Читать книгу Klienten kennenlernen – Diagnosen dynamisch utilisieren - Krzysztof Klajs - Страница 21

2.8.1Diagnostische Aspekte der Metapher in der Aktivität des Klienten

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Manch ein Klient beschreibt sich und sein Leiden auf metaphorische Weise, verwendet Vergleiche, Analogien oder Symbole. So bekommt man beispielsweise vor Angst »Beine wie aus Gummi« oder man »zittert wie Espenlaub«. Von Neid oder Eifersucht kann man »zerfressen« werden, und während einer Depression »sieht man kein Licht am Ende des Tunnels« oder kann »zu Grunde gehen«.

Nach einem traumatischen Erlebnis kann »die Welt aus den Fugen geraten« oder man »verliert den Boden unter den Füßen«. Oder der Klient sagt: »Das konnte ich nicht schlucken«, »das ist schwer zu verdauen«, ich fühle mich »wie an der Leine gehalten«, »das sitzt mir in den Knochen«, »ich nage innerlich daran«, »mir ist schwer ums Herz« oder »ich sehe kein Land«. Die Liste derartiger Vergleiche ist unendlich lang. Die Metapher, die der Klient verwendet, deutet auf den dominierenden Sinneskanal hin (kinetisch, visuell oder auditiv), über den die Information aufgenommen und verarbeitet wird. In den oben genannten Beispielen dominiert die kinetische Sinneswahrnehmung. In Metaphern, die sich auf die Depression beziehen, wie »ich sehe keinen Ausgang aus diesem Labyrinth« oder »alles ist mit schwarzen Wolken verhangen«, ist eine visuelle Wahrnehmung zu erkennen. In dem Satz »in unserer Beziehung kracht es ständig« wird eine auditive Wahrnehmung deutlich. Erkennt der Therapeut die Verwendung von Metaphern und auch die Modalität, in der diese formuliert wurden, so kann er sich auf die Sprache des Klienten einstimmen und später dessen Möglichkeiten erweitern, indem er Metaphern einführt, die sich auf andere Sinneskanäle beziehen.

Manche Klienten beherrschen die Sprache der Metaphern fließend. Fragt man sie nach dem Ziel der Therapie, so geben sie zur Antwort »ich würde gern meinen Garten von Unkraut befreien«, »ich möchte in meinen Schubladen aufräumen« oder »ich will endlich die Sachen unter dem Teppich hervorkehren«. Existiert ein Familiengeheimnis, so hat man »eine Leiche im Keller« und der Satz »Nun wissen wir, wo der Hund begraben liegt« bezieht sich sicher nicht auf die Tierwelt.

Carl Gustav Jung beschreibt es so (Erickson a. Rossi 2014, pp. 49–50):

»Ein Symbol bedeutet nicht einfach, dass ein Objektes durch ein anderes ersetzt wird. Es ist vielmehr eine sehr gute Darstellung dessen, was im Prozess des Bewusstwerdens geschieht.«

Eine Metapher verdeutlicht also, dass sich das Bewusstsein auf dem Gebiet, das mithilfe der Metapher beschrieben wurde, in einem Evolutionsprozess befindet – auf einer Reise vom Unbewussten ins Bewusste, oder aber in die entgegengesetzte Richtung, vom Bewussten ins Unbewusste.

Ein Klient beginnt dann eine Therapie, wenn er auf bewusster Ebene nicht in der Lage ist, mit seinen (unbeabsichtigt erworbenen) Beschränkungen zurechtzukommen. Tauchen in der Erzählung des Klienten Metaphern auf, so ist das ein vielversprechender Hinweis darauf, dass innere Veränderungen bereits begonnen haben. Während des Therapieprozesses kann eine Metapher Einsichten voranbringen, die Bereitschaft signalisieren, sich an neue Einsichten anzunähern, und dann zur Entwicklung neuer Bedeutungen, eines neuen Verständnisses sowie zu Veränderungen auf bewusster Ebene führen. Dies ist weder die einzige noch die wichtigste Arbeitsweise mit der Metapher. Stützt sich die therapeutische Arbeit auf Symbole und Metaphern, kann das zwar zu Veränderungen auf bewusster Ebene führen, es kann aber auch

»einen immensen Einfluss durch eine Aktivierung unbewusster Assoziationsschemata ausüben« (O’Hanlon 1993, pp. 128–129).

Die Antwort, also die Reaktion auf eine metaphorische Botschaft des Therapeuten, hat ebenfalls diagnostische Bedeutung, denn sie liefert Informationen darüber, ob es für den Klienten einfacher ist, zu einem Thema auf bewusster oder auf unbewusster Ebene zu arbeiten.

Im ericksonschen Konzept, auch bei der Arbeit mit Metaphern, wird die Therapie oft auf der Ebene von Symbolen durchgeführt, und Veränderungen geschehen im Bereich des Unbewussten. Dies ist auch bei Kindern der Fall, die eine Therapie beginnen, um bestimmte Symptome zu reduzieren (Signer-Fischer, Gysin und Stein 2009). Möchte der Therapeut den Klienten dazu animieren, seine Symptome in metaphorischer Weise zu beschreiben, kann er ihm beispielsweise folgende Fragen stellen:

•Womit könnten Sie Ihre Symptome vergleichen?

•Sind Ihre Beschwerden wie ein Tisch, wie ein Stein, wie Nebel …?

•Welche Farbe hat Ihr Symptom?

•Wie treten Ihre Symptome auf? Wie Rauch oder eher wie ein Blitz?

•Welche Größe hat Ihr Symptom? Passt es in einen Fingerhut, auf einen Teelöffel oder auf einen Esslöffel?

Je mehr Kreativität der Therapeut hierbei entwickelt, desto mehr wichtige Informationen erhält er, die er später in der Trancearbeit verwenden kann.6 Indem er spontan Metaphern verwendet, teilt der Klient ein wesentliches Fragment seines Unbewussten mit dem Therapeuten. Das kann als Aufforderung verstanden werden, die Arbeit auf der Ebene des Unbewussten fortzuführen, wobei die Hypnose ein nützliches Werkzeug darstellt. Gleichzeitig signalisiert der Klient auf diese Weise, welche Arbeitssprache er für sich für geeignet hält und welche Vergleiche und Symbole, die nicht direkt benannt werden und keiner bewussten Beschränkung unterliegen, diese Sprache beinhalten soll.

Der Therapeut sollte abwägen, wie er mit der Metapher bezüglich diagnostischer Aspekte umgeht. Ermöglicht es die Metapher, dass der Klient ein besseres Verständnis für die eigene Person entwickeln kann? Wenn ja, sollte dann die Arbeit auf das Wachstum des Bewusstseins gelenkt werden? Diese Strategie ist beispielsweise bei Klienten nützlich, die in der Vergangenheit verharren. Ein Attribut des Erwachsenwerdens ist es, dass sich bei einer Person ein Verständnis für sich selbst und für die Welt entwickelt, außerdem bildet sich ein bewusstes Reflektieren heraus. Dennoch ist es manchmal besser, im Bereich des Unbewussten zu bleiben – etwa dann, wenn die Arbeit auf bewusster Ebene für den Klienten zu schwierig oder zu schmerzhaft ist, oder aber schon früher über lange Zeit nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat.

Der Bereich der Metapher ist nicht nur in der Diagnostik sinnvoll, Metaphern werden auch oft für therapeutische Interventionen verwendet. Wenngleich sich meine Arbeit darauf konzentriert, wie der Therapeut nach dem ericksonschen Ansatz den Klienten wahrnimmt, und die Konsequenzen der aus der Diagnose entwickelten Therapiestrategien nicht Thema dieses Buches sind, möchte ich hier dennoch ein Beispiel für die Verwendung einer Metapher anbringen:

»Ein 85-jähriger jüdischer Mann heiratet eine 25-jährige Frau. Nach einem halben Jahr ist die Frau schwanger. Der Mann geht zu einem Rabbi, um Rat einzuholen: ›Rabbi, was meinst du? Ist das Kind wohl von mir?‹

Der Rabbi antwortet: ›Dazu muss ich dir eine Geschichte erzählen. Ein älterer englischer Gentleman liebt die Großwildjagd. Er bucht eine Reise nach Afrika und geht dort auf die Jagd. Eines Morgens steht er früh auf und geht in den Dschungel auf die Pirsch. Mitten im Dschungel stellt er fest, dass er statt seines Jagdgewehrs seinen Regenschirm mitgenommen hat. Er hat nicht allzu viel Zeit, über seine Vergesslichkeit zu philosophieren. Plötzlich steht in unmittelbarer Nähe ein Löwe vor ihm, der unruhig mit seinem Schwanz peitscht. Reflexartig reißt der ältere Herr seinen Schirm hoch und legt an. Ein Knall ertönt, und der Löwe sinkt tot zu Boden.‹

Der Rabbi schweigt und schaut dem 85-jährigen Frager ins Gesicht. Dieser meint schließlich: ›Aber das kann doch nicht sein!? Da muss doch einer von der Seite geschossen haben!‹

Der Rabbi sagt: ›So sehe ich das auch‹« (Trenkle 2000).

Ein Symptom kann eine Metapher sein, die Prozesse widerspiegelt, die im Individuum oder in auch in einer Familie ablaufen.

Jan war zwölf Jahre alt und hatte noch einen jüngeren Bruder. In der Schule verhielt sich Jan aggressiv. Der Lehrerin gegenüber war er frech und hielt sich nicht an ihre Anweisungen. Als die Mutter deswegen in die Schule bestellt wurde, war sie nicht überrascht. Auch ihr gegenüber verhielt sich der Junge aggressiv, er benutze Schimpfwörter, einige Male hatte er seine Mutter sogar getreten. Zwischen Jans Eltern gab es seit fast einem Jahr Streit. Die beiden standen kurz vor der Scheidung, die von der Mutter eingereicht worden war. Jans Vater hatte beim Familiengericht das alleinige Sorgerecht für die beiden Söhne beantragt, damit war die Mutter nicht einverstanden. Die offen zutage tretende Aggression des älteren Sohnes war Spiegelbild der eher versteckten Aggression seines Vaters.

Hat ein Kind Angst, zur Schule zu gehen, kann diese Angst des Kindes Ängste der Mutter widerspiegeln, die sich davor fürchtet, mit einem Bereich der Gesellschaft außerhalb ihres Zuhauses konfrontiert zu werden. Immer wiederkehrende intensive Konflikte eines Vaters mit seiner jugendlichen Tochter können eine Metapher dafür sein, dass es früher starke Auseinandersetzungen des Vaters mit der Mutter der Tochter gab. Trägt eine Familie einen heftigen Konflikt mit der Tochter aus, wobei vor allem die Reaktionen der Tochter bei den Erwachsenen Beunruhigung auslösen, kann dies zu einer gegenseitigen Annäherung der Eltern führen, zumindest, wenn es um die Sorge um das gemeinsame Kind geht.

Werden Interaktionen innerhalb einer Familie beschrieben, tauchen oft metaphorische Beschreibungen wie beispielsweise Ehegeplänkel oder Familienbande auf. Solche Beschreibungen spiegeln die gegenseitigen Abhängigkeiten aller Personen im System wider.

So fielen etwa während einer Familiensitzung ein paar bedeutende Worte, die beispielhaft zeigten, welche Rolle Metaphern im Familiennarrativ spielen. Die Aussage war von metaphorischem Charakter und wurde zu einem Grundbaustein für die diagnostische Hypothesenstellung und das Kennenlernen der Familie.

Die Therapie wurde auf Empfehlung eines Dermatologen begonnen, der der jugendlichen Tochter, die unter psychosomatischen Beschwerden litt, eine Psychotherapie angeraten hatte. Während der Therapiesitzung berichteten die Eltern, dass sich ihre Tochter isoliere, sich zurückziehe und viel allein sei. Nach mehreren Familiensitzungen, bei denen auch das zweite, jüngere Kind anwesend war, verringerten sich die Symptome des Mädchens deutlich und es wurde etwas offener und zugänglicher. Die Mutter begann, mehr Zeit mit der Tochter zu verbringen. Sie gingen gemeinsam außer Haus, erledigten miteinander die Einkäufe und machten gemeinsam Sport. Als sich eine stabile Beziehung zwischen Mutter und Tochter entwickelt hatte, entschied der Therapeut, eine Sitzung nur mit den Eltern durchzuführen. Bei diesem Treffen sollte es um Ängste und Befürchtungen der Eltern in Bezug auf ihre elterlichen Pflichten gehen. Während der Sitzung fragte der Therapeut, wovor die Eltern die meiste Angst hätten. Völlig unerwartet antwortete der Vater: »Ich habe Angst, dass unsere Tochter uns eines Tages absticht.«

Dieser Satz rief beim Therapeuten Erstaunen hervor, denn bisher hatte nichts auf ein hohes Aggressionslevel in der Familie hingewiesen. Im Gegenteil, das Thema Wut, Gewalt oder Aggression war überhaupt nicht aufgetaucht. Die Mutter war so damit beschäftigt, von ihren eigenen Ängsten zu berichten, dass sie die Worte ihres Mannes anscheinend gar nicht gehört hatte. Als der Vater gefragt wurde, was er denn mit seiner Aussage gemeint hätte, bemühte er sich, sie zu bagatellisieren. »Nichts weiter, das ist mir so herausgerutscht, meine Tochter hat manchmal Wutanfälle, aber so ist das eben bei Kindern.«

Die kurze Aussage des Vaters wurde zur Grundlage dafür, dass drei mögliche Hypothesen bezüglich versteckter generationsübergreifender Aggressionen aufgestellt und später untersucht wurden. Die erste Hypothese: Der Tochter widerfuhr irgendwann bzw. widerfährt weiterhin etwas, wofür sie sich mit mörderischen Impulsen rächen könnte. Die zweite Hypothese war die, dass der Vater sich und seine Tochter mit anderen Personen in der Familie verwechselte (Halluzination). Das konnte bedeuten, dass sich im System ein dramatischer Vorfall ereignet hatte, aufgrund dessen die Elterngeneration aggressive und mörderische Impulse vonseiten des Kindes erwartete. Die dritte Hypothese wäre im Prinzip eine Verbindung aus den beiden vorangegangenen Hypothesen: Ein Drama, das sich in früheren Generationen ereignet hatte, wiederholte sich in der jetzigen Familie und spielte sich weiterhin dort ab. Diese Hypothese bedurfte einer weiteren Verifizierung, um dann anschließend in den Bereichen der in der Familie dominierenden Trancephänomene – Amnesie, Halluzination und Altersregression – arbeiten zu können.

Ein weiteres Beispiel dafür, welche Rolle die Metapher in der Therapie spielt, ist folgende Geschichte aus der Einzeltherapie von Frau E.:

Frau E., die sich seit einigen Monaten in Therapie befand, sagte während einer Sitzung ganz unerwartet: »Jetzt kann ich ja darüber sprechen: Bei mir zu Hause steckt ein Familiengeheimnis im Schrank.« Vor einigen Wochen hatte sie dort eine gut versteckte Schachtel mit Damenunterwäsche gefunden. Die Wäsche gehörte ihrem Mann. Heimlich zog er sie an, wenn seine Frau nicht zu Hause war. Die erste Ebene der Metapher »Familiengeheimnis« führte zur Arbeit an bisher verdeckten Aspekten der ehelichen Beziehung.

Der aufmerksame Therapeut interpretierte die Aussage von Frau E. als einen Hinweis, der sich nicht nur auf die aktuelle Familie bezog, sondern möglicherweise auch auf Geheimnisse in der Herkunftsfamilie der Klientin hindeutete. Die Metapher der »im Schrank versteckten Schachtel« wurde als Signal betrachtet, den bisherigen Bereich der Halluzination zu verlassen und Dinge, die bis dahin nicht wahrgenommen worden waren, zu sehen und darüber zu sprechen. Halluzination war bei Frau E. das dominierende Trancephänomen. Auch in der Familie der Klientin dominierte das Trancephänomen der Halluzination, sowohl in der, die sie gemeinsam mit ihrem Mann gegründet hatte, als auch in der Familie, in der sie aufgewachsen war. Nachdem aufgedeckt worden war, welche Ereignisse in der aktuellen Familie von Frau E. vorgefallen waren, und im nächsten Schritt der Therapie, was sich in der Herkunftsfamilie der Klientin ereignet hatte, konnte die Schutzfunktion der Halluzination erkannt und mit der therapeutischen Behandlung begonnen werden. Ziel der Therapie war es, die Halluzination aufzulösen und eine Hinwendung zur Wirklichkeit zu erreichen.

Herr F. war seit fünf Jahren verheiratet und hatte einen einjährigen Sohn. Er wurde mit der Diagnose Depression zur Psychotherapie überwiesen. Herr F. war noch nie stationär behandelt worden. Außer, dass er an Schlafstörungen und seit fast zwei Jahren an Müdigkeit litt, das Gefühl hatte, sein Leben hätte keinen Sinn und über das Nachlassen seiner Libido klagte, beklagte sich der Klient über die schwierige Beziehung zu seiner Frau. Herr F. meinte, die Beziehung hätte sich deutlich verschlechtert, seit seine Frau schwanger geworden war. Nach der Hochzeit hatte Herr F. mit dem Hausbau begonnen, nach zwei Jahren war das Haus fertig. Mehr als zehn Stunden täglich hatte er gearbeitet, damals hatte er genügend Energie und fühlte sich gut. Die meisten Arbeiten am Haus waren nach Feierabend vom Klienten selbst verrichtet worden. Der Hausbau war für Herrn F. ein gewaltiges Stück Arbeit gewesen, vor allem, da er, wie er es ausdrückte, »im Sumpf« gearbeitet hatte. Der Therapeut, den die Berichte vom Hausbau »im Sumpf« aufmerken ließen, unterbrach die Erzählung des Klienten und fragte ihn, was er mit seinen Worten meinte. Herr F. erklärte, er hätte das Haus auf dem Grundstück gebaut, dass er von seinen Eltern geerbt hatte. Ein Teil des väterlichen Landbesitzes war Sumpfgebiet. Dadurch war das Grundstück nicht viel wert und Herr F. hatte den Sumpf zuschütten müssen, was sehr arbeitsaufwendig und kostspielig gewesen war. Während der folgenden Sitzungen berichtete der Klient etwas mehr über seine Herkunftsfamilie. Sein Vater hatte viele Jahre Alkoholprobleme gehabt, seine Mutter wiederum war gewalttätig gewesen, sowohl dem Ehemann als auch den Kindern gegenüber. Alle hätten Angst vor ihr gehabt, und der Klient trug diese Angst, obwohl seitdem so viel Zeit vergangen war, weiterhin in sich. Diese Angst erkannte er auch in der Beziehung zu seiner Frau wieder, die, wie er meinte, damit drohte, ihn zu verlassen und das Kind mitzunehmen. Schrittweise wurde klar, dass sich die Worte »ich habe das Haus auf einem Sumpf gebaut« nicht nur auf den sumpfigen Baugrund, sondern auch auf die problematische und schmerzliche familiäre Vergangenheit von Herrn F. bezogen, die der Klient aus seiner Herkunftsfamilie in die aktuelle Familie übertrug.

An diesem Beispiel wird sowohl deutlich, dass der Klient in der Vergangenheit verharrt, als auch, dass er die Gegenwart ignoriert. Darüber hinaus sind Hinweise bezüglich einer Diagnose des familiären Systems enthalten. Viele Beschreibungen enthalten metaphorische Botschaften, die wichtig sind, um den Klienten zu verstehen. Dazu gehören auch die beiden Schlüsselwörter »Haus« und »Familie«. Eine scheinbar völlig nebensächliche Aussage, in der es darum geht, wie der Klient die Ferien verbringt, etwa »im Sommer fahre ich immer nach Hause«, kann darauf hindeuten, dass er seine Herkunftsfamilie mehr als zu Hause betrachtet, als die Familie, die er selbst gegründet hat, und dass die Bindung zu Personen aus der Vergangenheit stärker ist, als die zum eigenen Lebenspartner. Es kann wichtig sein herauszufinden, was mit den Worten »meine Familie« gemeint ist. Sind damit der Partner oder die Partnerin und die eigenen Kinder gemeint? Oder aber die Eltern und Geschwister? Der Begriff »Familie« kann auch Heimat bedeuten, das Gefühl, mit einer sozialen, ethnischen, nationalen oder religiösen Gemeinschaft verbunden zu sein. Das Wort »Haus« wiederum bezieht sich meist auf ein Gebäude, enthält aber auch andere Bedeutungen. Man kann zufrieden damit oder aber unglücklich darüber sein, aus welchem Hause man stammt. Ein Haus kann ungemütlich und zu eng sein, oder aber sicher und bequem. Entweder fühlt man sich »wie zu Hause« oder »wie auf gepackten Koffern«. Jemand hat nur »eine Ecke für sich« (z. B. bei den Schwiegereltern), hat »kein Dach über dem Kopf« oder »findet keinen Raum für sich«. Jegliche Berichte des Klienten zum Thema Haus oder Renovierungen am Haus (in Schlafzimmer oder Küche), zum Thema Hausbau oder Umzug enthalten, vor allem wenn sie bei einer Familientherapiesitzung angebracht werden, weitere versteckte Ebenen.

»Ich möchte in meinem Haus einfach nur ganz in Ruhe schlafen können« – mit diesem Satz drückte Herr G., ein etwa 50-jähriger Klient, das aus, was er mit der Therapie erreichen wollte. Sein bisheriges Leben bezeichnete er als gelungen. Herr G. war zufrieden mit seinem Leben, hatte aber schon seit Langem mit Schlafstörungen zu kämpfen. So wie immer, wenn ein Symptom über lange Zeit hinweg auftritt, genau beschrieben und definiert wird, stellte der Therapeut auch in diesem Fall Fragen, um die Funktion des Symptoms zu bestimmen und den Klienten besser verstehen zu können:

•Wer oder was lässt Sie nicht in Ruhe schlafen?

•Welche Träume wären noch schlimmer als die zermürbende Schlaflosigkeit?

•Was bedeutet die Dunkelheit der Nacht, in der Ihre Probleme auftreten?

•Was ist Schlaf und was bedeutet es zu wachen?

•Und vor allem, welche innere Erfahrung benötigt der Klient, damit er in Ruhe schlafen kann?

Das Bedürfnis »in Ruhe schlafen zu können«, was bei Schlaflosigkeit schließlich völlig selbstverständlich ist und oft während einer Psychotherapie thematisiert wird, kam in diesem Fall so deutlich zur Sprache und zog auf so intensive Weise die Aufmerksamkeit des Therapeuten auf sich, dass dieser selbst über die Heftigkeit seiner Reaktion erstaunt war. Die zweifellos wichtigen Worte waren mit einer ganz besonderen, schwer zu fassenden Emotionalität ausgesprochen worden. Der Therapeut konzentrierte sich also länger auf die Worte des Klienten und verfolgte seinen eigenen inneren Assoziationsprozess. Die Worte wurden daraufhin zum Schlüssel für eine komplexe Botschaft, die in den Symptomen enthalten war. Der Klient war das einzige Kind seiner Eltern. Ein Elternteil des Klienten hatte den Holocaust überlebt, der andere überlebte wie durch ein Wunder das Massaker von Wolhynien. In den Herkunftsfamilien beider Eltern waren fast alle Angehörigen ermordet worden, die Häuser wurden niedergebrannt und der gesamte Familienbesitz war verloren gegangen. Der Klient, der ungefähr 15 Jahre nach Kriegsende zur Welt gekommen war, konnte sich also an nichts aus dieser Zeit erinnern. Ganz offensichtlich konnte er sich aber auch nicht nicht erinnern.

Der Therapeut formulierte weitere Fragen und ließ seinen Assoziationen freien Lauf.

•Kann man sein Haus besitzen?

•Wer oder was ist ein Haus?

•Wenn man ein eigenes Haus hat, ist man dann sicher?

•Wenn man ein Haus besitzt, besitzt dann nicht auch das Haus einen Besitzer, und wenn ja, wer besitzt dann wen?

•Wenn das Haus einen Besitzer hat, ist das Haus dann Schutz oder eher eine Falle?

•Ist es besser, in seinem Haus nachts zu schlafen, oder zu wachen?

•Als Schlüsselfrage für die Diagnose erwies sich die Frage danach, welche Erfahrung für den Klienten notwendig wäre, damit er in seinem eigenen Haus in Ruhe schlafen könne.

Im Kontext all dieser Fragen nahm sowohl das Thema Schlaflosigkeit als auch das Bedürfnis des Klienten, im eigenen Haus in Ruhe schlafen zu wollen, eine neue Dimension an. Die Schlaflosigkeit war zwar ein ganz reales Problem des Klienten, aber gleichzeitig auch eine Metapher auf einer anderen Bedeutungsebene von Nacht und Leiden.

Oft hat ein Symptom selbst metaphorischen Charakter, und das Entschlüsseln der darin enthaltenen Bedeutungen kann wichtige Hinweise für die Behandlung liefern.

Herr H. war fast 30, hatte sein Studium abgeschlossen, arbeitete in dem Beruf, den er erlernt hatte, und lebte immer noch bei seinen Eltern. Herr H. war Einzelkind. Die Therapie begann er wegen Depressionen von gemäßigter Intensität, die sich bei ihm hauptsächlich in depressiven Stimmungslagen und in dem Gefühl ausdrückte, das Leben hätte keinen Sinn. Außerdem litt er unter einer Zwangsneurose, die sich in zwanghaftem Waschen, Aufräumen und Saubermachen äußerte. Während der Therapiesitzung sagte der Klient: »Ich muss die Dinge im Haus in Ordnung bringen.« Im ersten Moment schien dieser Satz mit seiner Zwangsstörung in Zusammenhang zu stehen. Der Therapeut vernahm aber die Worte »ich muss« deutlicher als die bloße Symptombeschreibung. Das führte zu weiteren diagnostischen Fragen:

•Wer oder was zwingt den Klienten, im Haus Ordnung zu machen?

•Wer könnte den Befehl, Ordnung machen zu müssen, wieder rückgängig machen?

•Wie lange schon besteht dieser Befehl?

•Wessen Unordnung muss der Klient aufräumen? Für wen räumt er auf (für die Eltern, die Großeltern)?

•Was bedeutet in diesem Fall »im Haus«? Die ganze Wohnung, einen Teil oder vielleicht das Elternhaus?

•Warum ist es besser, das weiter aufzuräumen, was er so oder so nicht schaffen kann, als den Befehl einfach zu missachten? Was wären die Konsequenzen für den Klienten oder für seine Familie, wenn er den Befehl nicht weiter befolgen würde?

Herr H. hatte Jura studiert, was ein unerfüllter Traum seiner Mutter gewesen war. Er selbst hatte sich eher für Informatik interessiert. In den Familien beider Eltern von Herrn H. bestanden zahlreiche Generationenkonflikte, innerfamiliäre Erbstreitigkeiten und nicht geklärte Vermögensfragen. Beide Eltern des Klienten kamen aus vermögenden Familien. Theoretisch. Denn der Reichtum existierte nur hypothetisch, es müssten erst alle Vermögensfragen der Familie in Ordnung gebracht werden. Das ganze Leben lang hatte Familie H. eher mit finanzieller Knappheit zu kämpfen gehabt. Auch zwischen den Eltern des Klienten gab es Vermögensstreitigkeiten und ungeklärte Angelegenheiten in Zusammenhang mit der gemeinsamen Firma und deren späterer Insolvenz. Im Kontext dieser Informationen waren die Aussage von Herrn H. zur Ordnung, die gemacht werden musste, sowie auch seine Worte über die Sinnlosigkeit des Lebens mehr als nur eine einfache Beschreibung seiner Symptome.

Metaphorische Äußerungen von Klienten sind oft komplex und beinhalten verschiedene Ebenen. Um zur nächsten Ebene der Metapher vorzudringen, sind manchmal mehrere Therapiesitzungen notwendig. Eine Mutter beispielsweise, die sich über das aggressive Verhalten ihrer 14-jährigen Tochter beklagt und sagt »ich bekomme keine Luft in ihrer Nähe«, meint damit sicherlich nicht ihre Atembeschwerden. Dennoch ist es wichtig, diese Aussage der Mutter über ihre Tochter ernst zu nehmen, denn es kann sich dabei um eine weitere Ebene einer Metapher handeln, die sich auf eine andere Person, vielleicht auch auf eine andere Zeit und einen anderen Ort bezieht. Möglicherweise stellt der Therapeut, der ja schließlich noch weitere Informationen zur Klientin besitzt, hier fest, dass die Aussage der Mutter, keine Luft zu bekommen, unbewusst auf eine andere Beziehung anspielt, die ihr die Luft zum Atmen nimmt. Statt der Tochter kann hier zum Beispiel die Mutter der Klientin gemeint sein. In diesem Falle wäre die Aussage der Klientin kein Vorwurf an die Tochter, sondern ein um eine Generation verspäteter Vorwurf an die eigene Mutter. Die Metapher würde dann auch bedeuten, dass die Klientin unbewusst ihre Tochter mit der eigenen Mutter verwechselt. Dieses Phänomen wird innerfamiliäre Übertragung genannt und gehört im ericksonschen Konzept zur Verzerrung der Wirklichkeit oder zum Trancephänomen der Halluzination. Eine solch bedeutungsvolle Aussage kann ein tieferes Verständnis für den Klienten nach sich ziehen und zur Eintrittskarte für eine weitere Arbeit mit Metaphern werden.

Hört der Therapeut eine Metapher aus einer Aussage seines Klienten heraus, erhält er somit einen diagnostischen Hinweis zu Gewichtigkeit und Intensität unbewusster Prozesse beim Klienten, gleichzeitig öffnet sich damit ein Tor zu diesen Prozessen. Eine Metapher zu erkennen hilft dem Therapeuten auch dabei, eine Methode für die therapeutische Arbeit auszuwählen. Einer Person, die selbst gern metaphorische Geschichten, Vergleiche und Anekdoten einsetzt, wird es leichter fallen, sich auf Interventionen des Therapeuten einzulassen, wenn er sich einer ähnlichen Sprache bedient.

Klienten kennenlernen – Diagnosen dynamisch utilisieren

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