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18. Radfahrer

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Hinsichtlich der Sorgfaltspflicht des Fahrers beim Ein- und Aussteigen (Tür öffnen) darf auf Rn. 139 f. verwiesen werden. Der Radfahrer darf nicht zu nahe an einem haltenden Kfz vorbeifahren und muss mit Öffnen der Türe rechnen. Deshalb muss er grundsätzlich einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten. Andererseits muss der Kraftfahrer den Vorrang des fließenden Verkehrs beachten. Wenn der Fahrer plötzlich die Tür öffnet, kann gegenüber diesem grob fahrlässigen Verhalten das Verschulden des Radfahrers zurücktreten.[439]

Wird ein Radfahrer überholt, so hat dies unter Einhaltung eines hinreichenden Abstandes zu geschehen, § 5 Abs. 4 S. 2 StVO.[440]

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Auch ein Radfahrer muss die Vorschriften der StVO, insbesondere die Vorfahrt und die Bestimmungen über das Anzeigen der beabsichtigten Fahrtrichtungsänderung usw. beachten. Die Vorfahrt hat er aber dann nicht verletzt, wenn er auf der Vorfahrtsstraße schon 25 m gefahren ist und der Vorfahrtsberechtigte ihn erst dann erreicht.[441] Ein bevorrechtigter Fahrer braucht ohne besondere Anhaltspunkte nicht damit zu rechnen, dass ein Radfahrer unter Missachtung seiner Wartepflicht die Straße an einer Lichtzeichenanlage bei ausgeschaltetem Ampellicht innerhalb der für Fußgänger bestimmten Markierung überquert.[442] Auch auf Fußgängerüberwegen muss er das Fahrrad schieben.[443] Steigt der Radfahrer ab und überquert er die Fahrbahn auf dem Fußgängerüberweg, indem er mit einem Fuß auf ein Pedal steigt und „rollert“, ist dies jedoch kein Verstoß gegen das Verbot, den Fußgängerüberweg mit dem Fahrrad zu befahren.[444] Biegt der Radfahrer vom Radweg auf die Fahrbahn ein, ist er nicht wartepflichtig, sondern hat auf den Straßenverkehr nur gebührende Rücksicht zu nehmen.[445] Ein aus der Nebenstraße kommender Radfahrer, der beim Überqueren der Hauptstraße das Rad führt und danach am rechten Fahrbahnrand wieder besteigt, verletzt nicht die Vorfahrt.[446] Biegt der Radfahrer jedoch nach links auf den Radweg der bevorrechtigten Straße und zwingt dabei einen dort entgegenkommenden Radfahrer zum Ausweichen, dann verletzt er dessen Vorfahrt.[447]

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Nach § 9 Abs. 2 StVO müssen Radfahrer, die auf der Fahrbahn abbiegen wollen, an der rechten Seite der in gleicher Richtung abbiegenden Fahrzeuge bleiben, wenn dort ausreichender Raum vorhanden ist. Radfahrer, die nach links abbiegen wollen, brauchen sich nicht einzuordnen. Sie können die Fahrbahn hinter der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überqueren. Dabei müssen sie absteigen, wenn es die Verkehrslage erfordert. Ist eine Radwegführung vorhanden, so ist dieser zu folgen. Verletzt der Radfahrer seine Sorgfaltspflichten, so hat er je nach den Umständen den Unfall allein oder mitverschuldet.[448] Überholt ein Radfahrer auf abschüssiger Strecke in einer scharfen Rechtskurve einen Lkw auf der rechten Seite und gerät er dabei unter den hinteren rechten Zwillingsreifen, so kann die Betriebsgefahr des Lkw unberücksichtigt bleiben.[449] Befährt der Radfahrer den Fußgängerüberweg, trifft ihn eine Mithaftung, auch wenn der Pkw zu schnell herankommt.[450]

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Der Arbeitskreis IV (Radfahrer im rechtsfreien Raum?) des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstags 2009 hat den Radfahrern das Tragen eines Helmes empfohlen.[451] Eine gesetzliche Pflicht für Radfahrer zum Tragen eines Helms existiert aber bis heute nicht. Lange Zeit war ungeklärt, ob fehlende Eigensicherung ein Mitverschulden des Fahrradfahrers begründet. Diese Frage hat der BGH – zumindest vorläufig – geklärt.[452] Solange das Tragen von Schutzhelmen weder gesetzlich vorgeschrieben ist noch dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entspricht, braucht sich der Radfahrer das Fehlen eines Schutzhelmes nicht mithaftungsbegründend entgegenhalten zu lassen. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Unfalljahr 2011 war das Fahrradfahren ohne Helm verkehrsgerecht. Über alle Altersgruppen hinweg trugen innerorts lediglich rund 11 % der Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Trotz leicht angestiegener Quote im Vergleich zum Vorjahr bewegte sich die Anzahl derer, die mit Schutzhelm fahren, immer noch auf einem niedrigen Niveau. Auch wenn das Tragen eines Helms sicherlich wünschenswert ist und Verletzungsfolgen erheblich mildern kann, konnte der BGH ein allgemeines Verkehrsbewusstsein nicht feststellen.[453]

Das OLG Düsseldorf nimmt hingegen bei einem Rennradfahrer eine Helmpflicht an, deren Verletzung bei besonders grob fahrlässigem Fahrverhalten des Radfahrers hinsichtlich unfallkausaler Kopfverletzungen sogar zu seiner Alleinhaftung führen kann.[454] Dem OLG Düsseldorf folgend bejaht auch das OLG Saarbrücken eine Helmpflicht, wenn sich der Radfahrer als sportlich ambitionierter Fahrer besonderen Risiken aussetzt, was in den vom OLG entschiedenen Fällen allerdings nicht vorlag.[455] Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 17.6.2014 die Frage, inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichtragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, ausdrücklich offen gelassen.[456]

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Schiebt der Radfahrer sein Rad, so darf er sich vor dem Abbiegen nach links nicht links einordnen. Benutzt er die Fahrbahn, weil er auf dem Gehweg oder Seitenstreifen andere Fußgänger erheblich behindern würde, muss er am rechten Fahrbahnrand gehen (§ 25 Abs. 2 StVO). Fährt er mit seinem Rad über einen Fußgängerüberweg, so genießt er nicht den Schutz des § 26 Abs. 1 StVO.[457]

Beim Auffahren eines Radfahrers bei Dunkelheit und Regen auf einen unbeleuchtet abgestellten Lkw kann ihn ein hälftiges Mitverschulden treffen.[458] Fährt er bei Dunkelheit ohne Licht bei Rot in eine Kreuzung, so haftet der unfallbeteiligte Pkw-Halter nur zu ¼ nach StVG.[459]

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Auch ein Radfahrer muss auf Sicht fahren, also in der Lage sein, sein Fahrrad innerhalb der überschaubaren Strecke anzuhalten (§ 3 Abs. 1 S. 4 StVO).[460]

Bei einem Zusammenstoß zwischen einem Radfahrer, der entgegen der Fahrtrichtung linksseitig einen Mehrzweckstreifen benutzt, und einem Pkw-Fahrer, der aus einem Grundstück kommend über den Mehrzweckstreifen auf die Fahrbahn einbiegen will, trifft beide Unfallbeteiligte ein Verschulden.[461]

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In Einbahnstraßen darf er sein Fahrrad nur in der vorgeschriebenen Fahrtrichtung mitführen. Durch Zusatzschild kann Fahrradverkehr in der Gegenrichtung zugelassen werden.[462]

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Für die Benutzung von Radwegen gilt gemäß § 2 Abs. 4 StVO: Eine Benutzungspflicht für Radfahrer besteht für durch Verkehrszeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnete rechts verlaufende Radwege bzw. für links verlaufende Radwege, wenn diese durch die genannten Zeichen für die Gegenrichtung freigegeben sind. Andere rechte Radwege dürfen sie benutzen, wenn sich diese baulich zweifelsfrei als Radwege darstellen. Sind beiderseits ausreichend breite Radwege vorhanden, darf ausnahmsweise der linke Radweg benutzt werden, wenn er durch Zeichen 237, 240 oder 241 freigegeben ist. Rechte Seitenstreifen dürfen benutzt werden, wenn keine Radwege vorhanden sind und Fußgänger nicht behindert werden. Außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen Mofas Radwege benutzen (§ 2 Abs. 4 S. 5 StVO). Linke in Einbahnstraßen-Richtung verlaufende Radwege werden durch Befahren in entgegengesetzter Richtung nicht „rechte“ Radwege nach § 2 Abs. 4 StVO. Ohne Verkehrszeichen 237 ist die Benutzung in dieser Richtung untersagt.

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Die Radwegbenutzungspflicht gilt auch für Liegeräder[463]. Benutzt ein Radfahrer statt eines vorhandenen Radweges die Fahrbahn, so kann ihn eine 25%ige Mithaftung treffen, wenn er von einem überholenden Pkw angefahren wird.[464] Kreuzt er die Fahrbahn, so steht ihm nur ein StVG-Anspruch in Höhe von 25 % zu.[465] Der Radfahrer auf der Vorfahrtsstraße behält aber auch dann sein Vorfahrtsrecht gegenüber kreuzenden und einbiegenden Fahrzeugen, wenn er den linken von zwei vorhandenen Radwegen benutzt, der nicht nach § 2 Abs. 4 StVO für die Gegenrichtung freigegeben ist.[466] Endet ein Radweg in einem Kreuzungsbereich, so darf ein Radfahrer seine Fahrt nicht – auch nicht zur Überbrückung einer kurzen Wegstrecke – fortsetzen, sondern muss entweder absteigen oder auf die Fahrbahn ausweichen.[467] Befährt ein Radfahrer statt eines Radweges den Gehweg in falscher Fahrtrichtung und nähert er sich von rechts kommend einer schwer einsehbaren Einmündung einer Nebenstraße, trifft ihn bei einer Kollision mit einem aus der Nebenstraße herannahenden Kfz die Alleinhaftung und zwar auch dann, wenn den Führer des Kfz ein geringes Verschulden trifft.[468]

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Sind Rad- und Fußweg lediglich farblich getrennt, muss der Radfahrer gemäß § 1 Abs. 2 StVO Rücksicht nehmen und darf nach § 3 Abs. 1 StVO nur so schnell fahren, dass er das Fahrrad ständig beherrschen und innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann.[469]

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Der Charakter eines Weges als Radweg oder anderer Weg (z.B. Feldweg) bestimmt sich nach dem äußeren Bild dieses Weges. Auch ein äußerlich von der Fahrbahn getrennter Weg kann ein Radweg sein und an der Vorfahrt der parallel zu ihm verlaufenden Fahrbahn teilhaben.[470]

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Weitere wichtige Hinweise

Kinder bis zum vollendeten 8. Lebensjahr müssen, ältere Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr dürfen mit Fahrrädern Gehwege benutzen (vgl. Rn. 286).
Fahrradstraßen werden durch Zeichen 244 und 244a StVO gekennzeichnet. Diese Straßen dürfen nur von Radfahrern befahren werden.
Radwege müssen nur dann benutzt werden, wenn diese als Wege für die jeweilige Fahrtrichtung mit dem Zeichen 237 (Radfahrer), 240 (gemeinsamer Fuß- und Radweg) oder 241 (getrennter Fuß- und Radweg) ausgewiesen sind.
Zeichen 205 weist darauf hin, dass für den Radverkehr entlang der bevorrechtigten Straße nicht nur der in Fahrtrichtung rechte, sondern auch der linke Radweg freigegeben ist (Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO, lfd. Nr. 2).
Radfahrer müssen nicht die Seitenstreifen befahren. Diese dürfen nur dann benutzt werden, wenn keine Radwege vorhanden sind und Fußgänger nicht behindert werden, § 2 Abs. 4 S. 4 StVO.
Durch Markierung mit Zeichen 340 können zwischen Fahrbahnrand und Fahrstreifen Schutzstreifen eingerichtet werden. Andere Fahrzeuge dürfen die Markierung nur überfahren, wenn eine Gefährdung von Radfahrern ausgeschlossen ist (Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO, lfd. Nr. 22). Seit dem 1.9.2009 kann durch Zusatzzeichen nach § 31 Abs. 2 StVO Inlineskaten und Rollschuhfahren auf der Fahrbahn, den Seitenstreifen und Radwegen erlaubt werden. Außerhalb dieser Bereiche ist es verboten. Wer sich in den erlaubten Bereichen mit Inline-Skates oder Rollschuhen fortbewegt, hat sich mit äußerster Vorsicht und unter besonderer Rücksichtnahme auf den übrigen Verkehr am rechten Rand in Fahrtrichtung zu bewegen und Fahrzeugen das Überholen zu ermöglichen.
Durch Zusatzschild zu Zeichen 245 der StVO kann eine Busspur für den Radverkehr freigegeben werden.

1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führersV. Verhalten im Straßenverkehr › 19. Inlineskater

Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden

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