Читать книгу Augenreisser - Lukas Kellner - Страница 19

13.

Оглавление

Leon hatte nicht gut ausgesehen. Als Ryan in dem Krankenhausbett wieder zu sich kam, saß er immer noch neben ihm, zusammengesunken auf einem Stuhl. Er musste lange dort ausgeharrt haben. An seinem Mundwinkel rann ein dünner Faden durchsichtig glänzender Flüssigkeit herunter. Der Anblick rührte ihn, vielleicht hatte er die Tiefe ihre Beziehung etwas unterschätzt. Weil er nicht so recht wusste, was er hätte sagen sollen, blieb ihm nur die Flucht nach vorn.

„Gott, du siehst aus, als hätte der Krüger DICH erwischt!“

Leon schreckte auf, riss seinen Kopf zuerst ruckartig nach links und rechts, ehe er Ryan verdattert anstarrte. So langsam schien er zu begreifen, wo er war und warum er die letzten Stunden auf einem unbequemen Stuhl zugebracht hatte. Er wischte sich mit seinem Hemdsärmel über den Mund und begann zu grinsen.

„Ja und ich wünschte, du wärst tot!“ Er begann eine nervige Kinderstimme zu imitieren: „Ohhhhh, ich bin Einzelkämpfer, uiuiuiuiui, neeeeeein Leon, du kannst da nicht mitkommen, du wirst dich verletzten, buhubuhubuhu.“

Ryan prustete los, doch ein unbarmherziges Stechen ließ ihn sogleich wieder verstummen. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment implodieren.

„Geht es dir gut?“, fragte Leon und sah ihn besorgt an.

„Den Umständen entsprechend…“ Er setzte sich auf. Bis auf das Dröhnen in seinem Kopf fühlte er keine Schmerzen, alles war so wie vorher.

„Haben sie ihn?“, fragte er mit weit aufgerissenen Augen.

„Ja. Er wurde zu einem Safe House gebracht. Grinder ist bei ihm.“

„Grinder ist in der Stadt?“ Das überraschte Ryan. Er hatte den Generalmajor in den letzten Jahren äußerst selten außerhalb seines Büros getroffen, eigentlich kannte er ihn fast nur noch hinter seinem massiven Schreibtisch sitzend.

„Ja, er war ein paar Stunden nach deinem kleinen Unfall hier. Hat wohl davon erfahren. War zuerst bei dir im Krankenhaus, dann ist er los und wollte sich um Krüger kümmern.“

Ryans Herz sank in seine Bauchhöhle. Grinder hatte sich also zuerst vergewissert, dass es ihm gut ging.

„Was ist eigentlich passiert?“

Leon kramte seine Schachtel Zigaretten hervor und zupfte daran herum als würde es ihm beim Erklären helfen, wenn er seine Finger beschäftigte.

„Er hat sich im hinteren Teil des Bootes versteckt und dich niedergeschlagen. Du warst zehn Stunden lang weg, davon fünf Stunden im OP“, begann Leon aufzuzählen.

„OP, warum OP?“

„Du hattest ´ne kleine Hirnblutung. Wegen des Schlags. Aber du warst rechtzeitig hier, darum ist mit dir auch alles okay. Sie haben nur eine kleine Bohrung gemacht, um den Druck vom Gehirn zu nehmen.“ Ryan tastete seinen Kopf ab. Etwas oberhalb des rechten Ohrs fühlte er eine kleine, weiche Stelle, die mit einem Heftpflaster überklebt war.

„War Mia hier?“, fragte er.

Leon sah ihn perplex an.

„Nein. Ich… Ryan es tut mir leid, aber ich hab ihr auch nicht Bescheid gegeben. Ich dachte mir, es ist erstmal besser, wenn sie nichts davon weiß, weil… du weißt schon… sie war ja wahrscheinlich kein Fan von der Sache hier.“

Er zupfte sich nervös am Ärmel seines Hemdes. Ryan unterbrach ihn.

„Danke!“ Leons Fürsorge rührte ihn. „Es ist besser, dass sie es von mir erfährt. Wenn überhaupt…“ Bei den Worten verdrehte er die Augen. Leon grinste ihn an. Er war sichtlich erleichtert, dass seine Entscheidung wohl doch die richtige gewesen war.

„Gut gemeinter Rat: Wenn du in Zukunft noch unbewacht das Haus verlassen willst, dann sag’s ihr lieber nicht!“

Mit seiner Hand fuchtelte er wild neben seinem Kopf herum, als würde er versuchen, sich den Hals abzuschneiden.

In diesem Moment klopfte es an der Zimmertür und ein Arzt betrat den Raum. Er stellte sich vor Ryans Bett, rückte die Brille gerade und musterte seinen Patienten von Kopf bis Fuß.

„Wie geht es Ihnen?“, fragte er.

„Ich glaub, ich werd’s überleben“, antwortete Ryan.

Der Arzt nickte ihm lächelnd zu.

„Ja, das glaube ich auch. Zu unserem Glück war die Hirnblutung nur minimal, eine Punktion hat ausgereicht, darum haben Sie auch keine größere Narbe. Gehen Sie es langsam an, aber ansonsten können Sie sich frei bewegen. Wir haben bereits vor einer Stunde die Viggo entfernt. Vermeiden sie größere Anstrengungen und sobald Sie Kopfweh bekommen, sollten Sie sich umgehend melden. Außerdem empfehle ich so oft wie möglich die hier zu tragen…“, er deutete auf eine Sonnenbrille, die neben Ryan auf der Bettkommode lag. Sie hatte kleine, schwarze, kreisrunde Gläser, die in einen silbernen Rahmen eingesetzt worden waren. Sie war damit alles andere als der letzte modische Schrei und wirkte eher wie ein gestohlenes Requisit vom Set von ‚Leon - The professional‘.

„UV-Strahlung und grelles Licht sind gerade nicht so gut für Sie.“

„Danke Ihnen.“, sagte Ryan.

„Kein Problem.“, nickte ihm der Doktor zu, drehte sich um und verließ den Raum. Ryan starrte an das Bettende, wo seine Füße von der hellblau gepunkteten Bettwäsche verdeckt wurden. Zwar hatte ihm der Arzt gerade sehr gute Nachrichten überbracht, doch war ihm erst durch seine Anwesenheit der Ernst der Lage bewusst geworden, vor allem, was für großes Glück es war, dass er noch lebte. Er blickte nach rechts zu Leon, der im Stuhl nach vorn gerutscht war, die Hände auf den Oberschenkeln abstützte und zu Boden sah. Es fühlte sich ein bisschen an wie damals, als Mia im Krankenhaus neben ihm gewacht hatte, solange bis feststand, dass Ryan außer Gefahr war.

„Hast du Hunger?“, fragte Ryan, um die Stille zu durchbrechen, die eingetreten war, als der Doktor das Zimmer verlassen hatte. Er fühlte sich, als hätte er seit Wochen nichts mehr zu sich genommen und sein Magen krampfte vor Begehren.

„Ich lade dich ein!“ Er wollte Leon unbedingt etwas Gutes tun, sich irgendwie revanchieren. Ihn zum Essen einzuladen war zwar nicht dasselbe, wie die Nacht auf einem harten und noch dazu geschmacklos designten Stuhl zu verbringen, doch wenigstens war es ein Anfang. Auch wollte er mit ihm Zeit verbringen, Blödsinn reden, das verdrängen was passiert war, denn schließlich… waren Freunde genau dazu da.

Augenreisser

Подняться наверх