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Es war spät, elf Uhr in der Nacht. Zunächst fuhr ich in Richtung Lyon. Wie erwartet waren die Autobahn weitgehend schneefrei. Zu Beginn der Fahrt fühlte ich mich ruhig. Ich hörte Radio, rauchte und stierte dröge auf die Straße.

Die Monotonie der Fahrt wurde ab Nancy von Bildern aus meinem Leben unterbrochen, die vor meinem geistigen Auge vorbeizogen. Bis Langres waren dies weit zurückliegende Bilder, die ich ungerührt betrachtete. Nach und nach erhöhte sich die Bildfrequenz dieses „internen Diavortrags“ und ab Dijon verdichtete sich die Vorführung auf Bilder meiner Familie. Ich sah das Lachen der Kinder, sah meine Frau an ihrem Schreibtisch, sah uns in Texas die Möbel zusammenpacken, in Luftpolsterfolie einwickeln und mit Paketband verkleben. Ich wusste, dass all dies geschehen war, aber ich betrachtete die Bilder nach wie vor mit jener Ungerührtheit. Ja, sie schienen mir unwirklich, als zeigten sie nie Geschehenes.

Unvermittelt, das musste auf der Höhe von Chalon–sur–Saône gewesen sein, konnte ich mich an die Gefühle erinnern, die ich in den jeweiligen Situationen empfunden hatte. Und mit der Erinnerung an diese Gefühle tauchten Fragen auf: Hatten wir nicht unsere Abreise vorbereitet? In unser neues Zuhause? Unsere neue Familie, die wir uns so gewünscht hatten? Meine Kehle brannte und meine Arme schmerzten wie von innerem Frost. Und die Kälte, die ich draußen sah, klirrte nun in mir, obwohl es warm im Wagen war.

Mit einem Male sah ich Bilder von Szenen, die ich noch nicht erlebt hatte: Wie meine Frau bei ihren Eltern den Weihnachtsbaum schmückte. Wie die Kinder ihr dabei „halfen“. Wie sie lachten und scherzten. Und mir wurde klar, dass ich nicht dabei war. Dass es nichts auszumachen schien. Dass ich überflüssig war!

Ich bemerkte, dass ich an Mâcon vorbeifuhr. Lyon war also nahe. In Lyon hatten meine Frau und ich Max gezeugt. Dort wollte ich nicht hin. Daher bog ich auf die Autobahn nach Grenoble ab. Durch den Kurswechsel war mein Diavortrag unterbrochen worden. Meine Kehle brannte aber noch, denn ich hatte nichts zu trinken. An der nächsten Raststätte hielt ich an, Wasser zu kaufen.

Die Raststätte war geräumig und von gedämpftem Licht durchflutet, nahezu die feierliche Atmosphäre einer Kathedrale ausstrahlend. An der Kasse wurde ich nicht gleich bedient, sodass ich mir gelangweilt die Auslagen anschaute. Aus einem Regal mit CDs griff ich mir ein Album von Celine Dion heraus. Die anderen Interpreten in der Auswahl kannte ich nicht. Die Bedienung kam.

Die Methode Cortés

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