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Fehlende Rohstoffe

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Durch archäologische Funde sowie beiläufige Erwähnungen in den Schriftquellen wissen wir, dass die nordischen Grönländer im Schiff- und Bootsbau bestens bewandert waren – eine Fertigkeit, die für das Überleben der Kolonien existentiell wichtig war. Allerdings wurden, wie neuere Untersuchungen zum Schiffbau der Nordmänner gezeigt haben, weder mit Salz vollgesogenes Treibholz noch die in Grönland wachsenden eher dürren Bäume und Sträucher den Anforderungen des nordischen Schiffsbaus gerecht, zu dem frische Kernholzplanken nötig waren.25 In Grönland selbst wurden nach der Eiszeit Birke und Bergesche heimisch, außerdem gab es Bestände von Weide, Zwergweide und Zwergbirke, allesamt für den Schiffsbau ungeeignete Hölzer. Kiefern und Fichten, die heute in Südgrönland stehen, wurden erst in jüngerer Zeit dort wieder aufgeforstet.26 Man ist daher immer davon ausgegangen, dass die Grönländer wie die Isländer Bauholz aus Norwegen einführten, doch fehlen die historischen oder archäologischen Belege für solche Importe nach Grönland. Wo beschafften sich die nordischen Grönländer also das für den Schiffbau benötigte Holz?

Um als Gesellschaft wirtschaftlich unabhängig zu sein, war die Möglichkeit, Eisen zu verarbeiten, das man auch für den Schiffbau brauchte, von existentieller Bedeutung für die nordischen Grönländer. Die Zahl der Schmieden auf grönländischen Hofstellen bezeugt umfassende Fähigkeiten der Siedler in der Herstellung von Metallgegenständen, von Messern und Werkzeugen bis hin zu Verzierungen und Schiffsnieten. Die Archäologen Claus Andreasen und Jette Arneborg haben festgestellt, dass Eisen unter den grönländischen Funden relativ häufig auftaucht, wobei etwa die abgenutzten Klingen der meisten Messer nicht anders aussehen als jene, die man sonst in Skandinavien benutzte. Im Königsspiegel ist zu lesen, dass ein Händler, der nach Grönland reiste, gut beraten war, Eisen im Gepäck zu haben. Diese Äußerung ist oft als Beleg dafür herangezogen worden, dass Norwegen – wie auch für die Holzbeschaffung – die Quelle der verschiedenen Gegenstände aus Eisen auf grönländischen Hofstellen gewesen sein müsse, doch der dänische Wissenschaftler Niels Nielsen hat diese Deutung in Frage gestellt. In grönländischen Schmieden fand er Schlacke aus der Bearbeitung von Roheisenvorblöcken. Da es für die grönländischen Bauern nicht sinnvoll gewesen wäre, rohe Blöcke statt schmiedefertigem Eisen die ganze Strecke aus Norwegen kommen zu lassen, schloss er aus seinem Fund, dass die nordischen Grönländer ihr eigenes Raseneisenerz in Herdgruben geschmolzen haben müssten.27 Doch bei keinem grönländischen Bauernhof sind bislang Herdgruben gefunden worden, die für das Schmelzen von Raseneisenerz gebraucht worden wären. Außerdem enthalten die Sümpfe in der Gegend kein Eisenerz (kleine Mengen Eisenoxid, die an organische und andere Stoffe gebunden vorkommen).28

Dennoch besteht – durch die oben beschriebenen archäologischen Nachweise gestützt – kein Zweifel daran, dass die grönländischen Nordmänner die mittelalterliche norwegische und isländische Methode beherrschten, aus frischem, grünem Holz mit Holzkohle Raseneisenerz zu verhütten, um daraus Roheisenvorblöcke herzustellen. Wir wissen, dass sie diese Technik Anfang des 11. Jahrhunderts mit nach Nordamerika brachten, weil Archäologen einen nordischen Herdgrubenschmelzofen an der Grabungsstätte L’ Anse aux Meadows im nördlichen Neufundland entdeckt haben.29

Der Antrieb für die Erkundung Nordamerikas war somit nicht ausschließlich Bjarni Herjolfssons Abenteuer, wie es in der »Saga von den Grönländern« beschrieben wird (vgl. hierzu Kapitel Zwei), sondern ein eindeutiger und dringender Bedarf an Nutzholz und Eisen.

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