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Über die Grenzen des Imperium Romanum hinaus? Mission und Außenwirkungen

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Als neue Ausrichtung seit dem ausgehenden 6. Jahrhundert gilt vielfach die Angelsachsenmission, weil Gregor I. hier deutlich über den angestammten römischen Bereich hinauswirkte. Dies geht bis hin zu Vermutungen, dass Gregor bei seinem Aufenthalt in Byzanz erkannt habe, dass die Zukunft der römischen Kirche außerhalb des alten Imperium Romanum gesucht werden müsse. Es ist gleichwohl problematisch, dem Papst eine solche zielgerichtete Politik zu unterstellen, zumal die Angelsachsenmission keinesfalls nur römisch bestimmt war, denn schon vorher hatten vor allem iroschottische Mönche im Norden der angelsächsischen Reiche erfolgreich missioniert und die Rolle der Merowinger im Frankenreich ist ebenso wenig außer Acht zu lassen.29 Jedenfalls schickte Gregor 596 eine Schar von Mönchen aus seinem römischen Mutterkloster nach England, unter denen sich der bekannte Abt Augustinus befand. Diese römischen Missionare stießen bereits in Gallien auf erste Schwierigkeiten, weil ihrem Plan dort Widerstand entgegengebracht wurde. Erst ein zweiter Anlauf verlief erfolgreicher, unter anderem weil Gregor den Glaubensboten nun einige Empfehlungsschreiben an fränkische Bischöfe mit auf den Weg gab. Der genannte Augustinus wurde in Gallien zum Bischof geweiht und begann sein Missionswerk schwerpunktmäßig in Kent; schon Weihnachten 597 ließ sich König Æthelbert (560–616) taufen. Einige Jahre später, 601, wurden weitere Anweisungen in Rom erbeten. Die neuen Missionare brachten einen Plan für die kirchliche Struktur mit zwölf Bistümern mit, der in dieser Form allerdings nicht umgesetzt wurde, denn die eigentliche Missionierung blieb weiterhin zunächst auf das kleine Königreich Kent mit dem wichtigsten Ort Canterbury beschränkt. Auch deshalb avancierte der Bischof von Canterbury langfristig zum obersten Bischof der englischen Kirche. Größere Wirkungen der römischen Missionierung stellten sich erst zwei Generationen später ein, als in der Synode von Whitby (664) die Ansicht die Oberhand gewinnen konnte, dass Petrus als Heiliger stärker sei als der von den Iroschotten bevorzugte Columba. Seitdem scheint das Bild von Petrus als dem Himmelspförtner im angelsächsischen Raum besonders gepflegt worden zu sein.30 Die von Papst Gregor propagierten Missionierungsmethoden knüpften geschickt an die heidnischen Vorgängerreligionen an, Kirchen sollten zum Beispiel an der Stelle früherer Heiligtümer errichtet werden. In einem Brief an den Abt Mellitus vom 18. Juli 601, der auch in Bedas Kirchengeschichte aufgenommen ist, liest sich dies folgendermaßen:

[Gregor betont,] daß die Heiligtümer der Götzen bei diesem Volk keineswegs zerstört werden sollen, daß aber die Götzenbilder, die sich darin befinden, zerstört werden sollen, daß Wasser geweiht und in diesen Heiligtümern versprengt, daß Altäre gebaut, Reliquien niedergelegt werden. Denn wenn diese Heiligtümer gut gebaut sind, müssen sie notwendigerweise vom Dämonenkult in die Verehrung des wahren Gottes verwandelt werden, damit dieses Volk, wenn es sieht, daß diese seine Heiligtümer nicht zerstört werden, den Irrglauben aus dem Herzen verbannt und, den wahren Gott erkennend und bewundernd, mit mehr Zutrauen an den Orten zusammenkommt, an die es gewöhnt ist.31

Langfristig prägend für die Missionierung der englischen Gebiete wurde letztlich eine Kombination von römischen und iroschottischen Ansätzen. Diese fruchtbare Mischung beflügelte wahrscheinlich auch die spätere angelsächsische Mission auf dem Kontinent, so dass manche römische Einflüsse auf dem Umweg über England weitere Gebiete in Mitteleuropa erreichten. Es waren dies typische Phänomene von Kulturtransfer, Anverwandlung und (Neu-)Kontextualisierung. Angesichts solcher kaum vorhersehbarer Folgen bleibt es problematisch, Gregor oder dem Papsttum bei der Angelsachsenmission von Anfang an gezielte Planungen zu unterstellen. Weil sich aber diese Orientierung nach Norden für das Papsttum langfristig als fruchtbar erweisen sollte, wurde Gregor aus der Rückschau gerne hierfür als Initiator in Anspruch genommen. Insgesamt blieben Kontakte zu anderen Reichen außer Byzanz jedoch spärlich. Am ehesten sind hier die Einflussnahmen in der Provence beziehungsweise in Arles zu nennen. Hier besaß der Papst kleinere Patrimonien, deren Einkünfte der Bischof von Arles sicherstellen sollte. Die angestrebte Aufsicht des Arlenser Bischofs über die gallischen Bistümer (Vikariat) erzeugte einen regen Briefverkehr (Epistolae Arelatenses), aber keine langfristigen Ergebnisse; allerdings wird die Bedeutung der Merowinger als mögliche neue Orientierung für das Papsttum in diesen Quellen erkennbar.32 Auch Synodalpläne (599) zeitigten keine durchschlagende Wirkung; Chlothar II. setzte 614 verstärkt auf landeskirchliche Strukturen, so dass die Kontakte mit Rom eher auf einzelne Personen beschränkt blieben.

Geschichte des Papsttums im Mittelalter

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