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Über das Schloss Granadas, das AlhambraGranada, OrtAlhambra heißt

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Am 23. Oktober gingen wir frühzeitig durch das Tor von ElviraGranada, OrtPuerta de Elvira1, durch das man nach CórdobaCórdoba, Ort gelangt. Auf dem Weg sahen wir den Friedhof der SarazenenAlhambramaqbara Sa ̔d ibn Mālik, Friedhof der SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime), der, wie ich glaube, tatsächlich zweimal größer ist als ganz NürnbergNürnberg, Ort, dies bewunderte ich sehr. Mir sagte Johannes aus SpeyerJohannes (aus Speyer) dt. Drucker2, ein vertrauenswürdiger Mann, dass jeder Sarazene in einem neuen und eigenen Grab beigesetzt wird. Sie bauen die Grabmäler mit vier steinernen Tafeln, so klein, dass kaum ein Leichnam hineingeht. Es wird mit Steintafeln gearbeitet, damit das Erdreich den Leichnam nicht berührt. Erst später geben sie Erde auf das Grab3. Unterwegs kamen wir am neuen Kloster des Ordens des heiligen HieronymusGranada, OrtNuestra Senora de la Concepción, Kl. vorbei, das außerhalb der Mauern liegt und das sie vor zwei Jahren recht kunstvoll aus einer alten und ehrwürdigen Moschee bauten4.

Nach dem Essen gingen wir erneut auf einen sehr hohen Berg zur AlhambraGranada, OrtAlhambra5 hinauf; am Fuße des Berges liegt wiederum ein großer FriedhofGranada, OrtMaqbarat al-Sabīka, Friedhof, sechsmal größer als der Marktplatz von NürnbergNürnberg, Ort6. Nachdem wir ein weiteres Stück hinaufgegangen waren, betraten wir zuerst den Ort, der Kerker der gefangenen Christen war. Es ist ein großes Gelände, von einer Mauer umgeben, wie bei der LorenzkircheNürnberg, OrtSt. Lorenz, K. (in NürnbergNürnberg, Ort), es gibt dort vierzehn tiefe Höhlen, die oben sehr eng sind und nur eine einzige Öffnung besitzen. Sie sind sehr tief und in den Felsen eingeschnitten. In einer dieser Höhlen wurden 100 oder zweihundert Gefangene eingesperrt. Alle, die im Kerker starben, wurden herausgezogen und anschließend in der Erde begraben7. Manchmal gab es an diesem Ort und in den Häusern der SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) in der Stadt siebentausend gefangene Christen, aber in Zeiten der Belagerung starben so viele an Hunger, dass nur wenige übrigblieben, als GranadaGranada, Ort erobert wurde. Nur fünfzehnhundert überlebten, sie wurden dem König vorgestellt, als dieser siegreich in Granada einzog8. Es war für uns ein trauriger Anblick, dieses schreckliche Monument der (gefangenen) Christen zu sehen. Sie waren sogar dazu gezwungen, Fleisch von toten Pferden, Eseln und Maultieren zu essen. Unter den Gefangenen gab es einen gewissen Priester, der mir viele traurige Geschichten erzählte. Er war mit dem Leben davongekommen, und der König machte ihn zum Kanoniker, er war ein guter und gottesfürchtiger Mann.

Wir gingen schließlich in die Befestigungsanlagen durch viele Eisentüren hinein, an vielen Wachleuten und offiziellen Gebäuden vorbei, bis wir zum vorzüglichen und edlen Palast des Kastellans gelangten. Dessen Name ist Iñigo LopezLópez de Mendoza y Quiñones, Iñigo, Gf. von Tendilla (1479–1515), Generalgouverneur von Granada, er stammt aus dem Haus der MendozaMendoza, Kastilisches Geschlecht aus KastilienKastilien, L., ist Graf von TendillaTendilla, Ort und Kastellan von GranadaGranada, Ort9. Als er das Empfehlungsschreiben des Kastellans von AlmeríaAlmería, Ort gelesen hatte10, empfing er uns mit außerordentlichen Ehren. Nachdem ich zunächst eine kleine Rede auf lateinisch vorgetragen hatte, die er bestens verstand, denn er war sehr gelehrt, und nachdem er mir unmittelbar geantwortet hatte, setzte er uns auf Seidenteppiche und ließ Konfekt und andere Dinge herbeibringen. Nach dieser Stärkung führte er uns mit einer beeindruckenden Begleitung an Rittern selbst zur königlichen Burg. Wir sahen dort Paläste, die aus strahlend weißem Marmor gefertigt waren, schönste Gärten, geschmückt mit Zitronen- und Myrtenbäumen, mit Wasserbecken und Sitzbegrenzungen aus Marmor, ebenso vier große reich gefüllte Waffenkammern mit Lanzen, Wurfgeschossen, Schwertern, Brustharnischen, Pfeilen und anderen Sachen, edelste Schlafgemächer und Zimmer. In jedem Palast sind sehr große Schalen aus schneeweißem Marmor, viel größer als die beim heiligen AugustinusAurelius Augustinus Hl., Kirchenvater, Bf. von Hippo (395–430)11, alle voll mit fließendem Wasser, ein wunderschönes Bad mit einer phantastischen Decke und außerhalb des Bades Schlafgemächer, zahlreiche so hohe Säulen aus Marmor, dass es nichts Schöneres gibt, schließlich im Zentrum eines Palastes ein großes Marmorgefäß, das auf dreizehn Löwen ruht, die ebenso aus weißestem Marmor gearbeitet sind. Aus jedem ihrer Mäuler fließt Wasser wie aus einem Kanal. Es gab verschiedene Marmortafeln, 15 Fuß lang und 7 oder 8 Fuß breit und ebenso viele quadratische Tafeln von 10 oder 11 Fuß. Etwas Ähnliches existiert, wie ich glaube, in ganz Europa nicht. Alles dies ist so herrlich, so wunderbar und aus so verschiedenen Materialien gebaut, dass man sich im Paradies wähnt. Ich kann nicht alles aufzählen. Der Graf begleitete uns die ganze Zeit persönlich und erklärte uns selbst alle Einzelheiten.

In einem Baderaum gab es ein schönes Marmorbassin, wo die Frauen und Konkubinen nackt badeten. Der König jedoch konnte sie von einem Ort mit Jalousien aus, in einem höheren Stock gelegen, den wir besichtigten, betrachten, und derjenigen, die ihm am besten gefiel, warf er von oben herab einen Apfel zu. Dies war ein Zeichen, dass er in dieser Nacht mit ihr schlafen wollte12.

Ich fragte den Kastellan nach dem Zeichen des Königs, ob er auch einen Granatapfel als Wappen habe und ob dieses an irgendeiner Stelle abgebildet sei. Er antwortete, dass der König kein Emblem habe, nur einen Schild in jener Form, in dessen Mitte in arabischen Buchstaben geschrieben war: „Bile gallila“, was heißt: „Kein Sieger außer Gott“, oder nur: „Gott ist allmächtig“13. Dieses Emblem ist in hellblauer Farbe gemalt und an verschiedenen Stellen angebracht.

Alle Palasträume werden durch die Wasserkanäle geziert, die kunstvoll an die verschiedensten Orte gelenkt werden, dass es nichts Bewundernswerteres gibt. Von einem sehr hohen Berg wird das fließende Wasser durch einen Graben geleitet und im ganzen Palastbereich verteilt.

Abb. 2:

Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 140r

Auf die Frage nach dem Wappenschild der spanischen Könige verwies man Münzer darauf, dass dieses angeblich arabische Schriftzüge trage; in der Zeichnung der Handschrift steht neben dem Schild „bile gallila“, was lautmalerisch den Gebetsruf der Muslime nachempfindet.

So führte uns der Graf, ein Adeliger, als wir den Palast des KönigsAlhambraDar al-Horra, Palast verließen, zu einer neuen quadratischen Zisterne, so groß wie die SebalduskircheNürnberg, OrtSt. Sebald, K. (in Nürnberg)Nürnberg, Ort, die er für zehntausend Dukaten im selben Jahre hatte bauen lassen. Es ist ein phantastisches Werk, das seinesgleichen sucht. Alle Paläste und Säle im oberen Teil haben wunderschöne Wölbungen und Dächer, die aus Gold, Lapislazuli, Elfenbein, Zypressenholz und verschiedenen anderen Materialien gefertigt worden sind; man kann es weder aufschreiben noch erzählen. Es gibt allein im SchlossGranada, OrtAlhambra fünfhundert Ritter mit ihren wunderschönen Pferden, die „jinetes“ heißen14. Sie kämpfen unter dem Grafen und leisten ihm Gefolgschaft. Wir stiegen auf zwei sehr hohe Türme und betrachteten die Lage der Stadt; wie uns der Graf versicherte, konnten wir kaum die Hälfte der Stadt sehen. Ich glaube, es gibt keine größere Stadt, weder in ganz Europa noch in AfrikaAfrika, L.. Wir sahen unterhalb des Schlosses gegen Süden ein anderes Kastell, das sehr stark befestigt, aber noch nicht ganz vollendet war. Ebenso liegt ein weiteres Schloss beim Südtor zwischen zwei Mauern mit einem Weg.15 So kann der König, auch wenn es die SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime) nicht wollen, die Stadt verlassen und die AlhambraGranada, OrtAlhambra betreten oder verlassen.

Es gibt zahlreiche SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime), die dort bauen. Ebenso findet man viele, die im SchlossGranada, OrtAlhambra und auf königlichem Grund das wiedererrichten, was zerstört war. Als der König von GranadaGranada, Ort sich dessen bewusst wurde, dass er dem christlichsten König von SpanienSpanien, L. keinen Widerstand mehr leisten konnte, erlaubte er, viele Gebäude zu zerstören. Es gibt viele Lebensmittelgeschäfte und Unterkünfte für Geschützmeister und für andere. Keinem Sarazenen ist es erlaubt, im SchlossGranada, OrtAlhambra zu schlafen, sondern jeder muss in die Stadt hinuntergehen oder zu einer anderen Schlafstatt.

Wir verließen das SchlossGranada, OrtAlhambra nach Sonnenuntergang und kamen schon spät in der Nacht zu unserem Quartier. Dort trafen wir einen edlen Ritter, der auf einem Maultier saß, mit Hafer, Wein, Brot, Hennen und Fasanen. Alles dies hatte der großzügige Graf zu unserem Quartier schicken lassen. Wir konnten diese Großmut nicht erwidern, aber beim König und unseren Fürsten werden wir sie gebührend loben16. Als wir uns von dem Grafen verabschiedeten, erbaten wir eine neue Empfehlung für den Kastellan von MálagaMálaga, Ort und von SevillaSevilla, Ort, die er uns wohlwollend und gern ausstellte. Es gibt auch in der AlhambraGranada, OrtAlhambra eine wunderbare und edle MoscheeAlhambraKathedrale, die heute der seligen JungfrauMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi MariaMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi geweiht und Sitz des Erzbischofs ist17. Dort sind 40 Kanoniker und 140 Pfründner, das heißt Vikare, die Pfründen erhalten. Ebenso wurde dort ein Kloster von MinderbrüdernAlhambraSan Francisco de la Alhambra, Kl. des Ordens des heiligen FranziskusFranz von Assisi(† 1226), Hl., Ordensgründer gegründet18. Der König besitzt außerhalb der Mauern der Alhambra auf der Spitze des Berges einen Garten mit Quellen, Wasserbecken und Wasserläufen; dies alles wurde so wunderbar durch die Mauren gebaut, dass es nichts Besseres gibt19.

Am 26. Oktober, als wir dort weilten, sahen wir mehrere SarazenenSarazenen (Mauren/Muslime), die Gemälde und andere Dinge in der ihnen eigenen Art schmückten und restaurierten; wir konnten dort ein wunderbares Schauspiel erleben. Als wir einen anderen, noch höheren Berg hinaufstiegen und die Lage betrachteten, fanden wir eine sehr schöne Ebene mit drei äußerst hohen Türmen, die innen sehr wertvoll, außen jedoch halb zerstört sind; dort veranstalteten die Könige von GranadaGranada, Ort einstmals ihre Spiele20.

Der Reisebericht des Hieronymus Münzer

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