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Bevor sich die Garagentür hinter Moms Land Rover geschlossen hat, bin ich schon auf dem Weg in mein Zimmer, um das zu tun, was ich immer tue, wenn ich nach Hause komme: Tür abschließen, Shirt und BH ausziehen, aufs Bett, auf den Rücken legen. Ich habe so eine alte Wolldecke, der Rand ist mit einem Satinband eingefasst und das ist immer glatt und kühl, auch wenn die übrige Decke warm ist. Ich lege mich so hin, dass das Band genau da liegt, wo sich der BH in meinen Rücken gegraben hat, und wälze mich ein paarmal hin und her. Es fühlt sich ähnlich gut an wie ein kalter Waschlappen auf einer heißen Stirn. Ich strecke mich und lasse meinen Körper, der den ganzen Tag angespannt war, einfach in die Matratze sinken. Mein Rückgrat entblättert sich, so wie es sein soll. Nur fünf, sechs Minuten, mehr nicht. Fünf, sechs Minuten, um meinen Schultern eine Pause zu gönnen, meinem Nacken, mir selbst. Um atmen zu können.

Normalerweise kann ich dabei fast alles andere ausschalten. Ich höre nicht die Musik von Wilco, die mein Dad in der Küche streamt, und auch nicht, wie meine Mom zum tausendsten Mal fragt, ob das die Band sei, die sie das eine Mal im Grant Park gesehen haben. Ich denke nicht an die Hausaufgaben für Geschichte; nicht daran, ob Tyler der Grund ist, dass meine Zahnbürste heute Morgen schon nass war; und nicht daran, dass Maggie den Klub der Veganer Heuchler genannt hat, weil deren Katzen Vögel töten. Ich versuche an gar nichts zu denken, sondern einfach nur zu fühlen.

Hier halb nackt rumzuliegen, fühlt sich heute aber anders an als sonst. Weil ich heute nämlich doch an etwas denke: an Jackson. Und ich fühle mich … locker, frei, am Anfang von etwas. Nicht entspannt, ganz im Gegenteil. Aber auf eine gute Art. So, dass ich ausnahmsweise mal gerne in meinem Körper stecke.

Meine Brüste rutschen zur Seite und ich kann zwischen ihnen bis zu meinem Bauchnabel und meinem Jeansbund gucken. Ich habe noch einen ganzen Körper, der nicht Busen ist. Das vergesse ich manchmal. Ich mache ein Hohlkreuz. Ich hebe meine Beine und hänge sie über den Bettrand. Mit einer Hand fahre ich über meinen Bauch. Er ist glatt und weich und kühl. Dann stelle ich mir vor, dass eine andere Hand meinen Bauch berührt.

Und halte inne.

Das ist Blödsinn.

Das ist Blödsinn, denn ich kenne ihn gar nicht. Und er kennt mich nicht. Er ist nett, weil er neu ist, und wenn man neu und nicht nett ist, dann steht einem ein hartes Jahr bevor. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass er die komische Eigenart oder auch eine Krankheit hat, deren Symptom es ist, unbeholfene Mädchen, die sich schlecht anziehen, zu mögen, ist das Blödsinn. Denn wenn du den Bauch von jemandem berührst, ist es nur eine Frage der Zeit, bis deine Hand sich weiter nach oben bewegt und – Tadaa – du das Gebirge entdeckst. Und zwar nicht die wunderbaren Skipisten in den Rocky Mountains. Nein, du verlierst dich im ungastlichen Himalaja und obendrein wirst du auch noch höhenkrank. Es ist massiv, schmerzhaft und verschwitzt. Okay, Letzteres betrifft wohl nicht den Himalaja, sondern nur mich. Aber dennoch, niemand macht Urlaub im Himalaja. Man erklimmt es, macht ein Foto und sieht zu, dass man wieder lebend rauskommt, mit einer guten Geschichte, die man dann posten kann.

Ich rolle vom Bett runter und hole einen sauberen BH aus der Schublade. Der andere ist zu verschwitzt. Ich ziehe mir ein riesengroßes T-Shirt über, unter dem auch mein restlicher Körper verschwindet.

Wer meinen Bauch immer und jederzeit berühren darf? Meine Brüste. Sie können gar nicht anders.

Meine Augen sind hier oben

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