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19 „Schlaf gut“

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Höningen, Dezember 2003

Mein Flug nach Austin war für den 28. Dezember gebucht. Diesmal fuhr ich mit dem Leihwagen zum Flughafen. Um sechs am Morgen musste ich aus Höningen los. Beim Einsteigen in den Wagen fiel mir ein, dass ich mich nicht von meiner Gattin verabschiedet hatte. Und im Streit wollte ich nicht gehen! Ich zog mein Handy und rief sie an.

Zunächst war sie schläfrig, erkannte mich jedoch, nachdem ich mich vorgestellt hatte. Sie schien sich sogar zu freuen:

„Gut, dass du anrufst! Wenn du wieder zurück bist, musst du unbedingt mal checken, ob die Rückerstattung von der Homeowners Versicherung schon angekommen ist. Da müssen wohl eigentlich noch fast zweitausend Dollar kommen.“

„Ich werde nachsehen, sobald ich in Austin bin“, antwortete ich ergeben.

„Und vergiss auch nicht, regelmäßig bei Juanita nach der Post zu schauen. Mindestens einmal pro Woche. Da müssen wohl auch noch ein paar andere Schreiben kommen. Und ich hab jetzt wirklich keine Lust auf Chaos. Also pass halt mit der Post auf.“

„Mach ich“, nickte ich wie ein gelehriger Schüler.

„Und sag Juanita, sie soll Max‘ Lehrerin ganz, ganz liebe Grüße von mir und Max ausrichten. Und bei Agatha aus Moritz‘ Kindergarten soll sie das Gleiche machen, für Moritz und mich halt. Wir würden sie ja sooo vermissen.“

„Wen?“, hatte ich womöglich nicht begriffen.

„Agatha.“

„Ach so!“, nickte ich, endlich begreifend, und bestätigte: „Okay, ich werde Juanita Bescheid sagen.“

„Ich schreib dir dann halt einfach mal eine E–Mail, wenn mir dann noch was einfällt.“

„Ist gut“, war ich nun zutiefst beruhigt.

„War’s das dann?“, erkundigte sich meine Frau.

„Nein“, antwortete ich, bohrte mir kurz im Ohr (das letzte „dann“ meiner Gemahlin war ein wenig zu scharf akzentuiert gewesen), und kam (dann) auf mein eigentliches Anliegen zu sprechen: „Ich wollte dir nicht nur auf Wiedersehen sagen. Ich wollte dir auch sagen, dass ich sehe, Fehler gemacht zu haben.“

„Die sind ja wohl wirklich kaum zu übersehen!“, zischte sie.

„Ich glaube nicht, dass wir das Gleiche meinen.“

„Aha. Also ich hab jetzt wirklich keine Lust auf Diskussionen!“, entgegnete sie schnippisch.

„Ich will nicht diskutieren“, erläuterte ich sanft, „Wollte dir nur sagen, dass ich meine Fehler sehe und es mir leidtut, sie gemacht zu haben. Ich werde mich ändern. Das versprech ich dir!“

„Das kommt jetzt ja wohl wirklich ein bisschen spät.“

„Nein“, korrigierte ich, nun sehr sanft, und ergänzte: „Jedenfalls hatten diese Fehler mit dir zu tun. Allerdings hast letztlich ebenso du mich, wenn auch ungewollt, auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht. Dafür möchte ich mich bedanken.“

„Okay. Kann ich dann jetzt wieder weiterschlafen?“

„Ja. Schlaf gut. Dann.“

Auf der Fahrt war ich froh, das alles hinter mir zu lassen. Und froh war ich auch, meiner Frau mitgeteilt zu haben, dass ich mich ändern würde. Ich wusste nicht, ob sie verstanden hatte, was ich gemeint hatte. Aber das war nicht wichtig.

Wichtig war, dass ich verstanden hatte. Denn ich hatte keine Lust mehr auf dieses ständige Nachgeben, das meine Rolle in unserer Ehe definiert hatte. Ständig nachzugeben und ständig Verständnis zu zeigen hatte nirgendwo hingeführt, wurde nur als Weichheit, die man ausnutzen könne, gedeutet. Und damit musste Schluss sein.

Das hatte ich meiner Frau mitteilen wollen. Und darauf, ob sie dies verstanden hatte, kam es nicht an. An kam es darauf, dass ich wusste, ihr dies mitgeteilt zu haben, ja, versprochen zu haben, dass ich mich ändern würde. Und da ich meine Versprechen hielt, brauchte ich mich nicht zu sorgen, ob es anders würde: Von meiner Seite sicher. Und von der Seite meiner Frau? Schwer zu sagen, doch unwahrscheinlich, denn sie war ein „unverträgliches Wesen“, das sich um den Standpunkt anderer nicht scherte, sobald er ihren Interessen im Weg stand.

Als ich hinter Dreisen auf die A63 fuhr, dachte ich auf einmal an Cortés und musste schmunzeln. Cortés hatte, um sich und seine Männer für den Feldzug gegen die Azteken zu motivieren, seine Flotte verbrennen müssen. Ich hatte für mein – sicher bescheideneres – Ziel lediglich ein Versprechen benötigt.

Tja, „Versprechen“, nickte ich. Meine „Geheimwaffe“ für hundertprozentige Motivation! Und grinsend schloss ich den Gedanken: Man muss eben nur die richtigen „Hebel“ finden!

Kurz vor dem Flughafen Frankfurt bot sich mir ein Sonnenaufgang, wie ich ihn bislang nicht erlebt hatte. Die Luft war kalt und klar und trocken und die Landschaft flimmerte in den frühen Sonnenstrahlen in grellen Gelb–, Violett– und Rottönen. Alles wirkte frappierend dreidimensional, gleißend hell, scharf und schön, beinahe unwirklich. Ich freute mich über einen derartigen Abschied – und Beginn meiner Reise zurück in die USA.

Die Methode Cortés

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