Читать книгу Vom Anfang und Ende der Schizophrenie - Ludger Tebartz van Elst - Страница 17

2.2.2 Auffälligkeiten der Wahrnehmung (z. B. Halluzinationen)

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Dieses ICD-11 Kriterium entspricht dem DSM-5 Kriterium A.2 (Halluzinationen).

Zu den markantesten und auch für Laien am leichtesten zu verstehenden Symptomen der Schizophrenie gehören die Wahrnehmungsstörungen bzw. die Halluzinationen. Im Rahmen von schizophrenen Syndromen kommt es häufig vor, dass betroffene Menschen Stimmen hören, obwohl de facto niemand in der Nähe ist, der spricht. Das Hören der Stimmen wird im wahrsten Sinne des Wortes »ein-gebildet«. Typischerweise sind dies dialogisierende oder kommentierende Stimmen. Die Stimmen werden insbesondere bei Neuauftreten der Symptome meist räumlich gehört. D. h., Betroffene können die Richtung, aus der sie die Stimmen hören, ebenso wie Lautstärke, Stimmklang und manchmal auch die Identität der Sprecher (Mutter, Vater, Freund, Zombi, Hexe etc.) genau benennen. Inhaltlich werden oft beschimpfend oder abwertend sprechende Stimmen gehört, die auch beleidigende Sätze sagen wie etwa: »Du bist ein Nichtsnutz!«, »Du Versager, Du elender Versager!«, »Du bist schuld am Elend Deiner Freundin!«, »Nun setz Dich schon an den Tisch und schreibe eine Anzeige!«. Auch Aufforderungen zum Suizid sind vor allem dann nicht ungewöhnlich, wenn zusätzlich zur halluzinatorischen Symptomatik eine Depression besteht. Solche Zustände stellen eine erhebliche Gefahr für die Betroffenen dar, da sie sich zwar meistens, aber nicht immer der Befehle der halluzinierten Stimmen erwehren können.

Gerade zu Beginn solch einer halluzinatorischen Symptomatik sind Betroffene oft erheblich belastet. Sie verstehen nicht, wieso sie diese Stimmen hören, die Sprecher aber nicht sehen. Nicht selten kommt es in der Folge zu einer Wahnbildung in einem Versuch, sich die Symptome zu erklären. So wird etwa geschlossen, in der Wand seien Lautsprecher versteckt, die Stimmen würden von einem Geheimdienst oder anderen Verfolgern gezielt gesendet, um dem Betroffenen zu schaden etc. Erst im Verlauf der Symptomatik kommt es dann oft zu einer gewissen Distanzbildung, d. h., die Betroffenen erkennen, dass die Stimmen, die sie wie echt hören, de facto Halluzinationen sind. Aber auch eine solche Phase der Selbstdistanzierung von den Fehlwahrnehmungen kann gefolgt werden von späteren Phasen höherer Akuität der Halluzinationen, in denen diese wieder als völlig authentisch und echt im realen Sinne erlebt werden.

Typisch für schizophrene Störungen sind die akustischen Halluzinationen in Form kommentierender und dialogisierender Stimmen. Im letzteren Fall werden etwa Sätze folgender Natur gehört: Männerstimme: »Da sitzt er nun und schreibt seinen Text am Computer.« Gemeine Frauenstimme: »Ach, das ist doch ein Versager. Der wird seine Hausarbeit nie und nimmer schaffen! Er sitzt da nur rum und hört uns zu.« Andere Männerstimme: »Am besten würde er sein Studium aufgeben. Nüchtern betrachtet, wird er es ohnehin nie im Leben schaffen.« Gemeine Frauenstimme: »Am besten würde er von der Brücke springen. Dann hätten wir Ruhe und er wäre keine Last für seine Familie!«

Akustische Halluzinationen als im Raum gehörte Stimmen, die über den Betroffenen sprechen oder ihm Befehle geben, gehören zu den klassischen und markantesten Symptomen einer Schizophrenie.

Es kann aber auch zu optischen, olfaktorischen oder sensorischen Halluzinationen kommen. Im ersteren Fall werden z. B. Figuren, Gesichter, Menschen oder Tiere gesehen. Bei den olfaktorischen Halluzinationen werden starke Gerüche wahrgenommen, die oft eine hohe affektive Tönung haben wie etwa ekelige Ausdünstungen oder sehr gut riechende Aromen. Bei den taktilen Halluzinationen kommt es zu Fehlwahrnehmungen im eigenen Körper. So fühlt es sich für Betroffene etwa so an, als würden Tiere durch die Haut krabbeln, Spinnen über den Rücken laufen, ein Metalldraht durch den Körper gezogen werden. Bei den komplexeren sogenannten zoenästhetischen Halluzinationen besteht etwa das als Tatsache erlebte Gefühl, der Körper werde verformt, glühende Hände würden die Leber kneten oder Ameisen hätten sich ein Nest in der Schulter gebaut. Wenn keinerlei innere Distanz zu diesen Wahrnehmungen besteht, können sie vor allem für Betroffene extrem quälend und belastend sein.

Häufig werden die verschiedenen Halluzinationen in ein Wahnsystem eingebunden. So wird etwa angenommen, eine fremde göttliche oder auch bedrohliche Macht habe die Gerüche produziert, um damit ein Zeichen zu setzen, oder ein Arzt oder Magier habe die Drähte in den Körper manipuliert, um durch Stromstöße bestimmte Verhaltensweisen zu belohnen oder zu bestrafen. Gerade in solchen komplexen Konstellationen können die Übergänge von halluzinatorischen Fehlwahrnehmungen zu wahnhaften Erklärungsversuchen sehr vielgestaltig sein und fließend ineinander übergehen. Die folgende Kasuistik ( Kasuistik 1) illustriert dies an einem klinischen Beispiel.

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