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Es gibt im Internet so einen Fragenbogen: »Ist Brustverkleinerung das Richtige für Ihren Teenager?« Bei den meisten Fragen geht es um den Schmerz, das Wachstum, die Erbanlagen, die Narbenbildung »Ihres Teenagers«, um die erste Monatsblutung und die Regelmäßigkeit der Menstruation, die körperliche und seelische Bereitschaft, die psychische Reife und eine Menge anderer Dinge, die keinen Menschen etwas angehen. Es gibt auch eine Liste von Sachen, die man seine Ärztin fragen soll. Wenn ich wirklich mehr über die Operation erfahren will, sollte ich mich dazu überwinden, das ist mir klar. Obwohl ich es vorziehen würde, ihr keine dieser Fragen zu stellen. Als Mom und ich also, bevor die Schule wieder anfing, zu meiner Routineuntersuchung gegangen sind, habe ich beschlossen, die Frage »Greer, möchtest du, dass deine Mutter den Raum verlässt, während ich dich untersuche?« mit Ja zu beantworten.

Ich hatte bis dahin mit keinem Menschen über meine Brüste gesprochen, geschweige denn darüber, wie es mir mit ihnen geht, und es würde auch nicht einfach sein, mit Dr. Garcia zu reden. Aber wenigstens würde unser Gespräch vertraulich sein. Bestimmt haben andere Patientinnen schon viel seltsamere Sachen mit ihr besprochen. Ich hatte vor, total profimäßig damit umzugehen. Dann würde sie wissen, dass ich die »psychische Reife« besaß, die man haben sollte, wenn man als Fünfzehnjährige über eine OP nachdenkt, weil man mit Brüsten rumläuft, die die Größe von Seekälbern haben. (Wenn man als Erwachsener plastische Chirurgie in Anspruch nehmen will, muss man anscheinend keine »psychische Reife« besitzen. Nur genug Geld.) Sobald meine Mutter den Raum verlassen würde, würde ich sagen: »Ich habe recherchiert, welche chirurgischen Möglichkeiten es im Hinblick auf Brustverkleinerungen gibt, und möchte für mich alle möglichen Wege prüfen.« Sie würde einen Stuhl heranziehen, meine Fragen beantworten und keine von uns würde stottern oder rot werden, überhaupt nicht. Vielleicht würde sie mir sogar ein Faltblatt mit folgender Überschrift aushändigen: Geheime, kostenlose Brustverkleinerung, die man im Zeitrahmen von einer Unterrichtsstunde machen lassen kann.

Ich saß da, versuchte meine verschwitzten Hände an diesem Papier abzuwischen, mit dem sie die Untersuchungsliege abdecken, als Dr. Garcia nach ihrem Stethoskop griff. Ich dachte schon, sie würde vergessen zu fragen und ich müsste Mom selbst bitten zu gehen. Aber dann, in letzter Minute, fragte sie: »Greer, möchtest du, dass deine Mutter den Raum verlässt, während ich dich untersuche?« Mein Herz schlug wie wild. Anstatt mich durch das Gesundheitsportal zu klicken und die Erfahrungsberichte von ein paar YouBoobies zu sehen, würde ich dieses Gespräch mit einem echten Menschen führen. Ich wollte unbedingt und gleichzeitig auf keinen Fall mit ihr darüber sprechen.

Nur muss ich vergessen haben, wer meine Mutter ist, denn bevor ich antworten konnte, sagte die: »Ach, stimmt ja! Ich habe vergessen, dass Sie das fragen. Greer, möchtest du dieses Mal irgendetwas Persönliches mit Dr. Garcia besprechen?« Sie schaute mich an, als wäre sie modern und unterstützend und würde meine Privatsphäre respektieren, aber weder machte sie Anstalten, ihr Handy zurück in ihre Handtasche zu tun, noch, ihre Jacke zu nehmen. Sie sagte es so, als wüsste sie schon die Antwort, und die Antwort war, natürlich: »Natürlich nicht.« Dr. Garcia schaute mich jedoch weiter an, und alles, was mir durch den Kopf ging, war: Deswegen verhüten Leute nicht, die eigentlich verhüten sollten. Weil im Grunde schon die Bitte an deine Mutter, den Raum zu verlassen, ihr alles sagt, was sie nicht wissen soll. Ich schüttelte den Kopf. Und wenn ich recht darüber nachdenke: Wenn es mir schon so schwerfällt, meiner Mutter zu sagen, sie soll abhauen, damit ich die Ärztin fragen kann, ob ich reif genug bin, mir die Brüste abhacken zu lassen, wie soll ich dann die nächsten sechzehn Fragerunden mit Krankenschwestern, Chirurgen, Versicherungen, Krankenhauspersonal, meinem Dad und um Himmels willen mit Tyler überleben?

Mom blieb im Raum. Ich hielt still. Dr. Garcia sagte, mein Herz und meine Lungen seien gesund, ich solle den Sonnenschutz nicht vergessen und ich hätte im letzten Jahr zwei Kilo zugenommen. (Mindestens die Hälfte davon ist bestimmt Brustgewebe.) Und dann druckte sie das Genehmigungsformular aus, das man an unserer Schule für Sport braucht. Ja. Genau.

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