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Vorwort

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In einem Augenblick der Verzweiflung lehnte ich mich an die erstbeste Tür. Ich landete in einem großen Saal. Und blieb länger. An jenem Morgen war ich erfolglos nach den Vorlesungen auf der Suche gewesen, die ich vorher sorgfältig ausgewählt hatte. Lange Flure, brauner Marmor, Treppen, Glastafeln und reihenweise einander ähnelnde Türen.

Es war an einem heiteren Maimorgen im Jahr 1987 im tschechischen Prag. Ein Kongress zur Familientherapie: »Wege, die verbinden«. Es klang einladend, genauso wie auch die außergewöhnliche Möglichkeit, die weite Welt kennenzulernen, die sich, woran ich fest glaubte, außerhalb der engen Grenzen des damaligen Polens erstreckte. Die Tschechoslowakei schien günstig. Dort lebte der Autor des einzigen Buches über Psychotherapie1, das während meiner Studienzeit auf Polnisch erhältlich gewesen war. Und obwohl schon beinahe zehn Jahre vergangen waren, seit ich meine Arbeit als Therapeut begonnen hatte, und ich inzwischen am Lehrstuhl für Psychiatrie lehrte, hatte sich diesbezüglich nicht viel geändert. Fachzeitschriften trafen in der Unibibliothek mit einjähriger Verspätung ein, und im Übrigen handelte es sich hierbei auch nur um wenige, nicht unbedingt bedeutende Titel. Fremdsprachige Publikationen waren im Grunde nicht zugänglich, und polnische Publikationen gab es nicht. In dieser Situation war die Gelegenheit, Therapeuten aus anderen Ländern persönlich zu treffen und sich zumindest anzuhören, was in der Welt geschah, wie die Aussicht, nach einem unendlich langen Wintersmog klare Frühlingsluft zu atmen. Der Kulturpalast – ein Ort für Feierlichkeiten der Partei. Die Altstadt und der Blick auf den Fluss. Der Kongress. Nach dem Vortrag im riesigen Konferenzsaal über ein Dutzend Workshops, Diskussionsrunden und Live-Demonstrationen parallel. Zum ersten Mal hatte ich die Möglichkeit, an solch einem Treffen teilzunehmen, und niemand konnte zu dieser Zeit wissen, ob sich eine derartige Chance je wiederholen würde. So viele interessante Themen, wie sollte man da eine Auswahl treffen? Gar nicht so einfach. Noch schwieriger ist es aber zuweilen, das, was man ausgewählt hat, auch zu finden.

Ich lehnte mich also an die Tür. Sie öffnete sich, und ich landete im Saal. Bernhard Trenkle und Gunther Schmidt sprachen gerade über die ericksonsche Therapie. Ich blieb bis zum Schluss, und in gewisser Weise verweile ich weiterhin in diesem Vortrag, auch wenn ich heute selbst ähnliche Vorträge halte. Auch später hatte ich oft das Glück, vielen guten, wunderbaren und hilfsbereiten Menschen zu begegnen. Ohne diese Menschen wäre nicht nur dieses Buch nicht entstanden, es wäre auch nicht zur Gründung des polnischen Milton H. Erickson Instituts gekommen. Auch würde es nicht solch eine große Anzahl an Therapeuten geben, die aus dem Erbe Milton H. Ericksons Inspiration für ihre therapeutische Arbeit schöpfen. Wenn wir die Summe all dessen sind, was wir aus Begegnungen mit wichtigen Menschen verinnerlicht, und dessen, was wir daraus gemacht haben, so müsste eine recht große Gruppe von Menschen nicht nur für die glücklichen Umstände jenes Frühlingsmorgens dankbar sein, nicht nur Milton H. Erickson, den sie nie persönlich kennengelernt haben, sondern müsste vor allem auch den vielen wohlwollenden Lehrern gegenüber Dankbarkeit empfinden. All diesen Lehrern, auch wenn ich sie hier nicht alle namentlich erwähne, möchte ich herzlich danken.

Einigen Personen möchte ich jedoch ganz besonderen Dank erweisen. Neben meinem langjährigen Freund Bernhard Trenkle, der mich mit Ausdauer und Geduld auf die Pfade verschiedener Geschichten, Länder und Kulturen führt, verdanke ich auch sehr viel der Freundschaft und Unterstützung von Dr. Jeffrey Zeig – dem Direktor der Milton H. Erickson Foundation. Ganz herzlich möchte ich mich auch bei Brent Geary, Betty Alice Erickson, Wolf Buenting und Jerry Koganow bedanken.

Ohne die Kreativität der Gruppe von Therapeuten am polnischen Milton H. Erickson Institut, ohne den Mut und die Offenheit meiner Schüler und Supervisanden, ihre zuweilen schwierigen klinischen Erfahrungen zu teilen, und vor allem ohne den heiteren Optimismus und die positive Einstellung von Katarzyna Szymańska, die gemeinsam mit mir das polnische Milton H. Erickson Institut leitet, hätte dieses Buch niemals entstehen können.

Ebenso möchte ich mich bei Frau Dr. Anna Pohorecka und bei Frau Dr. Celina Brykczyńska für die hilfreichen und wohlwollenden Hinweise während meiner Arbeit an diesem Buch bedanken.

An jenem Frühlingsmorgen öffneten sich Türen für viele zukünftige Begegnungen, für Gespräche, Schulungen, Kongresse und Workshops, die schrittweise auch dadurch möglich wurden, dass sich Europa und die Welt auf freundschaftliche Weise auch für diejenigen öffnete, die schlechte Ausbildungsbedingungen hatten, die in den Bibliotheken keine Bücher finden konnten, die sie interessiert hätten, die nicht einmal deren Titel kannten oder etwas über die Autoren wussten, und denen nur die Hoffnung blieb, dass solche Bücher überhaupt existierten.

An jenem Tag machte ich auch die bewegende Erfahrung, dass man einer vom Unbewussten getroffenen Entscheidung vertrauen und sich von ihr leiten lassen kann. Dass eine solche Entscheidung Früchte trägt, an denen man sich später wird erfreuen können.

Die Überlegungen, die ich in dieser Arbeit anführe, sind der Versuch einer Synthese meiner langjährigen Arbeit als Therapeut, Supervisor und Lehrtherapeut.

Der erste Teil beinhaltet allgemeine Reflexionen zum Thema Diagnoseprozess.

Im zweiten Teil geht es darum, die fünf Bereiche der ericksonschen Diagnostik zu verstehen und zu beschreiben: Diagnosekategorien, Trancephänomene, Systemreflexion, Ressourcen und Motivation.

Ich konzentriere mich in diesem Buch auf die Darstellung von Methoden zum Kennenlernen und Verstehen des Klienten und möchte zeigen, wie der Therapeut seine eigene Arbeit wahrnimmt. Beschäftigt man sich mit den zahlreichen Beispielen der Therapie, wie sie Milton Erickson und seine Nachfolger durchführten, könnte man den Eindruck gewinnen, alles sei im Prinzip nur eine Frage der Intuition oder etwa eines schwer zu erfassenden unbewussten Denkprozesses beim Therapeuten. Vom Standpunkt des Therapeuten aus steht hinter dem konkreten Handeln jedoch immer eine fundierte Reflexion bezüglich der Diagnostik. Diese Publikation zeigt die Denkweise des Therapeuten auf, blickt darauf, wo seine Schwerpunkte liegen und welche Bedeutung er dem zuschreibt, was er sieht, hört und fühlt. Beispiele aus der therapeutischen Praxis veranschaulichen das.

Erickson hinterließ viele gut dokumentierte Mitschriften zu den Therapiesitzungen, die er durchführte. Allerdings hinterließ er kein grundlegendes Werk, kein Lehrbuch, keine Zusammenstellung, in der er seine eigene Arbeit zusammenfasste. Einige empfinden das als einschränkende Schwierigkeit, andere wiederum als Anreiz, dieses Thema weiterzuentwickeln und Grenzen zu überschreiten, die immer dann entstehen, wenn Dogmen, feste Glaubenssätze und grundlegende Prinzipien aufgestellt werden.

Den Klienten kennenzulernen ist eine faszinierende Reise mit dem Ziel, therapeutische Veränderungen herbeizuführen und einen Weg einzuschlagen, der zu Gesundheit, Wachstum und Entwicklung führt. Ich hoffe, dass dieses Buch dabei helfen kann, zum Ziel zu gelangen und wünsche eine angenehme und interessante Reise.

Krzysztof Klajs Łódź, im März 2017

1Psychotherapia von Stanislav Kratochvil.

Klienten kennenlernen – Diagnosen dynamisch utilisieren

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