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5.

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Während er die Einfahrt zum Hinterhof ihrer Wohnung nahm, durchschritt die Sonne gerade ihren höchsten Punkt am Himmel. Ryan hatte auf dem Weg Blumen und eine kleine, unbedruckte Karte besorgt. Mit zwei Finelinern begann er darauf zu malen, obwohl er Gott weiß kein Künstler war. Sein Herz pochte, als er die zwei Stockwerke bis zur Wohnungstür hochmarschierte und das Holz der alten Wendeltreppe unter seinen Füßen knarzte. Sonst beruhigte ihn das Tönen der Stufen immer, denn es war der Beweis, dass man sich nicht so einfach an ihn heranschleichen konnte. An diesem Tag aber war er zu versiert auf das Gespräch, das vor ihm lag, um sich an den Vorzügen des Treppenhauses zu erfreuen. Vor dem Klingelschild mit der Aufschrift ‚Cramer-Dens‘ kam er zum Stehen, entriegelte das Schloss und betrat die Wohnung.

Sie trug ihr graues T-Shirt und darunter keinen BH. Nachdem sie ihn mit einem Kuss in Empfang genommen hatte, musterte sie ihn von oben bis unten. Sie seufzte und fragte: „Also, was ist los?“ Ryan war irritiert und gab den Unschuldigen.

„Was meinst du?“

„Du warst nicht so lange weg und versteckst jetzt Blumen hinter deinem Rücken. Also, wie heißt die Bitch?“, fragte sie mit einem Augenzwinkern. Es hatte sie weniger als eine Sekunde gekostet, um ihn zu durchschauen.

„Ich muss nach Amsterdam“, antwortete Ryan mit ruhiger Stimme.

„Ah, musst du da ein Analytiker-Team unterstützen?“, fragte sie. Die Unschuld in ihren Augen brach Ryan das Herz.

„Nein, ich... ich werde einen Mann suchen müssen. Einen gefährlichen Mann. Er war verwickelt in den Mord von fünf Menschen in London. Sie brauchen dafür einen Analytiker mit Felderfahrung.“

Mias Miene verfinsterte sich. Sie trat einen Schritt von ihm zurück.

„Du wolltest nie wieder so etwas machen“, murmelte sie leise.

„Ich weiß, aber das wird nicht dasselbe sein. Ich bin in keinem Kriegsgebiet, ich bin in Amsterdam, eher wie ein Ermittler, ein bisschen wie... wie Leroy Jethrow Gibbs.“ Der Name ließ ihr ein Lächeln über die Lippen huschen. NCIS war ihre Lieblings-Krimiserie, dennoch verschränkte sie die Arme.

„Wirst du in Gefechte verwickelt sein?“

„Nein, alles wirklich Brenzlige machen die Einsatzkommandos vor Ort. Ich werde wahrscheinlich nicht mal eine Pistole tragen müssen.“ Ryan wusste, dass das gelogen war.

„Und ich bin nicht allein“, legte er nach: „Leon ist dabei!“

„Wollte Leon, dass du nach Amsterdam gehst?“, fragte sie und ein Ausdruck legte sich über ihre Augen, den Ryan so noch nie an ihr gesehen hatte. Eine Mischung aus Angst und Abscheu.

„Nein, der Befehl kommt vom BND.“

Mias Körpersprache änderte sich. Sie ließ ihre Arme fallen, ging auf ihn zu und umarmte ihn. Er spürte ihre Wärme, ihren Körper, ihren Herzschlag. Sie legte den Kopf seitlich auf seine Brust und blickte in die Ferne.

„Wirst du das schaffen... ich meine seelisch.“, fragte sie leise. „Ich meine, wirst du zurückkommen und schlafen können?“

Ryan ließ den Blumenstrauß und die Karte fallen. Vorsichtig berührte er Mia an den Wangen und richtete ihren Blick auf den seinen. Er versuchte so aufrichtig und ehrlich zu sein, wie er nur konnte.

„Du hast mich einmal gerettet, du wirst es nie wieder tun müssen. Mir geht es gut, wenn ich mir nicht absolut sicher wäre, hätte ich diesem Auftrag nicht zugestimmt.“ Mia begann zu nicken, erst zögerlich, als müsste sie sich durch die Bewegung noch selbst überzeugen, dann energischer.

„Und außerdem“, sagte er so aufmunternd wie er nur konnte, „Habe ich das hier für dich.“ Er bückte sich und hob Blumenstrauß und Karte auf.

„Dreh sie um“, forderte er sie auf, weil Mia das Stück Papier mit der bemalten Seite nach unten in den Händen hielt.

„Was soll das sein?“, fragte sie ihn, nachdem sie eine Weile die Zeichnung begutachtet hatte.

„Ist das ein Schaf?“, sie neigte ihren Kopf zur Seite und musterte das Bild mit halb geschlossenen Augen. Ryan musste lachen.

„Das ist ein Joint!“

„Du bist so ein beschissener Maler!“, grinste Mia.

„Und siehst du das da unten, das sind wir... Ich dachte mir. Weil ich noch nie in Amsterdam war und du auch nicht... Ich dachte, wenn das erledigt ist, kommst du einfach nach und wir... schauen uns ein bisschen die Stadt an. Ein Wochenendtrip.“

„Das wär wirklich schön!“, flüsterte Mia. Dennoch: So richtig freuen konnte sie sich darüber nicht. Noch nicht.

Ihre letzte Forderung war einfach zu erfüllen. Sie wollte sich mit ihm noch einmal kurz hinlegen, so lange es eben ging. ‚Hinlegen‘ war alleine tot langweilig, aber zu zweit das Schönste auf der Welt. Ryan hielt sie fest mit seinen Armen umschlossen, küsste sie immer wieder auf die Wange und Mia vergrub ihren Kopf in seiner Brust. So schenkten sie einander Wärme und versuchten ganz im Moment zu sein, nicht im Gestern und vor allem nicht im Morgen.

Viel Zeit war ihnen nicht vergönnt, gerade einmal eine Viertelstunde später bekam Ryan eine SMS, dass in fünf Minuten ein Wagen vor seiner Tür stehen würde. Er schmiss das Nötigste in einen kleinen Trolli und ging zusammen mit Mia zur Wohnungstür. Sie umarmte ihn und legte dann ihre Stirn an die seine.

„Pass auf dich auf“, flüsterte sie ihm zu.

„Versprochen“, sagte Ryan, küsste sie und verließ die Wohnung.

Augenreisser

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