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Das Zeitalter Papst Gregors I. (590–604) – Wende von der Spätantike zum Mittelalter?

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Der Pontifikat Gregors I. wird für die frühmittelalterliche Papstgeschichte als zentral und als Wendepunkt angesehen. Schließlich galt dieser Papst Bonifaz VIII. 1295 sogar als Kirchenlehrer, und schon ein kurzer Blick auf sein Schrifttum lässt ihn als weiteres Bindeglied zwischen Spätantike und frühem Mittelalter erscheinen. Meist wird die von ihm ins Werk gesetzte Englandmission als neue päpstliche Orientierung besonders hervorgehoben. Aber darüber hinaus bündeln sich in seiner Vita und in seinem Pontifikat zentrale Aspekte, die sowohl einige schon angedeutete Grundtendenzen konkretisieren als auch neue Ansätze unterstreichen. Besonders eindrücklich verdeutlichen dies Charakterisierungen, die uns die Historiographie hinterlassen hat.

Der fast zeitgenössische Bericht des fränkischen Geschichtsschreibers Gregor von Tours (573–594) aus dem Jahr 593 ist aufschlussreich und betrifft die Person ebenso wie die inhaltlichen Aspekte des Pontifikates:

Da aber die Kirche Gottes nicht ohne einen Führer sein konnte, wählte das gesamte Volk den Diakon Gregorius zum Papste. Dieser stammte aus vornehmstem Senatorengeschlecht und lebte von Jugend an in der Furcht des Herrn, er gründete aus seinem eigenen Vermögen sechs Klöster in Sizilien und richtete ein siebentes in den Ringmauern der Stadt Rom ein; er übermachte diesen Klöstern so viel Land, wie ausreichte, ihren täglichen Bedarf zu bestreiten; was er sonst hatte, verkaufte er samt seinem ganzen Haushalte und verteilte es unter die Armen. Er selbst, der sonst in Seide ging und im weißen Prachtkleid, schimmernd von Edelsteinen, durch die Stadt einherzuschreiten pflegte, trug von nun an gewöhnliche Kleidung, wurde für den Dienst am Altar des Herrn geweiht und als der siebente Diakon zur Unterstützung des Papstes bestellt. Er zeigte soviel Enthaltsamkeit im Essen, soviel Wachsamkeit im Gebet, soviel Eifer im Fasten, daß sein Magen darunter litt und er sich nur mit Mühe aufrecht erhielt. In den Wissenschaften der Grammatik, der Dialektik und Rhetorik war er so unterrichtet, daß man meinte, er stehe darin sogar zu Rom keinem andren nach; dem hohen Rang, zu dem man ihn jetzt berief, suchte er sorgsam sich zu entziehen, damit ihn nicht wegen dieser Ehrenstellung wieder der Hochmut der Welt beschleiche, dem er abgesagt hatte. Deshalb schickte er auch einen Brief an den Kaiser Mauricius, dessen Sohn er aus der heiligen Taufe gehoben hatte, und beschwor ihn und bat dringend, er möchte dem Volke ja nicht seine Zustimmung dazu geben, daß es ihn zu solcher Macht und Ehre erhob. Aber Germanus, der Statthalter der Stadt Rom, fing seinen Boten ab, ergriff ihn, zerriß seine Briefe und sandte die Wahlurkunde, welche das Volk ausgestellt hatte, an den Kaiser ab. Und dieser dankte, da er Gregor befreundet war, Gott dafür, daß er eine Gelegenheit gefunden hatte, diesen Mann zu ehren, erließ die Bestätigungsurkunde und gebot ihn einzusetzen. Und als es soweit war, daß er geweiht werden sollte, wütete die Seuche noch in der Stadt […].15

Wie der fränkische Geschichtsschreiber unterstreicht, stammte Gregor aus einer alten römischen Senatorenfamilie, folgte dann aber bezeichnenderweise asketischen Idealen. Aus derselben Familie wie Gregor waren auch schon Felix III. (483–492) und Agapit I. (535–536) zu Päpsten erhoben worden, Gregor gehörte mithin zu einer „Klerikerfamilie“. Die Verantwortung für die Stadt Rom hatte der Vater als Regionar (Verwaltungsbeamter einer der sieben Regionen Roms) wahrgenommen; sein Sohn Gregor wurde 573 Stadtpräfekt. Gregors Horizont prägte die Entsendung als päpstlicher Vertreter (Apokrisiar) nach Byzanz 579. Zuvor hatte er vielleicht teilweise auf ererbten Besitzungen einige Klöster gegründet, bekannt ist S. Andrea auf dem Monte Celio in Rom, wo er selbst als Mönch eintrat. Gregors mögliche Verehrung für den hl. Benedikt wird die Vorstellung seiner freilich umstrittenen Schriften weiter verdeutlichen.

Trotz einer insgesamt starken römischen Orientierung stand Gregor zugleich in einer weiter gespannten, spätantik-mediterranen Tradition, denn während seines Aufenthaltes in Byzanz machte er sich unter anderem Erzbischof Leander von Sevilla (578–600), der in Spanien den Übertritt der Westgoten vom Arianismus zum Katholizismus vorbereitete, zum Freund. Wie andere gelangte auch Gregor 590 angeblich gegen seinen Willen zum Papstamt. Solche zeitgenössischen Bemerkungen in den Quellen sind allerdings eher topisch zu verstehen, denn jeder Erwählte weigerte sich zunächst und betonte die eigene Unwürdigkeit. Von Gregor I. selbst sind eigene Schriften und weitere Quellen aus dem Umfeld überliefert, die es erlauben, an seinem Pontifikat manche Aspekte besser als für seine Vorgänger oder Nachfolger beschreiben zu können. Deshalb seien mit der gebotenen Vorsicht Tendenzen dieser Wendezeit an seiner Person stellvertretend erläutert.

Geschichte des Papsttums im Mittelalter

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