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Das Auswahlverfahren für die Volleyballmannschaft findet nächste Woche statt. Jessa Timms hat mich schon viermal daran erinnert. Ms Reinhold hat es gar nicht erwähnt. Ich habe Jessa gesagt, dass ich darüber nachdenke. Das werde ich. Ich werde darüber nachdenken, dass ich nicht versuchen werde, der Volleyballmannschaft beizutreten.

Wieder klicke ich auf den Link, den Ms Reinhold mir geschickt hat. Sie hatte recht. Das, was sich auf meinem Handy öffnet, ist keine Angelegenheit der Schule. Und mit Volleyball hat es auch nichts zu tun.

Es ist eine Website namens Sport Stütze.

Das Logo sieht aus, als hätte es jemand zu Hause am Computer entworfen, und zwar zu der Zeit, als meine Eltern noch zur Schule gingen. Die Schrift erinnert an die Formel 1 und die Buchstaben sind so hervorgehoben, dass man zunächst Port Tütz liest. Der restliche Text auf der Seite ist hauptsächlich gelb auf blauem Untergrund. Es ist die billigste Website, die ich je gesehen habe, und zwar einschließlich der, die Tyler und seine Freunde in der dritten Klasse gemacht haben, damit sie Videos von ihren Matchbox-Auffahrunfällen posten konnten.

Es ist eine billige Website, die eine sehr teure Sache verkauft: einen Sport-BH.

Nur ist es nicht irgendein Sport-BH. Er hat einen speziellen Namen. Er nennt sich Der Stabilisator und auf der Seite steht, dass er für »aktive Frauen mit Körbchengröße F bis J« konzipiert ist. Da steht außerdem, dass sein »einzigartiges Design« und seine »patentierte Fasermischung« »die Brust stützt und für perfekten Halt sorgt«. Er »lässt Nacken- und Schulterschmerzen verschwinden«, »reduziert unkontrollierte Bewegung«, »nimmt Feuchtigkeit auf und transportiert sie nach außen« und »sorgt für einen schlank machenden und figurschmeichelnden Sitz«. Es gibt ihn in einer Farbe: beige. Und es gibt auch ein Foto von ihm. Er sieht aus wie ein riesiger Knoten aus elastischen Bandagen, in die zwei große beige Schutzschilder hineingenäht wurden. Er sieht weder schön noch bequem aus.

Der Stabilisator klingt wie der Titel eines Films mit Denzel Washington, nicht wie etwas, in das ich meine Brüste schnalle.

Aber es gibt 267 Kundenrezensionen, die durchschnittlich 4,9 von 5 Sternen haben.

Seit ich den Link das erste Mal geöffnete habe, lese ich die überschwänglichen Bewertungen wieder und wieder.

Alter: 30 – 35

Größe: 70G/H

Gerade bin ich mit dem Stabilisator meinen ersten Halbmarathon gelaufen und kann gar nicht fassen, wie gut ich mich fühle! Ich habe überhaupt keine Schmerzen. Und ich musste nicht ständig alles wieder zurechtrücken!!! Alles blieb, wo es bleiben sollte. Und kein Mono-Busen! Unglaublich!! Absolut seinen Preis wert.

Alter: 50 – 59

Größe 95I

Ich habe jeden Damenbüstenhalter ausprobiert, den es gibt, und als der kam, hat eine Freundin zu mir gesagt: »Mach halt, du kriegst ja zur Not dein Geld wieder.« Ich sag euch, ich werde mein Geld NICHT zurückverlangen. Der beste BH, den ich in 50 Jahren getragen habe, von allen Büstenhaltern. Ich mach keinen Sport, aber ich trag ihn immer, außer wenn ich schlafe. In Weiß würd ich ihn auch kaufen, wenn sie ihn hätten.

Alter: 12 – 18

Größe 70J

Ich liebe, liebe, liebe diesen BH. Ja, hübsch ist er nicht. ABSOLUT nicht hübsch. Aber so was wie Victoria’s Secret oder trägerlose BHs kann ich, seit ich elf bin, sowieso nicht mehr tragen. Er hält alles zusammen und wenn ich renne oder Beifall klatsche, hüpft nicht mehr alles durch die Gegend. LOL. Ständig werde ich jetzt gefragt, ob ich abgenommen habe. Lieber ein BH, der funktioniert, als ein hübscher, der nicht tut, was er soll. Und ich kann mir ja immer noch hübsche Slips kaufen. LOL.

»Was guckst du dir gerade an?«

Ich versuche so hastig den Browser zu schließen, dass mir das Handy runterfällt. Und als Jackson sich bückt, um es aufzuheben, trete ich ihm auf die Hand, damit ich zuerst darankomme.

»Tut mir leid! Tut mir wirklich so leid!«, sage ich und stopfe das Handy schnell in meine Tasche.

»Aha, was Unangemessenes«, folgert Jackson.

»Nein! Nur … irgendwie persönlich.« Sobald ich das gesagt habe, fürchte ich, er könnte jetzt denken, dass ich Nacktbilder sende oder empfange. »Aber es sind keine Bilder!«, platzt es aus mir heraus.

»Oh-kaaaaaayyyyy.« Jetzt klingt es definitiv so, als wären es Bilder. Aber ich habe keine Ahnung, was ich sagen könnte, um es nicht noch schlimmer zu machen. Also stehen wir einfach schweigend vor dem Matheraum.

»Dann bis später, schätze ich«, sagt er mit einem Achselzucken.

Es sind noch sechs Minuten, bis der Unterricht anfängt, und ich möchte nicht, dass er schon geht. Also sage ich das Erste, was mir durch den Kopf geht. »Ich will versuchen, in die Volleyballmannschaft zu kommen.« Nein, will ich nicht. Warum sage ich so was?

»Volleyball?«, hakt Jackson nach.

»Ja, aber ich komme wohl eh nicht rein. Jedenfalls bestimmt nicht in die Auswahlmannschaft. Wahrscheinlich nicht mal in die Junior-Auswahlmannschaft.«

Mich so kleinzumachen, sieht mir sonst eigentlich gar nicht ähnlich. Aber ich habe mich ja sowieso schon entschieden, gar nicht in die Mannschaft zu wollen, weil viel zu viel gehüpft wird und weil ich nicht vorhabe, mich von dem Volleyballtrikot zerquetschen zu lassen.

»Ist die Konkurrenz denn groß?«

»Ich … ich habe keine Ahnung, ehrlich gesagt.«

»Und warum denkst du, dass du es nicht in die Mannschaft schaffst?«

»Ich weiß es nicht. Ich wollte einfach nicht davon ausgehen.«

»Du solltest an dich glauben.« Er klingt wie eine Meerjungfrau bei Disney, die ihrem Seelöwen-Freund Mut zuspricht. Als es zum Unterricht klingelt, rührt er sich nicht vom Fleck. »Sprich mir nach: Ich bin.«

»Ich bin.«

»Die beste.«

»Die beste.«

»Volleyballerina.«

Ich pruste: »Volleyballerina.«

»Die je die Hallen der Kennedy Highschool mit ihrer Anwesenheit beehrt hat, so wahr mir das Olympische Komitee helfe.«

»Die je die Hallen was auch immer.«

»Sag, du wirst es schaffen.«

»Du wirst es schaffen.«

»Sag, ich, Greer, werde es in die Mannschaft schaffen.«

Ich verdrehe die Augen, aber er gibt nicht nach. Wir stehen uns gegenüber und ich fühle mich unter seinem Blick federleicht, so als würde ein kleiner Schmetterling in meinem Bauch seine Fühler aus seinem Kokon strecken. Schließlich sage ich: »Ich, Greer, werde es in die Mannschaft schaffen. Verdammt noch mal«, ergänze ich noch, um das Maß voll zu machen.

»Das ist die richtige Einstellung«, meint er und stößt mich mit seiner Schulter kurz an. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mir ein sehnsüchtiger Seufzer entfährt, so wie der Meerjungfrau, wenn der Meerprinz ihr eine Perle schenkt und sie sich in ihn verliebt.

Als die Tür zu meinem Kursraum hinter mir zugeht, merke ich, dass ich ganz offiziell zu spät bin, obwohl ich schon seit fast fünfzehn Minuten im Gebäude bin.

»Scheiße«, sagt Jackson auf Deutsch und stürzt davon.

Tja, dann werde ich wohl versuchen, in die Volleyballmannschaft zu kommen.

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