etwas sagen wollte, kamen Cerys und Agent Oconnel zurück. Und auch Siljan war bei ihnen.
„Agent Mitchell kommt gerade aus dem Verhör“, erklärte Cerys und wirkte ziemlich niedergeschlagen. Siljan schob seine Hände in die Taschen seiner Jacke und wendete sich Aiden zu. „Das SWR hat den Verhör gestoppt. Sie sehen es als zwecklos an. Er wird nicht reden, egal was wir machen.“
„Gestoppt?“ Aiden biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. „Er ist unsere einzige Spur.“
„Ja, aber sie kennen sich auch ziemlich gut mit der Organisation aus und sind sich ziemlich sicher, dass wir unsere Zeit verschwenden.“
„Ziemlich sicher?“ Aiden erhob seine Stimme. „Den verdammten Teufel werden sie stoppen.“
„Was hast du vor?“ fragte Cerys überrascht, als Aiden in den Flur stampfte.
Doch er antwortete nicht. Carly fühlte sich ziemlich unbehaglich. Das würde ihren Plan ins Wanken bringen. Doch selbst wenn das nicht klappte, so würde zumindest der Hauptplan stehen bleiben.
Als sich Siljan zum Gehen zuwendete, lächelte er Cerys zu. „Sehen wir uns also heute Abend?“
„Na klar. Ich denke, so ein Feierabendbier tut noch Mal ganz gut.“ Cerys sah zu Carly. „Kommst du diesmal mit?“
Carly blinzelte. Schon beim letzten Mal hatte sie ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nichts davon hielt, in eine Kneipe zu gehen. Sie waren zum Arbeiten hier, nicht etwa, um mit den Mitgliedern des FBI einen trinken zu gehen. Carly verzog missbilligend die Lippen. „Ich passe.“
Außerdem würde er sicher auch da sein und Carly war ganz froh, Tate in den letzten Tagen nicht mehr gesehen zu haben.
Cerys sah sie enttäuscht an. „Komm schon. Aiden kommt auch nicht mit. Wollt ihr mich ganz alleine gehen lassen?“ „Nicht?“ Carly runzelte die Stirn und biss sich dann fast auf die Zunge. Natürlich nicht, er würde sich für seinen Job vorbereiten. Oder aber, er bereitete schon alles vor, so wie mit der Szene gerade.
Cerys sah Carly mit großen, flehenden Augen an. „Komm schon, bitte, Clark.“
Carly schüttelte den Kopf. „Geh alleine.“
Siljan schnalzte, als er fast die Tür erreicht hatte. „Ich hole dich um halb neun ab, Cerys.“
„Alles klar.“ Cerys grinste. Carly sah, dass es sie ziemlich erwischt haben musste. Ihre Augen leuchteten regelrecht, als sie Siljan nach sah.
Als er weg war, schnaubte Carly. „Ehrlich? Einer vom FBI?“ „Er ist wirklich süß.“
„Vergiss nicht, wozu wir hier sind, Slaughter.“
Cerys rollte mit den Augen. „Ich schätze, du kannst dich über meine Arbeit nicht beschweren, oder? Also kann ich in den zehn Stunden, die ich frei habe, meinen Interessen nachgehen, ohne dass du dich daran stören solltest.“
Carly lüpfte eine Braue. „So schnippische Worte, aus deinem Mund?“
„Dir würde es auch wirklich mal gut tun, was anderes zu sehen.“ Sie wendete sich dem Tisch zu und studierte weitere Informationen, die sie rein bekommen hatten. Carly fragte sich, ob Siljan Cerys von ihrer Vergangenheit erzählt hatte und sie deswegen gerade so schnippisch war.
Siljan war ja allem Anschein nach auch nicht gut auf sie zu sprechen. Zugegeben, sie hätte sich von ihrem Team verabschieden sollen. Sie hätte ihnen einen Brief, oder irgendetwas da lassen sollen, oder sie anrufen sollen. Eigentlich hatte sie das auch vorgehabt, wenn Amber und sie irgendwo zur Ruhe gekommen waren. Doch so weit war es nie gekommen. Und wieder bereute Carly, nicht über das Geschehene reden zu können. Sie hätte nie damit gerechnet, dass sie ihre Vergangenheit mal wie ein Vorschlaghammer einholen und umhauen würde.
Als sie am Hotel zurück waren, war die Stimmung zwischen Cerys und Carly etwas angespannt. Aiden hatte sie seit dem Vormittag nicht mehr gesehen, als er den Abbruch des Verhörs verhindern wollte. Sie hoffte, dass alles gut gegangen war und nichts in der übrigen Planung schief lief. Im Aufzug schob Carly seufzend ihre Hände in die Hosentaschen und sah Cerys lange an. Schließlich schürzte sie die Lippen. „Es tut mir leid. Du hast recht, was du in deiner Freizeit machst, geht mich nichts an.“
Cerys sah ihr entgegen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Weißt du, als ich angefangen habe, habe ich dich echt bewundert. Du bist ein fabelhafter Agent, machst einen großartigen Job. Aber weißt du, was ich mittlerweile erkannt habe?“
Carly schnaubte. „Will ich das wirklich wissen?“
Sie lehnte sich an die Wand der Aufzugkabine.
„Du bist viel zu verbissen, Carly. Du bist ... was? Fünfundzwanzig? Ist das alles, was du vom Leben erwartest?“ Cerys sah sie fragend an.
Carly lehnte den Kopf zurück und sah an die Decke. „Glaub mir, ich habe mir das nicht so ausgesucht.“
„Ich weiß, Siljan hat mir davon erzählt.“
Carly schnaubte. „Das war zu erwarten.“
„Aber wenn du all das nie gewollt hast, warum bist du dann doch zur NSA gegangen?“
Carly zuckte die Schultern „Ich schätze, ich hatte keine andere Wahl.“
Cerys schien darüber nachzudenken. „Und nur deinem Vater zuliebe, hast du dein Leben einfach... aufgegeben?“
„So ist das nicht.“
„Wie dann?“
„Es ist kompliziert.“
Cerys nickte langsam. Eine Weile standen sie schweigend da, bis der Fahrstuhl ihr Stockwerk erreichte. Als sie ihre Zimmer erreichten, blieb Cerys an der Tür stehen. „Komm mit. Nur diesen einen Abend.“
Carly kramte ihren Schlüssel aus der Tasche. „Glaub mir, das ist keine gute Idee und Siljan würde mich dort auch nicht sehen wollen. Euer Abend wäre also ohne mich entspannter.“
„Das glaube ich nicht. Er ist sauer, aber... ich glaube er hatte dich echt gerne.“
Carly schnaubte. Ein Anflug von Bedauern, machte sich in ihr breit. Denn ihr ging es genauso. Sie hatte ihn echt gerne. „Möglich.“
„Komm mit. Komm schon, Clark. Ich werde dich danach zu nichts mehr zwingen, nie wieder.“
Carly lachte. „Das kannst du eh nicht.“
„Aber ich kann dir auf den Nerv gehen.“ Cerys grinste.
Carly rollte mit den Augen. „Das kannst du wohl.“
„Also?“
„Das ist keine gute Idee...“
„Komm schon, bitte, Carly. Bitte!“
Carly seufzte. Es war keine gute Idee. Und trotzdem spürte Carly, wie sie nickte. Cerys zwinkerte ihr zu. „Das wird ein grandioser Abend, du wirst sehen.“
Sie schloss die Tür zu ihrem Zimmer auf. „Also in einer halben Stunde. Beeil dich, ja?“
„Ja, ja.“ Carly seufzte, als auch sie ihre Tür öffnete. Als sie im Zimmer war und die Tür geschlossen hatte, lehnte sie sich dagegen und legte den Kopf zurück. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?