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ОглавлениеKornelia – entschuldige! Kann ich dich bitte einen Augenblick sprechen?“
Bertram sah, daß er recht ungelegen kam. In der Reithalle standen drei Herren und sahen mit kritischen Augen zu, wie Kornelia einen der schlankeren, eleganteren Isländer vorritt, einen Rappen ohne Abzeichen, äußerlich sehr hübsch, aber kaum angeritten, wie Bertram sofort merkte. Kornelia versuchte das so gut wie möglich zu verdecken. Sie wußte, wie kindlich unbedacht die Isländerponylieferanten manchmal sind: Bestellt man zugerittene – dort sagt man „eingebrochene“ – Ponys, so kann es einem passieren, eins zu bekommen, das im ganzen Leben den Sattel bisher zwei Stunden und nicht länger trug. Bei dieser Gola schien es so zu sein.
„Was gibt’s denn?“ fragte sie, an ihn heranreitend.
„Ich brauche dich – und Tina“, sagte Bertram eindringlich und informierte sie kurz. „Natürlich ist die Polizei benachrichtigt, um den Gefangenen aufzuspüren, mir aber geht es um die Pferde. Sechs Isländer fehlen noch, sagte Jupp am Telefon – Jupp vertritt mich –, und Kronos. Ob sich der Gefangene für seine Flucht nun Kronos oder einen Isländer genommen hat – jedenfalls nur eins. Wir müssen aber auch die anderen finden. Mit Tina hättest du eine große Chance mehr als wir. Kommst du mit?“
„Natürlich. Sofort“, sagte Kornelia und warf beide Beine gestreckt nach hinten. Sie landete mit einem Sprung neben Bertram. „Bist du mit einem Wagen hier? Oder soll ich rüberreiten?“
„Mit einem Bekannten, ja. Er fährt uns nach Niederwerth. Danke, daß du mitkommst.“
Zwei Minuten später wußte Habermann Bescheid, Kornelia hatte sich verabschiedet. Tina sprang ins Auto, Kornelia kroch hinterher, und ab ging die Fahrt.
„Den Isländern macht es selbstverständlich nichts aus, wenn sie nicht sofort gefunden werden“, sagte Bertram unterwegs, „sie sind ja immer draußen und richten um diese Jahreszeit auch keinen erheblichen Schaden an. Aber Kronos. Er steht sonst nachts im Stall, er war zufällig ausnahmsweise mit den Ponys auf der Weide.“
Kornelia nickte. Sie war in Reithose und Jacke, wie sie von Gola gesprungen war, und lief sofort zum Pferdestall, als sie in Niederwerth ankamen.
„Komm, Tina, hier!“ Sie führte ihn in Kronos’ Stand, ließ ihn schnuppern, forderte ihn auf: „Such verloren, guter Hund, such verloren ...“
Bertram hatte inzwischen mit Jupp gesprochen, der am Hoftor auf sie gewartet hatte.
„Drei der noch ausstehenden Isländer sind da, fehlen also noch drei“, berichtete er, zu Kornelia in den Stall tretend, „ich habe sie hier hereingestellt.“
„Jörp und Blesa – darf ich Jörp nehmen, Onkel Bertram?“ fragte Kornelia, die diese Stute besonders liebte. Bertram nickte. Sie sattelten nicht erst, nahmen nur ein paar Stallhalfter mit.
Es wurde ein wilder Ritt. Tina, die Witterung aufgenommen hatte, setzte in gezielten, weiten Sprüngen davon, Kornelia und Bertram hinterdrein. Die Voraussetzungen für solch einen Querfeldeinritt waren ja die allerbesten; im Herbst richtet man keinen Schaden auf Feldern und Wiesen an, und der Untergrund ist so, daß man fast überall galoppieren kann. Das war gut. Tina legte ein unheimliches Tempo vor, und die Isländer ließen sich von ihr anstecken.
„Du, Onkel Bertram, die weiß genau, worum es geht!“ rief Kornelia einmal halblaut, als sie auf eine Rübenmiete zuhielten. Bertram meinte das auch. Tina lief nicht irgendwohin, um Kronos zu suchen, sondern verfolgte einen Plan. Jetzt umrundete sie die Miete und wurde auf der andern Seite wieder sichtbar. Bertram ließ seinen Isländer hinaufspringen und auf der anderen Seite wieder herunter, um abzukürzen und den Hund nicht aus den Augen zu verlieren. Natürlich dachte er, Kornelia würde es genauso machen.
Sie hatte auch die Absicht. Aber Jörp schien das unbequem zu finden. Sie setzte zum Sprung an – Bertram blickte sich zufällig gerade um, da erblickte er Pony und Reiterin genau in der Luft. Jörp war ab-, aber nicht auf die Miete aufgesprungen, sondern hatte sie kurzerhand einfach überflogen.
„Na, ob Kornelia den Sprung aussitzt –“ dachte Bertram leicht besorgt. Wie schnell man doch denken kann! Schon jagten sie wieder Seite an Seite.
„Dort!“ rief Kornelia und deutete leicht seitwärts. Man sah Pferde – sie kniffen die Augen zusammen, ritten jetzt genau gegen das Licht. Die fehlenden Isländer, wahrhaftig!
„Tina! Zurück! Tina! – Daß sie sie uns nicht aufjagt –“, japste Kornelia. Tina aber schien wirklich zu begreifen, um was es ging. Sie fuhr nicht wie eine Wilde zwischen die Ponys, die an einer Mohrrübenmiete scharrten, sondern umkreiste sie abwartend, bis die beiden Reiter heran waren. Bertram saß ab, legte ihnen – es waren nur zwei, Rodi fehlte also immer noch – die Stallhalfter um und sagte:
„Am besten, ich bringe sie zur Mühle, das ist nicht weit, und lasse sie vorläufig dort. Du suchst mit Tina weiter, Rodi muß noch gefunden werden – und Kronos. Wie wir uns verständigen? Am besten so: Jeder von uns ruft zu Hause an, wenn irgend etwas auszurichten ist. Auf diese Weise bekommen wir Bescheid voneinander. Sobald etwas Wissenswertes passiert, reiten wir ins nächste Dorf und telefonieren, sowohl du als auch ich.“
„Machen wir.“ Kornelia winkte ihm zu, während sie Jörp anspringen ließ. Tina zog bereits wieder in weiten Sprüngen vor ihr übers Feld ...