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ОглавлениеVORWORT
von Michael Herbst
Ein bisschen mehrdeutig kommt der Titel dieses Buches schon daher: »Im Zweifel für Gott« – das klingt doch nach dem alten Rechtsgrundsatz »Im Zweifel für den Angeklagten«. Sitzt Gott hier auf der Anklagebank und ein großzügiger Richter urteilt, nachdem die Plädoyers gehalten sind, trotz unklarer Lage zugunsten des angeklagten Schöpfers?
Ganz so ist es wohl nicht. Aber das neue Buch des Hamburger Pastors Malte Detje traktiert schon Probleme, bei denen sich ernsthaft die Frage stellt, ob der Glaube trägt. Offensichtlich trägt eine bestimmte Art von Glauben nicht, wenn es ernst wird und wenn wir durch »das finstere Tal« wandern. Wann ist das denn der Fall?
• Wenn unsere Gefühle kalt sind und unser Herz von einer dicken Fettschicht umgeben zu sein scheint.
• Wenn alle anderen beim Lobpreis Gottes Nähe und Güte erleben, ich selbst aber die Worte kaum noch über die Lippen bringe.
• Wenn mich die Bibel nicht tröstet, sondern – ganz im Gegenteil – mir Angst macht.
• Wenn ich tausendmal gehört habe, dass doch mit dem Heiligen Geist in meinem Leben die Sünde endlich der Vergangenheit angehört, ich aber wieder und wieder an Gottes Geboten scheitere.
• Wenn ich so enttäuscht bin von der Gemeinde, die viel von mir fordert, unersättlich meinen Einsatz zu brauchen scheint, aber weit weg ist, wenn ich selbst einfach nicht mehr kann.
• Wenn alle anderen immer genau zu wissen scheinen, was Gott in diesem Moment von ihnen will, aber mir nicht einmal klar ist, was ich mit meinem Leben insgesamt anfangen soll (will?).
Den Leser und die Leserin erwartet also nicht gerade leichte Kost, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass Malte Detje bei manchem für ein tiefes Aufatmen sorgen wird und mancher die unnötige fromme Last vom Rücken heben kann. Denn die eigentliche Pointe dieser sechs Kapitel ist die: Liebe Predigerinnen und Prediger, liebe Buchautoren und Seelsorgerinnen, liebe Worship-Song-Schreiberinnen und liebe Jugendkreisleiter, prüft bitte, ob das, was ihr lehrt, nur fromm klingt, aber vielleicht mehr verspricht, als Gott uns zusagt, oder mehr von uns Menschen verlangt, als Gott es tut. Neben viel Humor und mancher seelsorglichen Hilfe ist das, was der Autor hier bietet, vor allem eins: ein Test auf gesunde Theologie, auf gute Lehre.
Gute Lehre spricht von dem, was Gott tatsächlich zusagt: Vergebung der Schuld, eine unkaputtbare Geduld des himmlischen Vaters, eine Taufe, die Gott nicht aufkündigt, eine Zukunft, in der alles gut wird, sein Geleit, Schutz und Hilfe in allen Lebenslagen. Gute Lehre verspricht aber auch nicht mehr, als Gott für diese (!) Lebens- und Weltzeit zusagt. Darum verschweigt sie nicht, dass uns das Schwere des Daseins auch als Christenmenschen nicht erspart bleiben wird. Ja, dass uns sogar manches Schwere gerade deshalb ereilen kann, weil wir einem Gekreuzigten folgen. Insofern bietet Malte Detje tatsächlich gute Theologie für Menschen, denen es vielleicht mit manch hochfahrendem Versprechen schlecht erging, oder die tatsächlich ein größeres Paket an Schwerem zu tragen bekamen.
Eine andere Besonderheit dieses Buches ist die erkennbare Vorliebe des Autors für das Jahr 1517. Man kann es auch ohne historisches Rätselraten sagen: für die großen Wiederentdeckungen der Reformation. Allein der Glaube rettet! Allein die Gnade genügt! Allein die Schrift sagt uns, was wir wissen müssen, um getrost zu leben und zu sterben. Und in allem: allein Christus! Allein der Gekreuzigte und Auferstandene!
Unser Autor macht aus seiner Vorliebe für Martin Luther kein Hehl. Manchmal habe ich unter dem Hemd (auch beim Predigen) mein T-Shirt von der Dortmunder Borussia an. Notfalls kann ich jederzeit zeigen, wofür mein fußballerisches Herz schlägt. Bei Malte Detje wird es (da man aus Hamburger Sicht mit einem Fußball-T-Shirt gerade nicht wirklich glücklich werden könnte) eher ein T-Shirt mit der Luther-Rose oder gleich dem Konterfei des Wittenberger Reformators sein. Das ist jetzt nicht gerade Mainstream, auch in der sogenannten »frommen Szene« nicht. Aber es ist eine reizvolle und anregende andere Perspektive auf den christlichen Glauben: in vielerlei Hinsicht stocknüchtern einerseits und zugleich von strahlender Freude andererseits. Diese Kombination aber tut denen gut, die sonst drohen, an ihrem Glauben irre zu werden.
Bei den Themen dieses Buches haben wir es mit dem »angefochtenen« Glauben zu tun – und davon versteht Dr. Martinus eine Menge. Und wem es jetzt schon zu viel »Luther« ist, den kann ich trösten. Da gibt es noch andere aus den TOP 10 der christlichen Helden, u. a. (natürlich!) den reformierten Timothy Keller und (selbstverständlich) den Anglikaner C. S. Lewis.
Meine Sicht auf die »fromme« Christenheit im Land ist gerade die: Es zieht und zerrt an uns. Die einen zieht es in Richtung allergrößter, leider aber durch die Bibel kaum gedeckter Versprechungen von steter Gottesnähe und Gottesflüstern im Herzen, von Heilung und Heiligung, von Wachstum und Erweckung. Die anderen treibt es in die Gegenrichtung: Sogenannte postevangelikale Tendenzen zeigen sich, wo plötzlich auch in »unseren Kreisen« infrage steht, ob die Bibel tatsächlich unsere Richtschnur für alle Fragen des Glaubens sein kann. Oder ob der Gekreuzigte und sein Sterben an unserer Stelle und zu unseren Gunsten tatsächlich der einzige Weg ist, mit Gott wieder ins Reine zu kommen. Es ist gar nicht so einfach, Kurs zu halten und im Glauben so nüchtern wie hoffnungsvoll zu bleiben – auch an den Tagen, an denen es nicht einfach ist, Gott das Vertrauen zu schenken.
Da finde ich es ausgesprochen spannend, genau diese Spur ernsthaft zu erkunden, die die Reformatoren gelegt haben, und die bedrängenden Fragen noch einmal neu anzuschauen: Nein, es ist nicht entscheidend, was du gerade fühlst, aber du kannst dir sagen lassen, was Gott für dich empfindet. Nein, Gottesdienst ist nicht vor allem das, was wir tun, es ist der hingebungsvolle Dienst dessen, der seinen Jüngern die Füße wusch. Nein, es bedarf nicht eines besonderen Plans für dein Leben; in jeder »Berufung« sollst du einfach Gott und deinen Nächsten lieben und dienen. Und so weiter – mehr verrate ich hier noch nicht, denn der geneigte Leser soll das alles ja noch selbst entdecken (und vielleicht auch mit dem eigenen Hauskreis mal Kapitel für Kapitel durcharbeiten). Es lohnt sich!
Also, liebe Leserin und lieber Leser, keine leichte Kost, aber eine wertvolle und tröstliche, im guten Sinne aufbauende Lektüre liegt vor Ihnen. Packen wir es an!
Prof. Dr. Michael Herbst
Weitenhagen, den 25. Februar 2020