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Römische Verhältnisse

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Wie bei vielen seiner Vorgänger hatte mit Hadrian I. weniger ein Theologe als vielmehr ein Vertreter des römischen Adels den Papstthron bestiegen. Für die inneren Verhältnisse in Rom ist ein kurzer Blick auf seine Erhebung aufschlussreich, denn diese war maßgeblich durch den primicerius notariorum Theodotus, den Onkel Hadrians, bestimmt.26 Vielleicht stand Hadrian schon nach dem Tod der hohen päpstlichen Amtsträger Christopherus und Sergius an der Spitze einer aristokratischen römischen Gruppierung und konkurrierte sogar mit Paulus Afiarta, einem späteren Vertrauten Papst Stephans III. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass es etwa ein Jahr vor Hadrians Erhebung zu einem Aufstand in Rom gekommen war. In der Folge hatten sich wohl Stephan III. und Paulus Afiarta den Langobarden angenähert. Den Weg zu Hadrians Wahl hatte der genannte Theodotus bereitet, ein ehemaliger dux an der Spitze der Patrimonialverwaltung. Seine Schlüsselrolle in der römischen Verwaltung nutzte er wie schon andere vor ihm. Damit kamen zugleich wichtige Neuerungen in wirtschaftlicher Hinsicht zum Tragen.

Hadrian I. stand somit zunächst für den stadtrömischen Adel, karolingischer Einfluss bei der Wahl ist nicht erkennbar, konnte sich erst später aus der Distanz zu den Langobarden ergeben. Die spätere Neuorientierung der Päpste zu den Karolingern – so wichtig sie langfristig wurde – hatte für die Stadt Rom in der Regel nur dann Konsequenzen, wenn die jeweiligen neuen Beschützer und/oder ihre Vertreter sich dort aufhielten. So kam es zu Bemühungen, in der Nähe von St. Peter eine Kaiserpfalz für die Aufenthalte Karls zu errichten.27 Sichtbarer und im Liber pontificalis mehrfach belegt waren die neuen Formen des Zeremoniells bei den verschiedenen Rombesuchen, die andeuten, wie neue Personengruppen alte Strukturen ablösen konnten. Als Karl der Große 800 in Rom einzog, empfingen ihn unter anderem die scholae peregrinorum (Scholen der Fremden), die sich in Franken, Friesen, Sachsen und Langobarden aufgliederten.28 Unter scholae verstand man in Byzanz eher militärische Verbände, in Rom – neben dem Ort des Unterrichtes – auch Versammlungsorte und schließlich die zugehörigen Personengruppen. Sicher belegt sind die scholae peregrinorum, die wohl zunächst zur Betreuung und Versorgung der eigenen Landsleute in Rom zuständig waren, erstmals 799.29 Indizien erlauben sogar die begründete Vermutung, dass die Scholen von Franken, Friesen, Sachsen und Langobarden ebenso wie die erstmals 790 sicher belegte schola Grecorum schon in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts an institutioneller Kontur gewannen.30 Mit den Scholen war aber außerdem der westliche orbis christianus baulich und personell in der Stadt Rom – genauer: in der Nähe von St. Peter – vertreten.

Ein weiterer Aspekt betrifft die Umgestaltung der römischen Sakrallandschaft. Die Schenkungslisten im Liber pontificalis lassen erkennen, welche der römischen Kirchen Hadrian I. und sein Umfeld besonders förderten. Römische Gotteshäuser wurden nicht nur baulich und verschönert, sondern auch mit Reliquien ausgestattet. Aufgrund äußerer Bedrohungen waren viele der früher außerhalb Roms ruhenden heiligen Gebeine in den römischen Stadtbereich übertragen worden. Dies begann im 8. Jahrhundert und zog sich bis in die Mitte des 9. Jahrhunderts hin.31 Pilger konnten nun nicht mehr nur vor den Toren Roms, sondern auch in den Stadtkirchen wichtige Heiligengebeine verehren. Die gewaltsame Beschaffung von Reliquien durch Diebstahl oder durch Plünderung, beispielsweise während der Belagerung Roms durch den langobardischen König Aistulf 756, dürfte die neue päpstliche Übertragungspolitik ins Stadtinnere zusätzlich gefördert haben.

Die übertragenen corpora blieben aber nicht nur in den stadtrömischen Kirchen, sondern wurden auch zu einem neuen Bindeglied mit dem orbis christianus. Seit Paul I. begann man in Rom, in größerem Maße Reliquien weiterzugeben, nachdem zuvor Reliquienteilungen im Westen meist abgelehnt worden waren. Diese neue päpstliche Haltung seit Mitte des 8. Jahrhunderts wurde zuweilen mit der politischen Neuorientierung des Papsttums weg von Byzanz hin zu den Franken in Zusammenhang gebracht.32 Somit förderten nicht nur Freundschaftsbündnisse und Taufpatenschaften engere Bindungen zwischen den Päpsten und den Frankenherrschern, sondern auch Reliquien, denn sie stifteten Gemeinschaft, weil Schenker und Empfänger sich der Wirkmacht und dem Schutz ihres gemeinsamen Heiligen unterstellten (vgl. unten S. 93–95).33

Diese Phänomene verweisen auf einige „römische“ Konsequenzen, die sich nicht zwingend aus dem Bündnis mit den Karolingern ergaben, die dieses aber zumindest begleiteten. Trotz neuer theologischer Kompetenz im Frankenreich blieb Rom in einigen Bereichen richtungsweisend, besonders in Liturgie, Recht und Kirchenorganisation. Zunehmend entwickelte sich die Stadt zum Hort der authentischen Tradition, erschien zumindest vielfach als Orientierungspunkt.34

Hadrian I. hat das neue Verhältnis zu den Karolingern offensichtlich differenziert und nicht in allen Phasen gleichmäßig bewertet; aber verschiedene Gedichte, Inschriften wie das Epitaph und Briefe zeigen, wie sehr er das päpstliche Gebet für die Karolinger hervorhob und wie kontinuierlich er an die Schenkungsversprechen für die römische Kirche erinnerte.35 Das teilweise hieraus resultierende Selbstbewusstsein Karls, der sich als neuer David – als Schützer von Kirche und Reich – sah, war für das Papsttum nicht ohne Sprengstoff, wenn es eine vom Herrscher unabhängige Position erringen wollte. Diese Spannungen sollten unter anderem den Pontifikat Leos III. bestimmen.

Geschichte des Papsttums im Mittelalter

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