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8.

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Das Flugzeug war eine Enttäuschung. Nachdem sie bei strömendem Regen so schnell wie möglich in den Shuttlebus eingestiegen waren, mussten Leon und Ryan feststellen, dass sie nicht zu einem Privatjet, sondern zurück zu den ‚normalen‘ Terminals gebracht wurden. Dort zwängten sie sich dann in die Economy-Sitze eines A320 und verabschiedeten sich von der Vorstellung, sie seien eine Art James Bond. An Bord arbeiteten sie weiter an dem Papierstapel, den sie von Verhoeven bekommen hatten.

Ryan war es bis heute ein Rätsel, warum Teile von diesen Berichten meist geschwärzt wurden, die Seiten waren durchzogen von dicken, fetten, schwarzen Balken. Anders als viele glaubten, verdeckten diese Vorhänge nur selten hitzige Verschwörungstheorien und Mysterien, oft waren es einfach Fehler: Falsch verpackte Beweismittel, unzuverlässige Zeugenaussagen, Verfahrensmängel, also im Grunde Zeilen, auf die man sich bei genauerer Prüfung nicht berufen konnte. Da diese Berichte meist kurz nach dem Vorfall geschrieben wurden, kam es häufiger vor, dass man hinterher Teile ausstreichen musste. Ryan verstand nicht, warum man das dann auf diese Weise tat, anstatt einfach einen neuen, korrigierten Bericht anzufertigen. Wahrscheinlich mochten die Geheimdienste ganz einfach diesen dunklen Look, diesen Geruch nach Verschwörung und Intrigen.

Größtenteils deckten sich die Informationen des MI5 mit denen, die er schon von Grinder bekommen hatte. Die Auslandsaufenthalte waren zeitlich identisch, aber warum wussten sie nichts davon, dass er in Koblenz gewesen war? Ein Überwachungsvideo hatte ihn erwischt, dabei müsste ein Mann seines Formats wissen, dass an Wasserschleusen in der Regel immer Kameras angebracht waren. Er war vom Metternicher Stadtteil aus über die Schleusen-Brücke auf die Koblenzer Stadtseite hinübergelaufen. Danach verlor sich seine Spur wieder.

Was hatte er dort gemacht? In Metternich gab es kaum mehr als ihr Büro und ein Militärgelände, doch sich diesem ungesehen auch nur zu nähern, war geradezu unmöglich. Er wusste das. Teile seiner Ausbildung hatten auf dieser Basis stattgefunden. Sie war flächenmäßig zwar klein, lag dafür aber direkt an der Mosel, bot genug Platz für das Nachstellen von Kampfszenarien und besaß einen veralgten Tümpel für Übungen über und unter Wasser. Damals hatte Ryan diese Pfütze wahrlich hassen gelernt.

Der Besuch der Hightech Messen passte wieder ins Profil, immerhin hatte er eine Zeit lang bei SAP gearbeitet. Was ihm aber immer noch ein dickes, fettes Fragezeichen auf die Stirn zauberte, war dieser eine Satz: „[…] der Verdächtige wurde aus nächster Nähe mit der P320 eines Beamten in den Kopf getroffen. Der Tod wurde noch am Unfallort festgestellt.“

Tot war er, das konnte man mit fug und recht behaupten, aber erschossen aus nächster Nähe? Ryan klappte den Bericht zu und sah sich noch einmal die Fotos an. Immer noch kein Bild von Matthew…

Abgelenkt durch das Klingeln eines Telefons schaute Ryan auf. Verhoeven begann hektisch in seiner Tasche zu wühlen, mehrere Menschen um sie herum sahen ihn halb wütend, halb verblüfft an. Während er den Anruf entgegen nahm, kam eine Stewardess herbeigewuselt.

„Sir, tut mir leid, aber sie können nicht...“

„Nein, tut mir sehr leid, aber ich kann…“, sagte er, lächelte sie freundlich an und zeigte ihr die Innenseite seines Geldbeutels. Mit einem leisen „Oh…“ drehte sie sich um und ging wieder zurück in den Service-Bereich. Verhoeven war sichtlich darum bemüht, leise zu reden, aber es gelang ihm nicht ganz, den Verlauf des Gesprächs zu verbergen. Irgendetwas musste passiert sein. Ryan konnte zwar kein Holländisch, aber die Anzeichen waren eindeutig: Verhoeven hatte begonnen sich aufzurichten und während die eine Hand am Handy verweilte, fuhr die andere über seinen Oberschenkel. Dieser Mann war bereit aufzubrechen, in Aktion zu treten. Die Melodie in seiner Stimme verriet ihm, dass er wohl gleich einen Erfolg zu verkünden hatte. Keine drei Sekunden später legte er auf und wandte sich Ryan und Leon zu.

„Gute Nachrichten!“, teilte er stolz mit.

„Michael Krüger hat sich in Amsterdam mit jemandem getroffen. Dieser Jemand wartet jetzt auf uns. Wir haben ihn vor zwei Stunden geschnappt! Sobald wir gelandet sind, könnt ihr zu ihm!“

„Also wurde Krüger noch an anderen Orten als dem Mövenpick-Hotel gesehen?“, fragte Ryan.

„Ja, er hat sich mit dem Inhaftierten in einem Lagergebäude getroffen. Im West-Teil der Stadt.“

Leon meldete sich zu Wort: „Uns hat man gesagt, er sei zuletzt im Mövenpick-Hotel gewesen. Man hätte dort versucht ihn zu schnappen.“

„Ja, das stimmt auch, das vor zwei Tagen. Das Treffen mit diesem Typen ist gestern passiert.“

Ryan rieb sich die Augen. Warum? Warum blieb Krüger in Amsterdam, obwohl er wissen musste, dass die halbe Welt hinter ihm her war? Das passte vorne und hinten nicht, es war nicht stimmig. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, kam die Stewardess erneut vorbei. Sie bat die Passagiere, ihre Sitze wieder gerade zu stellen und die Tabletts hochzuklappen, sie würden in wenigen Minuten landen. Als sie schnippisch hinzufügte: „Im Landeanflug dürfen auch sie ihr Handy nicht benutzen!“, rutschte Verhoeven in seinem Sitz zurück wie ein kleiner Schuljunge, den man gerade bei einem Schabernack erwischt hatte.

„Natürlich nicht“, gab er kleinlaut zurück und bemühte sich um ein gezwungenes Lächeln.

Augenreisser

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