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Kasuistik 1: Das Drama schizophrener Symptome

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Eine 24-jährige Musikstudentin stellt sich in der psychiatrischen Ambulanz vor, weil sie sich nach einer gescheiterten Prüfung völlig hilflos und ausgeliefert fühlt. Die Prüfung habe vor zwei Wochen stattgefunden. Die Nächte vorher habe sie nicht schlafen können. Zur Beruhigung habe sie nach langer Zeit wieder einmal einen Joint gekifft. Das habe aber alles nur noch schlimmer gemacht. Sie habe plötzlich die Stimme ihres Ex-Freundes gehört, mit dem sie das erste Mal gekifft habe. Der habe ihr gedroht, habe sie beschimpft und beleidigt. Er habe Sätze gesagt wie: »Na, du Schlampe, nun kiffst du also wieder? Mit mir wolltest du nicht mehr kiffen!« oder drohend: »Und jetzt machst du es doch! Aber das wird dir nicht helfen!«, »Alles wird den Bach runter gehen!« Später seien auch noch andere Stimmen von früheren Freunden und Fremden dazu gekommen, die sie überwiegend beschimpft hätten. Es seien aber auch nettere Stimmen dabei gewesen. Es seinen Männer- und später auch Frauenstimmen gewesen. Manche habe sie anhand des Stimmklangs benennen können, andere nicht. Es habe sich für sie wirklich und echt angefühlt. Die Stimmen habe sie im Raum gehört.

Sie berichtet, sie spiele Querflöte und sei eigentlich eine sehr talentierte Musikerin. Sie habe schon zahlreiche Preise gewonnen, den Studienplatz ohne Probleme erhalten und in den ersten Semestern auch keinerlei Beeinträchtigungen gehabt. Erste Probleme hätten sich vor zwei Jahren ergeben. Damals habe sie einen Freund gehabt, mit dem sie eine wilde Zeit durchlebt habe. Sie sei mit ihm viel auf Partys gegangen, habe deutlich mehr Alkohol getrunken als in den Jahren zuvor und immer wieder auch einen Joint geraucht. Einmal habe sie auch auf einer Party eine Tablette eingenommen, von der sie aber nicht wisse, was das gewesen sei. Eigentlich sei sie ein eher misstrauischer Typ, aber an dem Abend habe sie schon zu viel getrunken gehabt und sei leichtsinnig gewesen. Diese Nacht habe sie komplett durchgetanzt und gefeiert. Sie sei anfangs »super drauf« gewesen. Gegen Morgen sei sie dann aber reizbar und aggressiv geworden. Damals habe sie erstmalig in ihrem Leben eine Stimme halluziniert. Es sei eine Frauenstimme gewesen, die laut zu ihr gesprochen habe: »Rege Dich nicht auf, es wird alles gut!« Die Stimme habe ihr vielleicht zwei Stunden gut zugeredet. Sie habe sich gewundert, dass die anderen sie nicht gehört hätten. In der Situation habe sie das aber nicht geschockt. Dass sie halluziniere, sei ihr da nicht wirklich in den Sinn gekommen. Vielmehr habe sie sich über den Zuspruch gefreut und sei, wie die Stimme es ihr gesagt habe, dann auch ins Bett gegangen. Später habe sie sich von dem damaligen Freund getrennt. Die Frauenstimme habe ihr dazu geraten. Sie habe mit dem Alkohol und mit dem Kiffen aufgehört und habe bald auch wieder Ruhe vor den Stimmen gehabt. Das sei nun etwa vier Jahre her.

Ihre Mutter sei Lehrerin und ihr Vater Kunsthistoriker. Sie habe noch zwei Geschwister. Zu allen habe sie guten Kontakt. Bislang sei sie noch nie bei einem Psychiater oder Psychologen gewesen. Schwangerschaft und Geburt mit ihr seien normal gewesen. Epileptische Anfälle, Fieberkrämpfe, Hirnhaut- oder Hirnentzündungen habe sie nie gehabt. Allerdings habe sie die Masern durchlitten, weil sie nicht geimpft worden sei. Damals als Kind habe sie lange sehr hohes Fieber gehabt und sei wohl auch für drei Wochen im Krankenhaus gewesen. Es sei damals auch eine Gehirnwasseruntersuchung durchgeführt worden. An die Lumbalpunktion könne sie sich noch erinnern. An Anfälle oder ähnliche Symptome könne sie sich aus der Zeit aber nicht erinnern. Ansonsten habe sie keine Krankheiten oder Operationen gehabt. Sie lebe nun mit ihrem jetzigen Freund, einem Mediziner, in einer 4er WG. Besondere Probleme habe sie eigentlich nicht. Sie habe sich aber wahnsinnig viel Stress wegen der anstehenden Prüfung gemacht. Und nun sei noch alles viel schlimmer geworden. Anfangs habe sie geglaubt, die Stimmen seien wirklich. Früher habe sie gemeint, ein Engel würde zu ihr sprechen. Dieses Mal seien es aber wohl eher Teufel. Sie habe Angst, verrückt zu werden und wisse gar nicht wie es weitergehen solle. Sie habe schon überlegt, sich vom Balkon zu stürzen. Wenn sie eine »Schizo« sei, würde sie sich lieber gleich umbringen. Eine Tante väterlicherseits habe eine manisch-depressive Erkrankung. Die sei in der Familie isoliert. So wolle sie auf alle Fälle nicht enden.

Vom Anfang und Ende der Schizophrenie

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