Читать книгу Der Sarekmann - Lennart Hagerfors - Страница 19

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«Was hast du vor?» fragte ich kelly, als er vor mir stand, ohne Hosen, aber offensichtlich bereit, mich zu verlassen. «Ich gehe», antwortete er kurz. «Wohin?» – «Das geht dich einen Dreck an.»

Erst da kam mir der Gedanke, daß Kelly vielleicht gar nicht mein Begleiter war, daß wir uns vielleicht zufällig – oder durch irgendwelche anderen Umstände – ausgerechnet an dem vereinbarten Treffpunkt begegnet waren. Aber was hatte er im Sarek zu suchen?

Mit einigen langen Schritten durchwatete er den Bach. Als er sich am anderen Ufer die nassen Hosen anzog, fragte ich ihn, was er im Sarek mache. Er tat so, als habe er die Frage nicht gehört, und widmete sich gänzlich dem widerspenstigen Kleidungsstück. Mir kam der Gedanke, daß er die Hosen ebensogut beim Durchqueren der Furt hätte anbehalten können.

Als er fertig angezogen war, richtete er sich auf, rückte den Rucksack zurecht und wandte sich mir zu. Vielleicht machte der zwischen uns dahinfließende Bach es ihm möglich, so persönlich zu mir zu sprechen. Der Abstand zwischen uns schien eine Garantie gegen eine allzu aufdringliche Intimität zu bilden. Seine Aussagen erhielten eine Allgemeingültigkeit, eine größere Reichweite, als durch meine Frage eigentlich motiviert gewesen wäre.

«Ich hätte Chirurg werden sollen, die Aufgabe übernehmen sollen, krankes Fleisch wegzuschneiden, zu entfernen, was den Menschen schwächt. Ich bin hier im Sarek, um mir meine Lebenstauglichkeit zu bestätigen – und um ein Unrecht zu rächen. Jemand muß für einen Verrat bezahlen. Meine Aufgabe in diesem Leben ist unendlich viel größer, als jemand sich vorstellen kann. Für mich gibt es keine Begrenzungen. Ich bekämpfe alles, was den Menschen degeneriert, ihn schwächt und von künstlichen Mitteln abhängig macht. Im Geschäftsleben habe ich kein Mitleid gegenüber erfolglosen Konkurrenten. Der Mensch ist ein Säugetier. Der Starke überlebt, der Schwache stirbt.»

Er verbreitete sich ziemlich lange über dieses Thema und flocht hier und da Sprichwörter und Gemeinplätze ein: «Keine Kette ist stärker als ihr schwächstes Glied», «Einsam ist stark», «Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm», «Keine kranke Saat in den Boden der Zukunft».

«Keine Art kann überhandnehmen. Vermehren sich die Elche im Sarek übermäßig, wird das Futter knapp, in Lemmingjahren liegen die Lemminge erfroren auf den Gletschern oder ertrinken in Seen und Flüssen. Auch die Stärke hat ihre Grenzen. Diese Grenze hat der Mensch erreicht. Wir werden jetzt immer mehr geschwächt. Daher gilt es mehr denn je, stark zu sein, zu überleben. Ich bin zwar bereit zu sterben, aber ich will nicht derjenige sein, den das Rudel zurückläßt. Der Schwache hat sein Recht zu leben verwirkt. Deshalb bin ich im Sarek unterwegs.»

Die Abendsonne beleuchtete ihn von der Seite. Hinter ihm, vor den dunklen Flanken des Bergs Rasek, kreiste ein Vogel. Irgend etwas stimmte nicht. Seine Worte hielten lange ihrem eigenen Gewicht stand, und ich war bereit, ihm recht zu geben. Aber er hatte es zu sehr in die Länge gezogen. Es klang mehr und mehr so, als überrede er sich selbst, als müsse er sich etwas erkämpfen. Als er bei «ich bin bereit zu sterben» ankam, war das Ganze peinlich geworden. Die Worte trugen ihr eigenes Gewicht nicht mehr und fielen zu Boden. Ich wandte mich ab und fürchtete, er würde bemerken, daß ich mich für ihn schämte.

Dann stand ich da und sah ihm lange nach, während er zügig den Hang zwischen dem Rasek und dem Rumok erkletterte und auf der Hochebene verschwand. Die Art, wie er sich bewegte, war imponierend. Es war, als gäbe die Fähigkeit, sich geschmeidig im Fjällgebiet bewegen zu können, seinen Worten ihren harten Klang zurück. Er hatte nichts Komisches oder Bemitleidenswertes mehr. Im Gegenteil, auf mich wirkte er beängstigend.

Der Sarekmann

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