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Aufbruch mit Hintergedanken

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Immer wieder überquerten die nordischen Grönländer die Meerenge der Davis Strait, doch waren ihnen Größe und kontinentale Natur Nordamerikas natürlich ebenso unbekannt wie der Engländer John Davis (englischer Seefahrer, 1550–1605) und der Name Amerika, der erstmals 1507 auf »Amerikas Taufurkunde«, der Weltkarte von Martin Waldseemüller, auftauchte. Allerdings hatten sie schon bald bemerkt, dass im Westen ihres Landes noch eine weitere Landmasse existierte. Wir können davon ausgehen, dass die ersten geplanten nordischen Expeditionen nach Nordamerika ebenso von einer Absicht getragen waren wie die Erkundung Grönlands durch Eirik. Wie sein Vater wusste auch Leif von Anfang an, dass es da etwas gab, das der Erkundung wert war.

Die epische Erzählung des immer weiteren Ausgriffs der Nordmänner in den Nordatlantik ist voller Beispiele von neuen Ländern, die durch eine Kombination aus Zufall und Zwangsläufigkeit entdeckt wurden, und es gibt kaum einen Grund anzunehmen, dass das nordische Wissen über Küsten jenseits von Grönland einem anderen Muster folgte. Als der norwegische Archäologe und Abenteurer Helge Ingstad mit der Suche nach nordischen Landungsplätzen in Nordamerika begann, erkundete er die beiden Seiten der Davis Strait auf einem kleinen Schiff und stellte fest, dass man an der schmalsten Stelle der Meerenge, wo sie bei Holsteinborg nur etwa zweihundert Seemeilen breit ist, nicht sehr weit aufs Meer hinaussegeln muss, um die Berge von Baffin Island zu sehen. Auch die hohen Berge bei Holsteinborg erlauben einen Blick auf die gegenüberliegende Küste, wie Ingstad anmerkte. »Es ist, kurz gesagt, mehr als wahrscheinlich, dass die Nordmänner schon sehr früh Kenntnis von den Küsten des Baffinlands hatten, und diese wiesen den Weg in andere Teile Nordamerikas.«1

Schriftliche Belege für Reisen in den hohen Norden entlang der grönländischen Küste der Davis Strait finden sich erstmals in der Historia Norvegiæ aus dem späten 12. Jahrhundert. Daraus hat man geschlossen, dass die nordischen Siedler einige Generationen warteten, bevor sie sich zu Jagden in die Polarregion aufmachten.2 Die historischen und archäologischen Belege stützen diese Sicht allerdings nicht. Vielmehr gilt es als sicher, dass schon Eirik der Rote an Jagden im Norden und vor allem an das Walross als Beute dachte, als er seine Kolonie in Grönland gründete. Walrosse sind große Tiere, die zum Schlafen das Wasser verlassen müssen. Deshalb folgen sie im Sommer dem Treibeis, wenn es sich nach Norden bis in die Engstelle der Davis Strait zurückzieht, wo es dann feststeckt. Nordische Jäger, die ihrer Beute so hoch in den Norden folgten, mussten westwärts steuern, um in offenem Wasser zu bleiben, und manche wagten sich wohl so weit nach Westen, dass sie jenseits der Meerenge die fernen Gletscher von Baffin Island erkennen konnten. Als erfahrene Seeleute brachten sie diese Gegenküste sicher mit Bjarni Herjolfssons Geschichte und ähnlichen Erzählungen in Verbindung und vermuteten, dass sie dort vielleicht Wälder finden könnten, wenn sie nur weit genug an der Küste entlang nach Süden segeln würden.

Falls Bjarnis Erzählung ( »Saga von den Grönländern«) über die Wälder, die er von Weitem gesehen hatte, tatsächlich eine Neuigkeit war, so nahm man sie in einem Land, das so wenig Holz besaß wie die neue Kolonie Eiriks des Roten, sicherlich freudig auf. Es ist jedoch auch möglich, dass der Erzähler der Saga aus künstlerischen Gründen verschiedene Berichte anderer nordischer Seefahrer, die ebenfalls weiter im Westen Land gesehen hatten, zusammenführte. Dieser Teil der Geschichte steht zudem im Widerspruch zum Bericht der »Saga von Eirik dem Roten«, demzufolge Eiriks Sohn Leif vom Sturm getrieben als erster jene fremde Küste erblickte und dort an Land ging. Dies geschah angeblich auf der Rückreise von Norwegen, wo er Olaf Tryggvason (König von Norwegen 995–1000) besucht hatte und von ihm bekehrt worden war. Allerdings hat der isländische Mönch Gunnlaug hier einen Abschnitt hinzugefügt, weil er Olaf Tryggvasons Ansehen als missionarischer Monarch aufpolieren wollte. Deshalb ist dieses Detail der Vínland-Geschichte heute heftig umstritten.3

Laut der »Saga von den Grönländern« berichtet Bjarni nach seiner sicheren Ankunft in Grönland, er habe neue Küsten gesichtet. Obwohl er angeblich den Handel aufgab, nachdem er sich auf dem Hof seines Vaters niedergelassen hatte, segelte er einige Zeit später doch wieder nach Norwegen, um dieses Mal Jarl (Fürst) Eirik Hákonsson zu besuchen, der nach dem Tod König Olaf Tryggvasons im Jahr 1000 Regent des Landes geworden war und diese Position bis 1012 innehatte. Der Jarl empfing Bjarni nach Darstellung der Saga freundlich, doch als er und andere in Norwegen dessen Geschichte über die unbekannten Küsten hörte, schalten sie ihn, weil er das neue Land nicht erkundet habe. In Grönland gab es allerdings auch andere, denen es nicht an der nötigen Neugier fehlte.

Im nächsten Sommer kehrte Bjarni von Jarl Eiriks Hof zurück und fand die Ostsiedlung in heller Aufregung über Pläne für eine Expedition zu den neuen Küsten im Westen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Erforscher von den Ressourcen der Neuen Welt zu profitieren hofften, denn dem nordischen Brauch entsprechend spiegelten die Ortsnamen, die Leif auf der amerikanischen Seite vergab (siehe unten), eine Bewertung des wirtschaftlichen Potenzials jeder Region wider.

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