Читать книгу Im Zweifel für Gott - Malte Detje - Страница 7
ОглавлениеEINLEITUNG
Wenn Gott nicht hält, was er verspricht
Ich gehe einkaufen und treffe unerwartet einen alten Bekannten. Beide schieben wir unsere Einkaufswagen zwischen den hochaufragenden Regalreihen des Supermarktes hindurch und gehen in diesen kleinen Gassen in Deckung wie in einem Schützengraben.
Wir haben uns seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Doch nachdem ich das dritte Mal aus der Ferne hingeschaut habe, bin ich mir ganz sicher, dass er es ist, selbst wenn sein Gesicht heute in mancherlei Hinsicht anders aussieht. Der Bart war damals noch nicht da. Meistens freue ich mich auf ein solches Wiedersehen mit einem Weggefährten aus längst vergangenen Tagen. Ich mag diese kurzen, herzlichen Gespräche und das angenehm nostalgische Gefühl, das hinterher zurückbleibt, während ich die Einkäufe im Auto verstaue und nach Hause fahre.
Doch mit ihm ist es anders. Ich flüchte mich mit dem Einkaufswagen hinter das nächste Regal, verschwinde so aus seinem Sichtfeld und überlege, was ich nun machen soll. Ich entscheide mich, so zu tun, als hätte ich ihn nicht gesehen, und gleichzeitig zwischen meinem und seinem Wagen den nötigen gesprächsverhindernden Sicherheitsabstand zu wahren. Die Strategie ist erfolgreich.
Ein paar Augenblicke später dämmert mir jedoch, dass er es wahrscheinlich genauso handhabt wie ich. Er hätte genug Gelegenheiten gehabt, mich wiederzuerkennen. Wahrscheinlich weiß er sogar, dass ich ihn erkannt habe und genauso wie er dieses peinlich berührte Wiedersehen vermeiden möchte. So wird dieser Supermarkt zum Spielfeld für unseren kleinen Ausweich-Wettkampf, den wir am Ende beide auf unsere Weise gewinnen.
Ich führe diesen etwas unrühmlichen Tanz besonders häufig dann auf, wenn es sich bei dem Gegenüber um jemanden aus der zahlreichen Riege der Ex-Christen handelt. Es sind Leute, die inzwischen zu den Alumni1 unserer Gemeinden gehören und ihre aktive Zeit mit Gott längst hinter sich haben. Sie gehören zu den Ehemaligen. Sie haben sich vom Glauben Stück um Stück verabschiedet. Jesus ist heute nur noch ein Teil ihrer Vergangenheit, eine Reminiszenz an einen anderen Lebensabschnitt.
Ich habe das Gefühl, dass sie jemandem wie mir besonders häufig ausweichen. Intuitiv. Denn als Pastor stehe ich für das Glaubensthema, mit dem sie bewusst oder unbewusst gebrochen haben. Wenn man sich mit mir unterhält, steht die Glaubensfrage irgendwie mit im Raum, und das ist für einen Ehemaligen verständlicherweise selten angenehm. Auch für mich sind diese Begegnungen auf ihre eigene Art schmerzhaft. Denn sie führen mir vor Augen, was mir oft auszublenden gelingt: Es gibt so viele Menschen, deren Lebensgeschichten fröhliche und begeisterte Kapitel mit Jesus enthalten. Doch nun können sie mit meinem Herrn und Heiland nichts mehr anfangen.
Wahrscheinlich gehörst du nicht zu diesem Alumni-Klub des Christentums. Ansonsten hieltest du dieses Buch wohl nicht in deinen Händen. Aber vielleicht brauchst du nicht viel Fantasie, um dich in einigen Monaten oder Jahren ebenfalls im Kreise dieser Ehemaligen zu sehen. Möglicherweise stehst du kurz davor, den Glauben zu verlassen, und spielst mit dem Gedanken, Jesus Lebewohl zu sagen. Oder es ist bei dir weit weniger dramatisch, aber du kannst dich hin und wieder des Eindrucks nicht erwehren, dass dein Glaube ins Wanken geraten ist. Vielleicht fragst du dich: »Was ist, wenn ich nicht fühle, dass Gott da ist? Was ist, wenn ich nicht spüren kann, dass seine Versprechen wahr sind?«
Dein Glaube trägt nicht mehr – das kann ganz verschiedene Gründe haben. So wie ich es sehe, sind es vor allem sechs Bereiche, in denen der Frust besonders tief sitzen kann. Über sie schreibe ich auf den kommenden Seiten. Vielleicht spricht dich eines dieser Themen besonders an.
Möglicherweise fragst du dich, ob es sich noch lohnt, an Gott dranzubleiben. Manchmal kommt man im Glaubensleben an den Punkt, wo man einfach keine Kraft mehr hat, den nächsten Schritt zu gehen. Es gibt Momente, in denen keine Energie mehr da ist, um an Jesus dranzubleiben.
Ich denke, dass es sich dennoch lohnt. Aber es sieht womöglich anders aus als gedacht und kostet hoffentlich weit weniger Kraft als befürchtet. Vielleicht magst du dem eine Chance geben.
Lass uns gemeinsam auf die Reise gehen.