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10 Schlechtgeschnitzt

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Der Wagen steuerte wie von selbst durch den Schnee. In meinem Kopf wirbelten Gedankenstücke wie Schwemmholz. Gelegentlich verklemmten sich Stämme an einer Engstelle, zu deren Logik sie nicht gehörten, und es stockte. Der Wagen fuhr trotzdem weiter. Irgendwann bog er in die Einfahrt zum Haus meiner Mutter ein. Ich stoppte ihn fünf Zentimeter vor der Mauer am Ende der Einfahrt und grinste, weil ich mich an den Rat meiner Frau erinnerte, als sie sich zum letzten Mal von mir getrennt hatte.

„Fahr den Karren jetzt nicht an die Wand!“, hatte sie gesagt.

Wenn du wüsstest, dass in der schon ein großes Loch ist!, hatte ich seinerzeit gedacht.

Dieser Zeit zog ich die Handbremse an und dachte, ob ich nicht einfach abhauen sollte durch dieses Loch. Ich dachte an Cortés, an diese merkwürdige Geschichte, die mir Gonzalo vor Jahren erzählt hatte. Ich nickte versonnen und überlegte:

Warum verbrennst du deine Schiffe nicht? Wie dieser Cortés. Und haust ab, lässt diesen Mist hier hinter dir! Ich stemmte die Handballen gegen das Steuer. Ja, ein verdammter Mist wird das. Das riech ich! Hadernd presste ich die Lippen zusammen. Nein! Was sollte ich denn an besonderem Mist zu erwarten haben. Ehen gehen nun mal auseinander. Und manche kommen wieder zusammen!

Ich erinnerte mich an Günter Kaufmann, einen Kollegen und Kollaborationspartner aus Austin. Dessen Frau hatte sich auch von ihm getrennt und war nach sieben Jahren zurückgekehrt. Nach sieben Jahren! Vielleicht ... Mein lächerliches Gedankenstückchen hatte sich verklemmt. An einer Engstelle, für die es keine Logik gab. Nie eine Logik gegeben hatte? Nie eine geben würde?

Ich kam zu mir, führte mir vor Augen, dass es in meinem Leben einiges Gute gab, jede Menge anderes gab als Mist, doch resümierte: Aber vergiss diesen Ansatz von Cortés nicht. Der hat Potential!

Drinnen setzte ich mich an den Esszimmertisch und zündete mir eine Zigarette an. Wie ein schlechtgeschnitzter Holzjesus glotzte ich vor mich hin. Die Zigarette dampfte wie ein heißer Nagel zwischen meinen Fingern. Maria beziehungsweise meine Mutter kam aus der Küche und fragte:

„Wie war’s?“

„Wenig produktiv“, schnaufte ich, zog an meinem Nagel und ergänzte seufzend: „Lohnt sich nicht, darüber zu sprechen.“

„Hast du Hunger?“

„Nein“, schüttelte ich meine Dornenkrone.

„Kann ich dir etwas Gutes tun?“

„Nein“, schüttelte ich erneut, und realisierte, dass ich gerade einen wenig „attraktiven“ Eindruck machen musste. (Schlechtgeschnitzt eben.) Meine Mutter sah mich gespannt an. Ich lächelte und sagte: „Mir ist im Moment danach zumute, allein zu sein. Möchte ein paar Tage verreisen. Am besten fahr ich gleich los.“

Meine Mutter war von meinem Vorhaben nicht begeistert. Sie sagte es nicht, doch ich spürte, dass sie sich sorgte.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, erklärte ich also, „Ist nicht das erste Mal, dass ich verreise.“

„Finde ich nicht gut, dass du bei dem Schnee losfährst.“

Ich nahm ihren Vorwand gerne auf:

„Nicht weiter relevant. Ich fahr nach Südfrankreich. Dort hat’s keinen Schnee und die Autobahnen bis dahin sind frei.“

Praktisch. Hatte ich somit eher zufällig mein Reiseziel gefunden!

Nach einigem Hin und Her gab Mutter Ruhe. Anstandshalber entschuldigte ich mich bei ihr, dass ich sie über Weihnachten alleine ließe. Sie wehrte ab:

„Ach, das macht doch nichts. Du weißt ja, dass mir an Weihnachten nichts liegt.“

Ich „verzieh“ ihr gedanklich und starrte auf meinen „Nagel“.

Die Methode Cortés

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