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IV. Die „Anlehnung“ an die Franken (731–882) Kontakt und Distanz: Personen und Strukturen

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Das Kapitel könnte aus anderer Perspektive ebenso „Die fortschreitende Ablösung von Byzanz“ heißen, weil sich die Um- oder Neuorientierung der Päpste in mindestens zwei Richtungen über das 8. und 9. Jahrhundert (und darüber hinaus) als ein langer Prozess verfolgen lässt. Man kann mit den ersten Kontakten Gregors III. zu Karl Martell diese Phase beginnen lassen, die über die päpstliche Legitimierung der Karolinger 751 und die Kaiserkrönung Karls 800 bis zu den gemeinhin als groß angesehenen und fast eigenständig agierenden Päpsten in der Mitte des 9. Jahrhunderts reicht. Diese standen aber zugleich – immer noch oder erneut – in Auseinandersetzung mit Byzanz. Papst Nikolaus I., der vielen als exponierter Vertreter päpstlicher Unabhängigkeit gilt, wurde zum Beispiel 867 von einer Versammlung in Byzanz als abgesetzt erklärt. Blickt man auf Liturgie, Zeremoniell, Recht und weitere Aspekte, so blieben die Bezüge zu Byzanz sogar über das 9. Jahrhundert hinaus bestimmend, obwohl gerade unter Karl dem Großen liturgische und rechtliche Vorgaben des Karolingerreiches auch römische Formen langfristig prägten. Insofern sind kulturelle Aneignungs- und Abstoßungsprozesse zu beobachten.

Die Päpste dieser Zeit waren zwar nicht allein auf das Karolingerreich und Byzanz fixiert, wie ein Blick auf die weiteren Teile des orbis christianus zeigen kann, aber die Kontakte des Papsttums zur iberischen und angelsächsischen Welt blieben gegenüber denjenigen zum gesamten Karolingerreich, das immerhin große Teile des heutigen Deutschland und Frankreich, der Benelux-Staaten und Italiens umfasste, eher reduziert. Dennoch entschieden sich päpstliche Führungsansprüche nicht nur im Zusammenwirken und in der Auseinandersetzung mit den Karolingern, sondern in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts auch im Ringen um Einfluss in den slawischen und bulgarischen Ländern, wo das Papsttum vor allem auf konkurrierende byzantinische Interessen stieß. Dabei wurde eine päpstliche Prärogative durch Bittsteller, die ihr Ersuchen um Entsendung von Glaubensboten an den Papst richteten, zuweilen geradezu herausgefordert. Nach wie vor entschied sich aber vieles in Rom selbst, denn die stadtrömischen Familien spannen die Netzwerke, die später einem Papst nützen wie schaden konnten – wie besonders eindrücklich an der Papstgeschichte des 8. Jahrhunderts ablesbar ist.

Von den etwa 20 Päpsten der vorgestellten Epoche scheinen einige auch als Person etwas besser greifb ar, weil die Überlieferung zu ihnen unter anderem Briefe bereithält, deren Zusammenstellung allerdings oft verschiedenen Absichten der jeweiligen Sammlungen unterlag.

Mit Gregor III. (731–741) und dem gelehrten Zacharias (741–752) begegnen letztmals Päpste syrischer und griechischer Herkunft, die jedoch die Annäherung an die karolingischen Franken mitbetrieben haben sollen, die der römische Diakon als Papst Stephan II. (752–757) endgültig vollzog. Dessen Bruder Paul I. (757–767) garantierte zunächst familiäre Kontinuität im Papstamt, die aber bei seinem Tod nicht aufrechterhalten werden konnte, sondern in eine Konkurrenzsituation mündete, in der sich schließlich Stephan III. (768–772), ein Sizilianer und römischer Presbyter, gegen zwei Kandidaten, darunter einen weiteren Favoriten der Langobarden, durchsetzte. Sein Vertrauter Hadrian I. (772–795), der aus römischem Adel stammte, setzte stärker auf die Franken; seine Parteiung und Familie blieben wohl bis in die Zeit Leos III. (795–816), der kein Aristokrat war, einflussreich, wie der Überfall auf Leo 799 verdeutlicht.

Leo III. krönte als Papst aber mit Karl erstmals einen (west-)römischen Kaiser. Der auf ihn folgende Papst Stephan IV. (816–817) und Sergius II. (844–847) entstammten der gleichen Familie wie später Hadrian II. (867–872), was gut das Interesse bestimmter familiärer Verbände an der Papstwürde unterstreicht. Paschalis I. (817–824) war vor seiner Wahl Abt von S. Stefano bei St. Peter gewesen, sein Nachfolger Eugen II. (824–827) Archipresbyter von S. Sabina. Nach dem fast unbekannten Valentin (827) erschien Gregor IV. (827–844) öfters an der Seite Kaiser Lothars I. Der schon erwähnte Sergius II. aus der Familie Hadrians II. konkurrierte ganz kurz mit einem Diakon Johannes, nach ihm begegnet mit Leo IV. (847–855) ein Römer, Titelpriester von SS. Quattro Coronati, der mit dem Bau der Leostadt sein Andenken bis heute verewigt hat. Der Römer Benedikt III. (855–858) setzte sich wie sein Vorgänger Leo IV. gegen den ambitionierten und gelehrten Anastasius Bibliothecarius zur Wehr, den sein Nachfolger Nikolaus I. (858–867) rehabilitierte. Dessen dezidiert formulierte päpstliche Ansprüche führte der genannte Hadrian II. jedoch als „Erbe wider Willen“ nur bedingt fort. Johannes VIII. (872–882) ist vor allem durch eine Teilabschrift seines Registers besser bekannt; nach seinem Pontifikat nehmen die Quellen zur Papstgeschichte für längere Zeit ab.

Chronologisch einteilen lässt sich diese Epoche aus einer politikgeschichtlichen Perspektive am ehesten in die Zeit bis zur Kaiserkrönung Karls 800, in die hochkarolingische Zeit unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen und schließlich die spätkarolingische Zeit nach dem Vertrag von Verdun 843. In sachlicher Hinsicht sind dabei die neuen Strukturen und Phasen des Zusammenwirkens von Karolingern und Päpsten ebenso in den Blick zu nehmen wie die Wirkungsfelder in Rom und außerhalb der Stadt einschließlich der Kontakte zur nichtkarolingischen Welt.

Geschichte des Papsttums im Mittelalter

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